Das fängt ja gut an. Der fahrende Eisverkäufer Salvatore Cozzolino drückt in einer Straße in Langenprozelten auf seine Klingel am Bus und irgendwo beginnt ein Kind zu weinen. „Wenn ein Kind weint, ist das meistens schon mal ein schlechtes Zeichen“, sagt der 32-jährige Rienecker bei seinem ersten Halt im Ort, „weil das heißt: Es gibt jetzt kein Eis.“ Aber beim nächsten Halt läuft es schon besser.
Manche warten am Straßenrand auf Cozzolino und seinen Bus – ob schon länger, oder weil sie das Klingeln aus der Ferne gehört haben, ist unklar –, andere eilen aus Häusern oder der Gartenarbeit herbei, sobald er klingelt. Aus einem Dutzend Eissorten können sie dann auswählen. Die Klassiker sind natürlich mit an Bord: „Erdbeer, Vanille und Schoko gehen immer.“ Straße für Straße fährt er durch den Ort.
Cozzolino fährt während der Eissaison sieben Tage die Woche sein selbst gemachtes Eis den Menschen vor die Haustür. Seine drei Touren gehen bis nach Weyersfeld, Obersinn und über Ruppertshütten nach Lohr. Mit einem Bus hat es 2007 angefangen, dieses Jahr sind zum ersten Mal sogar drei Stück im Einsatz. Die beiden neueren hat der Bastler selbst zum mobilen Eisstand umgebaut. Im Sommer hat der junge Familienvater nur frei, wenn es regnet. Das komme ihm manchmal nicht ungelegen, sagt er. Aber in der warmen Jahreszeit muss eben das Geld hereinkommen, im Winter geht nichts. Deswegen waren der lange Winter und die Kälte in den vergangenen Tagen auch für ihn schlecht. Am liebsten sind ihm Temperaturen zwischen 20 und 23 Grad, dann ist es weder zu kalt noch sind die Leute im Freibad.
„Ich weiß nie, wann mein Tag aufhört.“
Eisverkäufer Salvatore Cozzolino über seinen Arbeitstag
Der Tag des gebürtigen Hanauers beginnt schon morgens um sechs. Dann geht es ins Eislabor. Labor klingt nach Experimentieren und so ähnlich muss es auch gewesen sein, als Cozzolino mit dem Eismachen angefangen hat. Vor elf Jahren war das, und Cozzolino hatte keine Ahnung von der Eisherstellung, sich aber blauäugig gleich eine Profieismaschine zugelegt. Damals führte er noch das „La Taverna“ in Rieneck, jetzt machen das seine Eltern.
Inzwischen ist er voll und ganz mit seinem Eis beschäftigt. Mit Herumprobieren hat er sich in die Geheimnisse der Eisproduktion hineingefuchst. Jetzt macht er zwischen März und Oktober jeden Morgen zwischen 150 und 350 Liter Speiseeis. Er verwende nur natürliche Zutaten und kein Pulver, beteuert er. Aber woher bekommt sein Waldmeistereis die grüne Farbe? Das sei ein natürlicher Farbstoff. Normalerweise habe Waldmeistereis gar keine Farbe, so Cozzolino, aber die Menschen erwarten eben, dass es grün ist.
Seine Kunden sind nicht nur Kinder, sondern auch viele Erwachsene und auch viele Ältere. Bei Kindern müsse er immer aufpassen, weil manche alles liegen und stehen lassen, wenn er komme, und nicht ordentlich auf den Verkehr schauen. Er habe schon öfter den Kleinen ins Gewissen geredet und manches Mal auch ein Eis verweigert, wenn sie zu ungestüm angerannt kamen. Amüsant findet er manche pfiffige Jungs auf Rädern, die sich innerhalb von zwei Stunden fünf-, sechsmal ein Eis holen, da sie seine Route schon kennen.
Cozzolino wüsste nicht, dass es in der Nähe noch einen mobilen Eisverkäufer gebe. Er selbst hat die Idee aus seiner Kindheit in Hanau, als er sich immer von einem älteren Mann in einem VW-Bus ein Eis geholt hat. Jetzt hat er vom Landratsamt eine Reisegewerbekarte für Speiseeis und kleine Snacks, die er aber – noch – nicht anbietet.
Eigentlich wollte er Polizist oder Soldat werden, erzählt er am Steuer seines Eismobils. Zwischendurch hat der frühere Hobbyboxer auch ein Jahr im Sicherheitsdienst bei den US-Streitkräften in der Region gearbeitet – und sein Eis nur nebenher gemacht. Nun schießt er eben mit Eiskugeln, ist sein eigener Chef, kommt herum und trifft Menschen, die sich freuen, wenn er kommt. Dafür muss er aber auch hart arbeiten. „Ich weiß nie, wann mein Tag aufhört.“ Oft werde es Mitternacht, da er noch Gaststätten mit seinem Eis beliefert und manchmal auch bei Festen sein Eis verkauft.
Er wolle aber Eisdielen keine Konkurrenz machen, weshalb er beispielsweise in Burgsinn kein Eis verkaufe. Die Routen, die er fährt, sind reine Erfahrungssache. Am Anfang ist er mit Karten der Ortschaften herumgefahren und hat sich markiert, in welcher Straße es sich lohnt. Nach ein paar Wochen standen dann seine Strecken. Anfangs hatte er noch keine Glocke, mit der sein Kommen verkündete. Weil er davon aber einmal im Monat eine Sehnenscheidenentzündung bekommen habe, ist er auf eine elektrische Klingel umgestiegen. Mit dabei ist auch immer sein internetfähiges Handy, mit dem er auf dem Laufenden ist, wie das Wetter wird.
Mittlerweile ist der 32-Jährige zweifacher Vater. Nur hat er während der Eiszeit davon wenig. Vor lauter Arbeit sieht er seine Kinder oft nur, wenn sie schlafen. Bei der Geburt seines ältesten Sohnes vor zwei Jahren, es war ein schöner Tag im Mai, hatte er sich aber extra frei genommen. Seine Ruhe hatte er deswegen jedoch nicht. „Die Leute“, erzählt der Rienecker, „haben Sturm geklingelt und gefragt: ,Wo ist der Eismann?‘“ Man merkt, dass es ihn ein bisschen stolz macht.