Orange – bereits beim Betreten der Hofeinfahrt von Jürgen Ullrich ist unschwer zu erkennen, dass die Farbe hier eine Rolle spielt. Im Büro angekommen wird klar, nicht nur die Wände seines Gebäudes sind orange, sondern auch alle seine Ordner und sein Schreibtisch. Daneben steht nicht etwa ein Papierkorb, sondern ein Original-Harley-Davidson-Modell 7b aus dem Jahre 1911. Keine Frage, hier wohnt und arbeitet ein Harley-Verrückter, der die Liebhaber-Marke nicht nur fährt, sondern auch dabei ist, ein dazugehöriges Museum in Gänheim zu errichten. Im Interview spricht der 47-jährige Diplom-Ingenieur, der ein international erfolgreiches Büro für Bäckereitechnik betreibt, über seine Leidenschaft zu „heißen Öfen“.
Frage: Wann haben sie das erste Mal ihre Leidenschaft für Harley-Davidson entdeckt?
Jürgen Ullrich: Diese Leidenschaft fing mit etwa 14 Jahren an und wird auch nie mehr enden, davon bin ich vollkommen überzeugt. Ich sah in einem Magazin auf der Titelseite den ersten echten Chopper, eine Harley-Davidson FXWG Wide Glide Baujahr 1980, mit Flammen auf dem Tank lackiert. Das war mein fast unerreichbarer Traum, unbezahlbar und kaum zu bekommen, nur 1000 Stück wurden insgesamt produziert. Also begann mein Motorradleben mit einer NSU Max Baujahr 1953, die als Chopper und Harley Kopie aufgebaut wurde und heute noch in meinem Besitz ist. Das Traum-Bike, die 1980 Wide Glide, kam dann 22 Jahre später aus Lexington, Kentucky, in die Sammlung. Mit einem persönlichen Brief von Harley-Davidson, der bestätigt, dass dies wohl das letzte, am 12. August 1980 produzierte Modell war.
War das auch Ihre erste Harley?
Ullrich: Nein. Die habe ich mir mit 20 Jahren gekauft. Es war eine 1981 Low Ride. Für sie habe ich vier Monate Schicht in der Fabrik gearbeitet und alle Ersparnisse aus 20 Jahren geplündert. Aber dann wurde der Traum wahr, dank Beharrlichkeit, Geduld und Fleiß.
Wann kam Ihnen die Idee zu dem Museum?
Ullrich: Geplant habe ich nie das, was jetzt aus der Leidenschaft für Harley-Davidson geworden ist. Ein privates Harley-Museum, in das ich meine Sammlung, also Bilder, Accessoires, Literatur, meine persönlichen Geschichten rund um Harley-Davidson und natürlich dutzende Fahrzeuge einbette. Hier lebe, arbeite und wohne ich mit meinen Harleys. Ich restauriere auch Modelle und mache sie fit für den Straßenverkehr.
Seit wann gibt es das Museum?
Ullrich: Seit etwa 2005. Am Eingangsbereich haben wir ein großes Harley-Davidson Logo in die Pflasterfläche eingelegt, wie ein Namensschild: Hier wohnen wir! Harleys aus den letzten 100 Jahren! Allerdings handelt es sich nicht um ein öffentliches Museum, sondern die Leute können telefonisch einen Termin vereinbaren. Für Oldtimerklubs und Vereine ist das Museum schon längere Zeit ein beliebtes Ausflugsziel. Veranstalter von Motorradfesten oder Ausstellungen leihen sich meine Bikes auch gerne aus.
Was bekommen die Leute bei Ihnen zu sehen?
Ullrich: Ich führe die Besucher durch meine Sammlung. Das mache ich kostenlos, denn es kommt mir nicht auf Geld an. Über die Jahre hinweg bin ich dank unzähliger Bücher zum kleinen Harley-Lexikon geworden und kann somit auch spezielle Fragen wie zum Beispiel nach den genauen Produktionszeiten- und Zahlen von Modellen beantworten. Noch lieber erzähle ich von der Entstehung bestimmter Modelle, Designs und Technologien. So zum Beispiel, dass der erste Harley Motor im Jahre 1903 ohne den Deutschen Emil Kröger nie entstanden wäre.
