Es war höchste Zeit, dass oberhalb der viel befahrenen Bahnstrecke bei Sackenbach etwas unternommen wird. Der Wald war den Gleisen über Jahrzehnte bedrohlich nahe gerückt. „Es gab jede Menge Bäume, die hohl oder faul waren“, sagt Axel Scholz, Revierleiter für den Staatswald des Forstbetriebs Hammelburg in Sackenbach. Auf dem teils zugewucherten Bahnweg an den Schienen lag zuletzt auch schon eine Fichte. Seit gut zwei Wochen drängt nun eine Spezialfirma im Auftrag der Bahn den Wald um bis zu 30 Meter zurück.
Die Arbeiten sind am steilen Hang oberhalb der Bahnstrecke bei laufendem Schienenverkehr äußerst heikel. Scholz versteht, warum der Wald den Schienen so nahe kommen konnte: „Es hat sich nie jemand getraut, was zu machen.“ Erst recht nicht die privaten Eigentümer denkbar schmaler Waldstücke. Sogar der an die Bahn angrenzende rund 1,3 Kilometer lange Abschnitt mit Staatswald, für den er zuständig ist, sei zuletzt vor 30, 35 Jahren zurückgeschnitten worden. Man stelle sich vor, bei solchen Arbeiten wäre ein Baum auf die Schienen gefallen, gibt der Revierleiter zu bedenken.
Forsches Schreiben der Bahn sorgte für Aufregung
Für Aufregung hatte im Frühsommer ein Schreiben der Deutschen Bahn an 140 Grundstücksbesitzer gesorgt, die angrenzend an die Bahnlinie auf einer Länge von rund 400 Metern zwischen Sackenbach und der Schleuse Steinbach Wald haben. Darin forderte sie unter Verweis auf unter anderem das Strafgesetzbuch die Besitzer von 91 Waldstücken auf, ihrer Verkehrssicherungspflicht nachzukommen und binnen 30 Tagen Bäume zu entfernen, die auf die Gleise stürzen könnten.
Sollte sich nichts tun, bestehe in Extremfällen und bei Gefahr in Verzug die Möglichkeit, „unter Beteiligung der Bundespolizei eine Ersatzvornahme durchzuführen, um einen größeren Schaden zu verhindern“, teilte eine Bahn-Pressesprecherin auf Anfrage mit.
Manche der schlauchförmigen Grundstücke nur zwei Meter breit
Doch sind in der Waldabteilung „Weinberg“, wo früher wirklich Wein angebaut wurde, durch die fränkische Erbteilung manche Grundstücke nur rund zwei Meter breit, dafür aber über 100 Meter lang. Grenzsteine gibt es nur vereinzelt. Manche werden, wenn sie überhaupt von ihrem Waldbesitz dort Kenntnis haben, kaum wissen, wo genau ihr schlauchartiges Grundstück überhaupt liegt. Bei etlichen Bäumen ist unklar, wem sie gehören, und bei manchen der Grundstücke stehen über 20 Personen als Eigentümer im Grundbuch. Was tun?
Nach einem Ortstermin im Juni mit Vertretern der Bahn, der Forstverwaltung, der Forstbetriebsgemeinschaft und der Sackenbacher Jagdgenossenschaft ruderte die Bahn zurück. Offenbar erkannte das Unternehmen die Schwierigkeiten und nahm die Frist zurück. Die Bahn selbst kommt nun für die Kosten der Fällung auf. Dafür bekomme laut Scholz die Spezialfirma das Giebelholz, um daraus Hackschnitzel zu machen.
Gemeinsame Vermarktung der gefällten Bäume
Das Stammholz werde für die Privatwaldbesitzer anteilig nach der Grundstücksgröße über die Forstbetriebsgemeinschaft vermarktet, die Staatsforsten, deren Waldstück sich ab der Schleuse in Richtung Langenprozelten anschließt, vermarkten ihr Holz selbst. „Für die Privaten und uns war es eine einmalige Chance“, so Scholz. Denn eigentlich sind Grundstücksbesitzer für die Verkehrssicherungspflicht zuständig.
Die Baumfällfirma ist mit Spezialgerät im Einsatz, darunter drei Greifbaggern, die Stämme bis 40 Zentimeter festhalten, durchzwicken und dann einfach zur Seite legen können. Stärkere Bäume müssen laut Revierleiter Scholz im Zweifel angebunden und dann abgesägt werden, damit sie nicht auf die Schienen fallen oder rutschen können.
Stadt Lohr gehören ebenfalls Waldgrundstücke an Bahnlinie
Der Stadt Lohr gehören neun der besagten 91 bis an die Bahnlinie führenden Grundstücksstreifen, sagt Pressesprecher Dieter Daus. Wie für die Privatwaldbesitzer war es deshalb für die Stadt praktisch ein Ding der Unmöglichkeit, zu wissen, welcher Baum noch zum einen und welcher schon zum nächsten Grundstück gehört bzw.
überhaupt die Grundstücksgrenzen zu ermitteln. Daus: „Durch die Lage und Breite der einzelnen städtischen Grundstücke führte nur eine Gemeinschaftsaktion zum Ziel.“
Zur Koordination der Arbeiten haben sich die Forstbetriebsgemeinschaft, die Jagdgenossenschaft Sackenbach, das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und die Stadt Lohr zusammengetan, berichtet Daus. Man habe gemeinsam Lösungen gesucht. Soweit man die Grundstückseigentümer erreichen konnte, haben die Beteiligten und die Bahn mit ihnen Absprachen getroffen. Daus lobt die Zusammenarbeit und die Kooperationsbereitschaft der Deutschen Bahn.
Verkehrssicherungspflicht für nächste Jahrzehnte Genüge geleistet
Durch die Fällaktion ist laut Daus der Verkehrssicherungspflicht aller Eigentümer gegenüber der Bahnstrecke für die nächsten 30 bis 40 Jahre wieder Genüge getan. Man sei übereingekommen, den Bewuchs in dem frei werdenden Streifen nicht mehr so hoch werden zu lassen wie zuletzt. Staatsforsten-Revierleiter Axel Scholz spricht von einem Mulch- oder Buschstreifen. Die Arbeiten sollen voraussichtlich kommende Woche abgeschlossen werden.
„Nur eine Gemeinschaftsaktion führte zum Ziel.“
Dieter Daus, Sprecher der Stadt Lohr, der ebenfalls dort Grundstücke gehören