Es ist ein Paradies am Waldrand, wo die Welt noch in Ordnung ist. Der Besucher spürt buchstäblich die Waldeinsamkeit am Rande des kleinen Spessartdorfes, wo fast jeder jeden kennt und der eine oder andere Städter seinen Wochenendurlaub verbringt. In dieser Idylle in der Waldstraße 32 sind Karin und Roland Weber zu Hause. Das Ehepaar betreibt hier eine Auffangstation für verletzte Greifvögel und Wildtiere.
Die große Liebe der Webers, die beide ausgebildete Falkner sind und einen Jagdschein besitzen, gehört derzeit 17 geflügelten Findelkindern. Alle haben in einer Voliere ein gut behütetes Zuhause und werden artgerecht gefüttert. Wenn Karin und Roland erkennen, dass ihre Patienten wieder für ein Leben in der Natur gesund sind, werden sie ausgewildert, wie der Fachmann den weiteren Aufenthalt in ihrer gewohnten Umgebung nennt. So macht zum Beispiel ein von Spaziergängern verletzt gefundener Mäusebussard derzeit so gute Fortschritte, dass er bald wieder in Freiheit leben kann.
Immer wieder freut man sich in der „Hasselberger Vogelklinik“ über interessierte Besucher – wie zum Beispiel dieser Tage über 18 Buben und Mädchen aus dem Homburger Burkardus-Kindergarten, die von ihren Erzieherinnen Conny Dittrich und Vanessa Ühlein im Rahmen eines Greifvogel-Projektes auf den Abstecher in das Spessartdorf vorbereitet worden waren.
„Seid bitte jetzt leise, ganz leise!“, legt Falkner Roland Weber den äußerst wissbegierigen kleinen Besuchern ans Herz, als er einen Rotmilan aus der Voliere holt, der noch nicht an die Nähe von Menschen gewöhnt sei. Artig folgen die Kinder dem Rat des Vogelkundlers. Der Jungvogel sei in der Nähe von Breitenbrunn bei sehr stürmischem Wetter aus dem Nest gefallen und habe keine Nahrung mehr aufnehmen können. Roland Weber verrät weiter, wie er sich fürsorglich um den kleinen Greifvogel gekümmert hat und ihn, damit er regelmäßig gefüttert werden konnte, sogar in sein Büro nach Wertheim, wo er als Technischer Zeichner bei der Firma Zippe beschäftigt ist, mitgenommen und im Laufe der nächsten Wochen durch artgerechtes Fressen weiter aufgepäppelt habe.
Webers Ehefrau Karin, die in Wertheim als Krankenschwester arbeitet, sich seit vielen Jahren für Greifvögel interessiert und längst über die gängigen Vogelkrankheiten Bescheid weiß, erzählt den Kindern aus dem Leben der geflügelten Volieren-Bewohner, während ihr Mann Roland mit einem Überraschungsgast in die Runde kommt. Dieser ist ein junger, erst drei Jahre alter Weißkopf-Seeadler, der auf den Namen Akido hört. Er ist kerngesund, hat eine Flügelspannweite von zwei Metern und ist quasi der Hausfreund der Webers.
Was man an ihm vermisst, ist die weiße „Halskrause“, das typische Erkennungsmerkmal des amerikanischen Wappentiers. Roland Weber erklärt, dass der Vogel seine „Visitenkarte“ erst mit dem Erreichen der Geschlechtsreife erhält. Das, was er weiter über seinen gefiederten Freund erzählt, lässt die Kinder aufhorchen. Er sei mit Akido schon am Main beim Baden gewesen, eineinhalb Stunden lang sei der Vogel an einer langen Leine im Wasser „rumgeplätschert“ – „Das war Klasse!“, begeistert sich Weber noch heute.
Akido verfolgt den „Unterricht am Lernort Natur“ mittlerweile unter einem Sonnenschirm, den ihm Karin Weber bereit gestellt hat, während ihr Mann dem Jungvogel ein paar Leckerli in Form von kleinen portionierten Fischhäppchen zum Fressen anbietet und nebenbei scherzt: „Den Fisch vom Aldi mag er am liebsten!“ Im weiteren Verlauf des vogelkundlichen Unterrichts öffnet Karin Weber vorsichtig die eine und andere Türe zu mehreren Volieren, wo unter anderem Schneeeulen und die Uhus Rasputin, Ronja und Igor zu Hause sind. Einer der Uhus lässt sogar fast menschliche Züge erkennen, als er von Roland Weber mit Streicheleinheiten verwöhnt wird und dabei vorsichtig seine Greife anhebt – ein Verhalten, mit dem der Vogel zeigen wolle, dass Roland Weber nicht verletzt werde, wie Karin Weber erklärt.
Zum Abschied gibt es ein Erinnerungsfoto mit dem Rotmilan und einem Uhu. Quasi als Souvenir dürfen die Kinder eine Feder mit nach Hause nehmen. Die Federn stammen aus der Mauser der Vögel, wie der immer wiederkehrende Wechsel des Federkleides bezeichnet wird.
Die Buben und Mädchen aus Homburg revanchieren sich mit einer kleinen Spende, die ihnen ihre Eltern in Form des einen oder anderen Euros für den Besuch in Hasselberg mitgegeben hatten. Drei Euro pro Tag müssen die Webers für die artgerechte Fütterung der Greifvögel ausgeben. Dass man sich in der Waldstraße 32 über jede noch so kleine Spende freut, sei nur am Rande erwähnt.
Info: Spessartgreife, Auffangstation für verletzte Greifvögel, Karin und Roland Weber, Waldstraße 32, 97907 Hasloch-Hasselberg, Tel. (0 93 42) 91 38 92 oder Tel. (01 76) 51 28 16 96. Info im Internet: www.spessartgreife.de