Warum gerade Harley-Davidson? Was macht diese Marke für Sie so besonders?
Ullrich: Die Marke symbolisiert, wonach sich viele sehnen, nämlich Freiheit und Freude. Eine Harley unterscheidet sich von anderen Motorrädern aufgrund des Fahrgefühls. Durch einen speziellen Motor ist der Klang einer Harley-Davidson etwas Besonderes. In Kombination mit der Sitzposition entsteht ein einzigartiges Fahrgefühl, welches man einmal erlebt haben sollte. Für mich persönlich gibt es nichts, was mich das Gefühl von Freiheit so spüren lässt, wie wenn man mit einer Harley auf einem amerikanischen Highway fährt. Wenn man sich mit anderen Harley-Fans trifft, ist das zudem wie eine Eintrittskarte in die „Harley-Davidson-Familie“. Dort ist dein sozialer Status egal. Das ist für mich sehr wichtig ist. Was dort zählt, ist nicht Beruf, Titel oder Geld, sondern das Herz.
Gibt es ein Ziel, das Sie verfolgen?
Ullrich: Bezüglich meiner Sammlung ist mein Ziel, die Geschichte der Harley in meinen eigenen Harleys darstellen zu können. Also aus jeder Epoche eine zu besitzen. Zusammengefasst ist mein Ziel, den Mythos Harley-Davidson zu leben und erleben.
Welche Harley bedeutet Ihnen am meisten?
Ullrich: Zu jeder meiner Maschinen gibt es eine eigene Geschichte, die sie für mich besonders macht. Eine wurde am Tag meiner Geburt das erste Mal für den Straßenverkehr zugelassen. Für eine andere bin ich spontan nach Amerika geflogen und habe dort mit ihr eine Spritztour von Kalifornien nach Florida gemacht. Eine große Bedeutung haben für mich auch die beiden Harley-Modelle aus dem Film „Easy Rider“ oder die Rarität aus dem Jahre 1911. Für einen Sammler ist es ein wunderschöner Moment, ein neues Stück für die Sammlung zu erlangen. Es also nicht nur in einer Zeitschrift zu sehen, sondern auch mit allen Sinnen zu erleben.
Wie kommen Sie an die Motorräder?
Ullrich: Beziehungen und ein weltweites Netzwerk. Ich erhalte oft Harley-Anrufe, und manchmal ist ein Angebot dabei, mit dem ein weiterer Traum in Erfüllung geht. Falls das Angebot aus Amerika kommt, würde ich mich auch spontan in den nächstmöglichen Flieger setzen. Der Aufbau und die Pflege erfordern Zeit und Fachkenntnis. Da meine Zeit knapp ist, unterstützt mich Tommy Schickhaus von Downtown Cycles in Dettelbach.
Was sagt Ihre Familie zu der Leidenschaft?
Ullrich: Die Leidenschaft zum Harley-Fahren teilen fast alle Familienmitglieder. Anders wäre es auch recht schwierig, denn Harley-Davidson ist ein Teil von mir. Ich habe meine Eltern und meine Frau mit dem Virus angesteckt. Vor allen mein Vater macht mit mir viele Touren. Meine Frau Tanja hat mich mit dem Harley Virus kennen und lieben gelernt. Selbst das Maskottchen „Lucky“ meiner Firma trägt Biker Boots und Lederjacke. Auch der Firmen Slogan „Born to bake“ steht in direkter Verbindung zu meinen Harleys.
Information und Kontakt:
Raiffeisenstraße 8, 97450 Gänheim,
Juergen@Harley-Davidson-Museum.de,
Tel. (093 63) 99 66 917 oder (0162) 28 06 130.