Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Gemünden
Icon Pfeil nach unten

GEMÜNDEN: Ein Berufsstand unter Druck

GEMÜNDEN

Ein Berufsstand unter Druck

    • |
    • |
    Das Wiegen gehört zur Nachsorge von Hebamme Theresa Glück. Der große Bruder hilft dabei.
    Das Wiegen gehört zur Nachsorge von Hebamme Theresa Glück. Der große Bruder hilft dabei. Foto: Foto: Kristian Lozina

    In den vergangenen Jahren sind überall in Deutschland Hebammen auf die Straße gegangen, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen. Denn sie haben es mit einer hohen Arbeitsbelastung und geringem Lohn zu tun. Auch in Unterfranken kämpfen gerade Hebammen in Haßfurt gegen die Schließung ihrer kleinen Entbindungsstation. Der Druck auf die Hebammen ist auch bei den werdenden Müttern zu spüren.

    Wenn das erste Mal die winzige Hand eines Neugeborenen den Finger seiner Mutter berührt, handelt es sich um einen ganz besonderen Moment, der wohl bei jedem Gänsehaut auslöst. Doch bei der Nachricht schwanger zu sein, gehen Frauen ganz andere Fragen durch den Kopf: Worauf muss ich achten? Was darf ich essen? An wen kann ich mich wenden? Ansprechpartnerin ist die Hebamme. Sie ist Fachfrau rund um Schwangerschaft, Geburt und die Zeit danach.

    Geburtstermine in Hessen

    Für Theresa Glück stand der Hebammenberuf schon immer ganz oben auf der Wunschliste. Nach ihrer Ausbildung an der Universitätsfrauenklinik Würzburg, blieb sie als Teilzeitkraft im dortigen Kreißsaal und begann zugleich als freiberufliche Hebamme in Karlstadt.

    Da Gemünden, der Wohnort ihrer Eltern, nicht direkt versorgt war, eröffnete sie dort 2014 mit einer Heilerziehungspflegerin die „Glückskinder“ Praxis im Röderweg. Aktuell ist die 28-Jährige in Elternzeit und wird von der Obersinner Hebamme Paula Dill vertreten, wobei zukünftig beide in der Glückskinderpraxis tätig sein werden - als einzige in Gemünden.

    Zwei Hebammen für Gemünden

    Als freiberufliche Hebamme hat sich Theresa Glück auf die individuelle Schwangerenvor- und Nachsorge spezialisiert und hält zusätzlich verschiedene Kurse ab. Allein 2015 betreute sie 57 Frauen. Die Geburtshilfe bietet die Hebamme nicht an, vor allem aus mangelnder Zeit. Somit wird in Gemünden selbst kaum noch ein Kind geboren.

    „Früher waren neben den Würzburger Kliniken auch kleinere Häuser wie Werneck und Karlstadt Anlaufstellen für Gemündener“, so Glück. Die dortigen Entbindungsstationen wurden jedoch geschlossen. Die Situation ist im ganzen Main-Spessart-Kreis ähnlich, sodass Würzburg und Aschaffenburg inzwischen zu den zentralen Geburtsorten geworden sind. Frauen aus dem Sinngrund verschlägt es zur Entbindung inzwischen gar nach Hessen.

    Die Hebamme sieht darin eine große Belastung für werdende Mütter: „Die langen Anfahrtswege sind schwierig. Mit Geburtswehen ist es ein sehr langer Weg bis nach Würzburg. Und ich erlebe immer wieder Frauen, die nur knapp rechtzeitig in die Klinik gekommen sind“, so Glück. Doch nicht nur die Geburt, auch die Vor- und Nachsorge kann sich schwierig gestalten, insbesondere in finanzieller Hinsicht. Denn eine Hebamme ist auch selbstständige Unternehmerin.

    31 Euro für einen Hausbesuch

    Wenn Glück einen Termin im Sinngrund übernimmt, reicht oftmals die maximale Kilometerpauschale der Krankenkassen nicht aus, um die Kosten zu decken. Den Rest müssen die Hebammen daher aus eigener Tasche finanzieren. „Auch die verbrachte Zeit bei der Frau wird nicht betrachtet, denn für einen Hausbesuch zahlt die Krankenkasse nur den immer gleichen festgesetzten Betrag“, sagt Glück. Für einen Hausbesuch, der auch mal mehr als zwei Stunden dauern kann, erhält die Hebamme pauschal 31,38 Euro.

    Hinzu kommen immer steigende Kosten, insbesondere bei der Berufshaftpflichtversicherung. Für Glück sind es inzwischen mehr als 500 Euro im Jahr. Sobald eine freiberufliche Hebamme auch in der Geburtshilfe tätig werde, lande man bei über 6000 Euro, sagt Glück. Hierbei sieht die Hebamme auch den größten Reformbedarf: „Die Haftpflicht und die Vergütung stehen in keinem Verhältnis mehr zueinander.“

    Schwierige Versorgungslage

    Dass die Zahl der Schülerinnen in Hebammenschulen eingebrochen ist, überrascht Glück daher nicht. Denn auch in den Kliniken haben Hebammen mit hohem Druck, viel Verantwortung und schlechten Arbeitszeiten im Schichtdienst zu kämpfen – und das bei geringem Lohn. Dies bekräftigt auch der Deutsche Hebammenverband (DHV).

    In Ballungsräumen sei die Versorgung inzwischen schlecht, sagt Glück. Doch auch auf dem Land kann es problematisch werden. So musste auch die Gemündener Hebamme bereits Frauen an Kolleginnen in Karlstadt oder Lohr vermitteln. „Es gibt Monate, da stoße ich an meine Grenzen“, sagt Glück. Trotzdem hat sie niemals ans Aufhören gedacht. Sie hatte immer den Wunsch, sowohl im Kreißsaal, als auch bei den Frauen vor Ort zu bleiben.

    Studie zur Versorgung

    Das Thema bewegt und es hat auch seinen Weg in die Politik geschafft. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) hat für das weitere Vorgehen eine Studie zur Hebammenversorgung im Freistaat angekündigt. Ihr Ziel: „Jede Frau hat einen gesetzlichen Anspruch auf Hebammenhilfe. Ich möchte wissen, wie die tatsächliche Lage ist“, erklärt die Ministerin in einer Mitteilung.

    Für Theresa Glück ist das ein erster Schritt. Für die Zukunft wünscht sie sich jedoch Sicherheit. In der Versorgung für Eltern und auch für die Hebammen selbst. „Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit der Beruf attraktiv bleibt, um junge Familien individuell und nach ihren Bedürfnissen zu helfen.“

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden