Ein großer Schritt, und schon lockt das erste Hüpfspiel. Direkt hinter der Eingangstüre des Tiefenthaler Kindergartens sind 30 Fliesen mit bunten Klebestreifen umrandet, in Blau, Rot, Grün und Gelb. Ein paar Meter weiter links, direkt bei der Garderobe, ist ein weiterer Parcours auf dem Boden markiert. Jedes Feld steht für einen Wochentag; es geht darum, die sieben Quadrate in der richtigen Reihenfolge zu bewältigen. Am anderen Ende des Gangs stehen drei Spielzeugpferde, eines rot, die anderen beiden gelb, die startbereit für das Rennen durch den Flur sind.
Still gesessen wird bei Kindergartenleiterin Angela Dümmig nur selten. Kein Wunder, schließlich haben sie und ihr Team sowie der Ägidiusverein als Träger der Einrichtung das Thema Bewegung mit Beginn des neuen Kindergartenjahres in ihr Konzept aufgenommen. Und da Bewegung nicht nur drinnen, sondern auch draußen stattfindet, wurde die Natur als zweiter Schwerpunkt gleich mit integriert.
„Wir wollen nicht immer am unteren Limit herumkrebsen.“
Patrick Schönlein Vorsitzender des Ägidiusvereins
Die Veränderungen im Kindergarten wurden jedoch nicht auf einen Schlag vollzogen, sondern werden Schritt für Schritt umgesetzt. „Die Kinder sollen in das Angebot hineinwachsen und nicht überfordert werden“, sagt Angela Dümmig. Wenn es etwas Neues gebe, würden mit den Mädchen und Jungen „klare, einfache Regeln“ besprochen – und dann gehe es sogleich ans Ausprobieren. Ideen haben Angela Dümmig und ihre Kolleginnen Elke Hauptmann, Steffi Hemberger und Verena Schreck-Schäbler noch mehr als genug.
Viel auf Achse waren die Kinder in Tiefenthal auch früher schon; doch einen derart hohen Stellenwert wie heute hatten Natur und Bewegung noch nie. Dass das so ist, ist auch ein Verdienst von Karin Schaffner, die seit 1985 das Modellprojekt „Bewegungskindergärten in Bayern“ der Bayerischen Sportjugend leitet und in Schweinfurt den ersten Bewegungskindergarten in ganz Deutschland aufgebaut hat. „Von ihr kann man unglaublich viel lernen“, sagt Angela Dümmig, die im Frühjahr mit ihrem Team im Schweinfurter Bewegungskindergarten zu Besuch war.
Angespornt von dem, was sie dort gesehen und erfahren haben, begannen die Tiefenthaler Erzieherinnen, auch in ihrem Kindergarten „Anreize zu schaffen, um die Kinder unbewusst zur Bewegung zu motivieren“, wie Angela Dümmig erzählt. Hinzu kämen regelmäßige Turnstunden, die sportlich-sprachliche Aktion „Bewegtes Französisch“ und der Erlebnis- und Naturtag, der alle zwei Wochen stattfinde. Ebenfalls zweimal im Monat gebe es einen Hauswirtschaftstag, an dem die Kinder lernen, gesund zu kochen und zu backen. Um ihre „Kompetenzen in den Bereichen Bewegung und Natur weiterzuentwickeln“, nehmen Angela Dümmig & Co. im November an einer Fortbildung mit Karin Schaffner teil.
Hinter dem neuen Modell steckt aber noch mehr als das achtbare Vorhaben, die Gesundheit und damit die Zukunft der Kinder stärker ins Blickfeld zu rücken. Es geht auch um die Zukunft des Tiefenthaler Kindergartens. Patrick Schönlein hatte schon Ende April bei seiner Wahl zum Vorsitzenden des Ägidiusvereins angekündigt, dass es vonnöten sei, das Konzept des Kindergartens neu aufzustellen, um mehr Zulauf zu bekommen. Viele Menschen aus der Umgebung wüssten gar nicht, dass sich in Tiefenthal „ein hochmoderner Kindergarten mit einem motivierten jungen Team“ befinde, sagte er damals in seiner Antrittsrede.
Jetzt, da die Tiefenthaler Nägel mit Köpfen machen, bestätigt Patrick Schönlein seine Worte von einst: „Es ist wichtig, die Attraktivität des Kindergartens zu erhöhen, damit wir nicht immer am unteren Limit herumkrebsen.“ Derzeit besuchen 14 Kinder den Tiefenthaler Kindergarten. Gefördert wird er daher nach der sogenannten Landkindergartenregelung, die sich in Artikel 24 des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (BayKiBiG) wiederfindet. Sie gewährleistet den Tiefenthalern, dass die Förderung, die sie erhalten, fiktiv auf Basis von 22 Kindern berechnet wird – und es damit proportional mehr Geld gibt.
Ein Anrecht auf eine finanzielle Unterstützung durch die bayerische Regierung hat der Ägidiusverein jedoch nicht. Die Gemeinde Erlenbach entscheidet Jahr für Jahr aufs Neue, ob sie den Kindergarten weiterhin als Landkindergarten anerkennt und den Zuschussantrag beim Freistaat erneut stellt. Für das Kindergartenjahr 2009/10 hat der Gemeinderat den Tiefenthalern erneut seine Zustimmung erteilt. So wichtig die Gelder aus München und von der Gemeinde für den Kindergarten aktuell sind – auf lange Sicht will Patrick Schönlein die Einrichtung „unabhängig von Fördermaßnahmen machen“.
Kontakt: Kindergarten Tiefenthal, Am Kirchhof 10, 97837 Erlenbach-Tiefenthal, Tel. (0 93 91) 91 66 60, www.kindergarten-tiefenthal.de.