„Lohr ist die erste Stadt, in die ich 2010 aus meiner Heimat Moskau gekommen bin. Meine Eindrücke waren sehr gut; sie möchte ich in meinen Bildern und Grafikserien zeigen“ – Das sagte Sergey Bakir am Freitagabend im Alten Rathaus. Unter großem Besucherzuspruch eröffnete Kulturamtsleiter Peter Häring die erste Ausstellung des russischen Künstlers in Lohr.
Sie hat seine Wahlheimatstadt zum Thema. Dass diese Bakir keineswegs fremd ist und er mit aufmerksamem Blick durch die Stadt geht, verdeutlicht nicht zuletzt der Ausstellungstitel „Lohr im Detail: 3D-Stadtplan und 40 Bilder“.
Vor einem Jahr erarbeitete er das Konzept zu seinem dreidimensionalen Stadtplan aus der Vogelperspektive und einem Panorama. Darauf liegt das Hauptaugenmerk der Ausstellung. Zu sehen sind die Häuser der Altstadt im Detail. Als ihm im vergangenen Jahr ein Kunde ein Buch über Lohr schenkte, entdeckte Bakir darin den Stich des 1593 in Basel geborenen Kupferstechers Matthäus Merian, entstanden um 1648.
„Die Schwarz-Weiß Skizze wollte ich mit Farbe und in 3D beleben.“ Beeindruckend gearbeitet hat Bakir sie sowohl in Schwarz-Weiß als auch koloriert auf Hahnemühle-Papier.
Brandneu in der Ausstellung ist Bakirs Antwort auf das Wittstadt-Schneewittchen und das Horrorwittchen. Seine Version heißt „Coolwittchen“, ist grazil und charmant und wird von sieben Kavalieren begleitet. Gentlemen-like stehen die lustigen Gesellen mit getrimmtem Oberlippenbart, roter Zipfelmütze, Fliege und Spazierstock in Reih und Glied neben ihrer Dame.
Unweit entfernt lassen sieben Coolwittchen (Druck auf Papier) in gleicher Gestalt doch unterschiedlicher Farbe schmunzeln. Das Weihnachtsmotiv „Lebkuchen-Schneewittchen mit Zwergen“ mutet nostalgisch an. Wie das rot-weiße „Lohr am Main gestrickt“ ist es auf Holz gearbeitet. Daneben formieren sich sieben hüpfende und purzelnde Zwerge zur Zahl 2016.
An der gegenüber liegenden Seite findet sich die vierteilige Serie an Zeichnungen in Tusche und Aquarellfarben mit Panoramen von der neuen Mainbrücke über die Turmstraße zur alten Brücke oder vom Schloss entlang der Hauptstraße zum Main. Drucke hinter Acrylglas zeigen Innenstadt-Motive wie den Bayersturm, das Schloss, den Brunnen am Unteren Marktplatz oder alte Fachwerkhäuser.
Lohrer Sehenswürdigkeiten hat Bakir auch in seiner Postkarten-Serie festgehalten. In sie hat er die Worte „Schneewittchenstadt“ und „Lohr“ integriert.
„Ich habe noch viele Ideen im Kopf, die ich umsetzen möchte,“ sagt der Künstler.
Medienpartner der Ausstellung ist das Verlagshaus Main Echo. Redaktionsleiterin Renate Ries ging in ihrer Ansprache auf Gemeinsamkeiten vom Roten Platz in Moskau und dem Schlossplatz in Lohr ein.
Laut dem Künstler hat er Ersteren gar nicht richtig wahrgenommen, den in Lohr jedoch mit den neugierigen Augen eines Fremden. „So hat er ihn auch künstlerisch umgesetzt. Er hat Häuserfassaden charmant aufeinander abgestimmt und manche krumme Linie gerade gemacht“, sagte Ries.
Sergey Bakir war Tänzer in Moskau. Wegen Gelenksproblemen musste der heute 42-Jährige seinen Beruf aufgeben. Er studierte an der Hochschule für Kultur in Moskau und arbeitete als Marketingdirektor in einer Moskauer Firma. 2010 zog er mit seiner Frau Yulia nach Lohr. Sie war in der russischen Hauptstadt im Controlling bei Bosch Rexroth tätig und erhielt eine Stelle im Lohrer Unternehmen.
„Vor unserem Umzug habe ich am Moskauer Goethe-Institut einen Intensivkurs in Deutsch gemacht“, erzählt Sergey Bakir. Die deutsche Grammatik sei ihm nicht leicht gefallen. 2011 bildete er sich an der Städelschule in Frankfurt in Kunst weiter und ergänzte im Jahr darauf seine Studien in altmeisterlicher und klassischer Technik. Vor dreieinhalb Jahren eröffnete er in der Meistergasse sein Atelier ArtBakir.
Die Ausstellung im Alten Rathaus ist bis 10. Dezember zu sehen. Öffnungszeiten sind Montag bis Freitag von 12 Uhr 30 bis 19 Uhr, Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr.