Zuletzt war es ruhig um ihn geworden. Alfred Biehle, ehemals Wehrbeauftragter des Bundestags und Karlstadter Ehrenbürger, hatte sich nach dem Tod seiner Frau Wiltrud 2011 und von einer Krankheit beeinträchtigt aus dem öffentlichen Leben weitgehend zurückgezogen. Bis vor etwa zwei Jahren konnte man ihn noch treffen, wenn er etwa zur Sparkasse ging, von seinem Wohnhaus in der Querfurtstraße aus ein Stück um die Ecke – bereits vom Alter gezeichnet. Wenig später konnte er auch diese Strecke nicht mehr zurücklegen.
Gerade dieses Wohnhaus war in den 1970er Jahren zum Sicherheitsgebäude ausgebaut worden. Zur Zeit von RAF und Baader-Meinhof war es gefährlich, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses des Bundestags zu sein. Biehle musste stets von Leibwächtern begleitet werden, egal ob in der Kirche, im Gasthaus oder wenn er in seinem Wahlkreis zu Veranstaltungen fuhr.
Dort fand er stets deutliche Worte. Beispiel Rotes Kreuz, dessen Kreisvorsitzender er 25 Jahre lang von 1972 bis 1997 war: Dieses Rote Kreuz bezeichnete er gerne als die größte Bürgerinitiative Deutschlands. Seine gleichzeitige Kritik an der Opposition oder gar denen, die den Verhältnissen in der BRD kritisch gegenüberstanden, war dabei nicht zu überhören.
1965 war Alfred Biehle dem Roten Kreuz beigetreten. Was war sein Beweggrund dafür? Es fand sich keiner seiner Wegbegleiter, der das wirklich beantworten konnte. War es die eigener Erfahrung? Geboren am 15. November 1926 in Augsburg, folgte mit sechs Jahren der Umzug nach Karlstadt. Mit 17 wurde Biehle eingezogen zum Kriegsdienst. Verwundung durch einen Granatsplitter, Erfrierungen. 1945 kam er gerade noch aus Breslau heraus. „Ich habe viele schlimme Dinge erlebt: Flüchtende und sterbende Kinder. Das hat mein Leben geformt. Damals habe ich gedacht: Da musst du mitmachen, damit sich das nicht für deine eigenen Kinder wiederholt.“
„Ich habe viele schlimme Dinge erlebt: Flüchtende und sterbende Kinder.“
Alfred Biehle, rückblickend auf den Zweiten Weltkrieg
Sein Nachfolger beim Roten Kreuz, Eberhard Sinner, sagt, Biehle sei hochsensibel gewesen „für Dinge, die bei uns leicht verdrängt werden“. So kümmerte er sich auch um den Ausbau des Katastrophenschutzes. Das Motiv zu helfen sei von innen heraus gekommen. Er hat die vier ehemaligen BRK-Kreisverbände zum Kreisverband Main-Spessart geformt. Es kamen soziale Dienste wie „Essen auf Rädern“, Rettungswachen wurden ausgebaut. In Lohr kaufte das Rote Kreuz das ehemalige Feuerwehrhaus in der Rechtenbacher Straße. Auch in Karlstadt folgte der Umzug in ein besser geeignetes Gebäude in der Schönerstraße, das auch als Begegnungsstätte mit behindertengerechtem Saal ausgebaut wurde. Seit seinem 70. Geburtstag trägt es den Namen „Alfred-Biehle-Haus“. Und seitdem war er Ehrenbürger der Stadt Karlstadt.
Am selben Tag bezeichnete ihn der CSU-Bezirksgeschäftsführer Gerhard Schmitt in seiner Laudatio als die „Inkarnation der CSU in Karlstadt“. Biehles politische Gesinnung führt sein früherer Wegbegleiter, der Arnsteiner Altbürgermeister Roland Metz, auch auf die Erlebnisse an der Ostfront zurück. Zudem habe eine „CSU-Stimmung“ geherrscht, als Biehle 1948 der Jungen Union beitrat. Metz erinnert sich: „Wir hatten alle eine konservative Grundeinstellung. In der Retzstadter Jugendherberge spielten wir Demokratie. Wir übten ein, wie es ist, als Bürgermeister einen Gemeinderat zu leiten.“
Mit 24 trat Biehle der örtlichen CSU bei. 1956 wurde er erstmals in den Karlstadter Stadtrat gewählt, dem er bis 1990 angehörte – mit einer Unterbrechung zwischen 1978 und 84. Zwischen 1960 und 1966 war er zweiter Bürgermeister. Dem Kreistag gehörte er von 1956 bis 1972 an, davon die letzten sechs Jahre als stellvertretender Landrat. Kreisvorsitzender der CSU war er 15 Jahre lang.
