Vertreter der Wirtschaft in Main-Spessart plädieren für den Bau eines Eisenbahntunnels, um Züge nördlich an Lohr vorbei zu führen. Die Idee zu dieser gut vier Kilometer langen „Nordumfahrung“ wurde am Donnerstag völlig überraschend bei der Sitzung des Gremialausschusses Main-Spessart der IHK Würzburg/Schweinfurt in Lohr aus dem Hut gezaubert. Die Anwesenden waren angesichts des von der „Arbeitsgemeinschaft Bahndreieck Spessart“ präsentierten Vorschlags angetan.
Der Zusammenschluss von Fahrgast- und Naturschutzverbänden ist seit zehn Jahren ehrenamtlich aktiv. Ziel ist, den Schienenverkehr im Dreieck Würzburg-Frankfurt-Fulda zu verbessern. Als Vertreter der Arbeitsgemeinschaft stellte Christian Behrendt die Idee der „Nordumfahrung“ vor. Demnach soll der neue Tunnel zwischen Neuendorf und Sackenbach von der bestehenden Bahntrasse abzweigen, Herrnberg, Beilstein und Mittelberg unterqueren und nach gut vier Kilometern zwischen Lohr und Partenstein in die alte Strecke einmünden.
Der Tunnel könnte laut Behrendt für ICEs und Güterzüge auf der „immer wichtiger werdenden Achse Frankfurt-Würzburg“ ein bis zwei Minuten Zeitersparnis bringen. Überdies werde der Lohrer Talkessel vom Lärm entlastet, weswegen man mit dem neuen Tunnel „mehrere Fliegen mit einer Klappe“ schlage.
Nur für „Durchgangsverkehr“
Die bisher in Lohr haltenden Regionalzüge und -bahnen sollten hier weiter stoppen. Nur der reine „Durchgangsverkehr“ solle die Abkürzung durch den Tunnel nehmen. Gleichwohl sagte Behrendt vor den IHK-Vertretern auch, dass der „Lohrer Bahnhof dauerhaft keine Perspektive“ habe. Zu den möglichen Kosten des von ihm vorgestellten Projekts hielt sich Behrendt auf Nachfrage bedeckt. Er sprach jedoch von einem „mehrfachen dreistelligen Millionenbereich“.
Trunk: IHK wird Idee aufgreifen
Und was halten die im IHK-Gremium sitzenden Vertreter der Wirtschaft von dem Vorschlag? „Wir wollen das aufgreifen“, sagte Rudolf Trunk, der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der IHK. Man habe die Möglichkeit, die „Nordumfahrung“ für den Bundesverkehrswegeplan anzumelden und sich überdies durch „politischen Lobbyismus“ dafür stark zu machen.
Kreisrat und Busunternehmer Rudolf Hock bezeichnete die Tunnel-Idee als „interessanten Aspekt, der von der IHK und der Wirtschaft verfolgt werden sollte“. Der Tunnel könne eine „erhebliche Entlastung für Umwelt und Bevölkerung“ bringen, sagte Hock, betonte aber auch, dass in Lohr auf jeden Fall die jetzigen Zugverbindungen erhalten bleiben müssten. Gemündens Bürgermeister Ondrasch bezeichnete den Tunnel als „Verbesserung“ und plädierte dafür, „dass wir das weiterführen.
Auf die Frage, was eigentlich die Bahn von der Idee einer Nordumfahrung Lohrs halte, sagte deren in der Sitzung anwesender Würzburger Vertreter Dieter Bulla, dass er „zum ersten Mal davon gehört“ habe. Gleichwohl sei die Bahn „für alles offen“. Man werde sich den Vorschlag „anschauen“. Natürlich stelle sich bei einer solchen Planung auch immer die „Frage der Finanzierbarkeit“.
Ersatz für Schwarzkopftunnel
Oberste Priorität auf der Bahnstrecke von Lohr durch den Spessart nach Aschaffenburg habe derzeit die Beseitigung der „Engstelle Schwarzkopftunnel“. In dem Bauwerk dürfen Züge derzeit bekanntlich nur 70 Stundenkilometer fahren. Abhilfe soll der Bau einer Umfahrungsspange mit neuen Tunnels schaffen.
Überdies sieht die fertige Planung laut Bulla für die gesamte „Spessartrampe“ hinunter Richtung Aschaffenburg einen neuen Verlauf mit weiteren Tunnels und etlichen Kunstbauten vor. Die Steigung soll deutlich abgemildert und so die durchschnittliche Reisegeschwindigkeit erhöht werden. Zeitersparnis hier: zwei Minuten. Kosten: rund 380 Millionen, je zur Hälfte getragen von Bund und Bahn.
Allerdings ist die Finanzierungsvereinbarung noch nicht unterschrieben. Denn auch hier, so Bulla, stehe die Planung noch unter „Finanzierungsvorbehalt“. Als der Partensteiner Steuerberater Marcus Staub wissen wollte, wie man bei der Bahn eigentlich ermittle, ob sich solche Millioneninvestitionen auch rentieren, bekam er vom Bahn-Vertreter Bulla die Antwort, dass derartige Entscheidungen letztendlich von der Politik in Berlin getroffen würden. Wie man dort die Rentierlichkeit solcher Ausgaben ermittle, wisse er nicht, so Bulla.