Nach dem Krieg hatte Biehle Industriekaufmann bei der Energieversorgung in Karlstadt gelernt, um schon 1950 umzuschwenken. Er wurde Lokalredakteur der Main-Post in Karlstadt, war mit seinem weißen Dienst-VW-Käfer auf den umliegenden Dörfern unterwegs, um über Gemeinderatssitzungen und das gesellschaftliche Leben zu berichten. Das führte ihn weiter an die Politik heran, wurde sicher auch zum Sprungbrett für ihn bei der Wahl in den Bundestag 1969 – er war überall bekannt. 21 Jahre lang vertrat er in Bonn auch die Interessen des Wahlkreises Main-Spessart.
„Er war jung, aber doch noch im Krieg gewesen“, sieht Roland Metz einen wichtigen Grund dafür, dass Biehle sofort in den Verteidigungsausschuss aufgenommen wurde. Acht Jahre war er dessen Vorsitzender. Am 27. April 1990 wurde er als Wehrbeauftragter des Bundestags zum Anwalt der Soldaten. Wenige Tage später, am 11. Mai 1990, war er mit einer Tragödie konfrontiert. Der Absturz eines Transall-Transportflugzeugs der Bundeswehr bei Rodenbach riss zehn Menschen in den Tod.
Im Rampenlicht der Öffentlichkeit stand der Wehrbeauftragte aus Karlstadt durch seine Arbeit in fünf Untersuchungsausschüssen, besonders im Kießling- und Ramstein-Ausschuss, denen er vorstand. In seine Zeit fiel auch die Eingliederung der DDR-Volksarmee in die Bundeswehr, die weitgehend geräuschlos vor sich ging. 1995 wurde er nach seinem Eintritt in den Ruhestand zum Ehrenoberst ernannt.
„Auf dienstlichen Reisen hat man nie Zeit, etwas richtig anzuschauen“
Alfred Biehle, als er über seine Reisepläne für den Ruhestand sprach
Für diesen hatte er sich vorgenommen, sich um die Enkel und den Garten zu kümmern, Rad zu fahren, die Fotos aus seiner Zeit als Redakteur zu sortieren und zu reisen. Letzteres hatte er als Wehrbeauftragter zwar überreichlich getan. „Doch auf dienstlichen Reisen wird man vom Flugzeug abgeholt, dann geht es zu Empfängen und in Konferenzräume. Da hat man nie Zeit, etwas richtig anzuschauen“, sagte er, als er in den Ruhestand trat.
Gerhard Schmitt nennt ihn rückblickend einen Volksvertreter alten Schlags. „Er war keiner, der irgendwann beschlossen hatte, politische Karriere zu machen.“ Nicht nur in Karlstadt war er bekannt als einer, der sich für die Belange all derer einsetzte, die sich an ihn wandten. „Geh mal zum Biehle“, war ein Ratschlag, wenn jemand ein Problem hatte. Er fand dann durchaus auch praktische Lösungen, indem er beispielsweise ausgediente Bundeswehrfahrzeuge für Feuerwehren organisierte. Metz spricht davon, er habe sich „unorthodox“ für alle eingesetzt.
Präsident des Lions-Clubs und Senatspräsident der KaKaGe sind nur zwei weitere seiner vielen gesellschaftlichen Funktionen, die er im Laufe seines Lebens ausfüllte. Privat habe Alfred Biehle nach der Arbeit in Bonn Erholung im Freundeskreis gefunden, berichtet Adolf Just, einer seiner besten Freunde. Just und sein Frau Dagmar waren zuletzt Erstbetreuer des Amtsgerichts Gemünden für Alfred Biehle.
Die Beisetzung der Urne hat am Mittwochnachmittag im kleinen Kreis stattgefunden. Ein Gedenkgottesdienst mit anschließender Trauerfeier ist am Mittwoch, 19. November, in der Kirche „Zur Heiligen Familie“. Dort werden zahlreiche Redner den Verstorbenen würdigen.