Es ist nicht unbedingt ihre Musik. Das sieht man den drei 14- und 16-Jährigen an, wie sie sich, eine rote und eine gelbe Papierserviette in den Händen, zu den Klängen von „Tulpen aus Amsterdam“ auf ihren Stühlen hin und her wiegen. Dennoch strengen sie sich an, strecken die symbolischen Servietten-Tulpen hoch in die Luft oder nach vorne unten, versuchen den Refrain des Liedes sogar mitzusingen. So wie die alten Menschen um sie herum auch.
Es ist Montagnachmittag halb drei Uhr im Alten- und Pflegeheim Pfründnerspital in Arnstein. Sitztanz-Zeit. Und Emil-Zeit. Seit Beginn des Schuljahres 2012/2013 kommen Daniel Lichtlein, Erik Stegarud und Lukas Werner im Rahmen des Freiwilligen Sozialen Schuljahres (FSSJ) einmal pro Woche für zwei Stunden ins Pfründnerspital, um sich mit seinen Bewohnern zu beschäftigen. Sie machen beim Sitztanz mit, spielen Gesellschaftsspiele oder sind einfach nur da, hören zu, antworten und lächeln ihr Gegenüber an.
133 „Schüler-Emils“ hat die gleich- namige Freiwilligen-Agentur Main-Spessart in diesem Schuljahr im ganzen Landkreis verteilt. 27 davon kommen aus dem Altlandkreis Karlstadt. Die „Emils“, wie Gerlinde Stumpf, Ansprechpartnerin für die Freiwilligen-Agentur beim Landratsamt, die teilnehmenden Jugendlichen kurzerhand nennt, sind Schüler in der achten Klasse der Mittel- und Realschulen. Allen gemein: Sie haben sich dazu bereit erklärt, ein Jahr lang rund 80 Stunden ehrenamtliche Dienste in einem sozialen oder ökologischen Bereich zu leisten.
Anlaufschwierigkeiten normal
„Das FSSJ soll den Jugendlichen Spaß am Ehrenamt vermitteln, es schmackhaft machen“, erläutert Gerlinde Stumpf. Seit Beginn des Projekts im Schuljahr 2011/2012 geht sie in die Klassen, wirbt für die Chance, seine persönlichen Fähigkeiten für ein Jahr auf die Probe zu stellen und weiterzuentwickeln, selbstständig, verantwortlich und zuverlässig im Team zu arbeiten. „Ich stelle auch immer die Liste mit möglichen Einsatzorten vor und erkläre zum Beispiel, was passiert bei Krankheit, oder sage ein bisschen was zu Pünktlichkeit und Höflichkeit“, beschreibt Stumpf.
Dass es dann vor Ort doch einmal zu Anlaufschwierigkeiten kommen kann, muss man den jungen Menschen zugestehen, sagt Heike Schöllhammer, Leiterin des Pfründnerspitals in Arnstein. So haben ihre drei „Emils“ auch erst gelernt, dass das Handy während des Ehrenamts mal Sendepause hat und die volle Konzentration auf ihrem Gegenüber liegt. Oder dass Demenzkranke manchmal weinen oder schreien. Nun, nach einem Dreivierteljahr sind die Jugendlichen eingespielt. „Die Leute freuen sich, wenn wir kommen“, sagt Daniel Lichtlein, der mit einem Kreis von drei älteren Menschen oft Mensch-Ärger-Dich-Nicht oder Memory spielt. „Und sie wollen reden und stellen Fragen: Woher kommst du? Wie heißt du?“, ergänzt Erik Stegarud.
Die Hemmschwelle zwischen Jung und Alt aufzubrechen und junge Menschen für den sozialen Bereich zu begeistern, sind laut Heimleiterin Schöllhammer die Ziele, denen man dank der jungen „Emils“ ein Stück näher rückt. Rund 18 Schüler der 132 „Emils“ aus dem laufenden Schuljahr arbeiten in Senioren- und Pflegeheimen. Der beliebteste Einsatzort aber ist seit Projektbeginn der Kindergarten. „Die Jugendlichen gehen oft in den Kindergarten, in dem sie selbst schon waren“, erklärt Gerlinde Stumpf.
Zum Beispiel Charlotte Köhler: Die 16-Jährige aus der Konrad-von-Querfurt-Mittelschule hat sich um ein FSSJ in ihrem alten Kindergarten in Karlburg bemüht. Noch bis Schuljahresende betreut sie hier zwei Stunden pro Woche mitverantwortlich die Nachmittagskinder, denkt sich Spiele und Bastelarbeiten aus, liest Bücher vor. Für den Kindergarten ist Charlotte der erste „Emil“. Und von dem sind sie begeistert. „Die Kinder und auch wir wissen: Donnerstagmittag ist die Charlotte da und kümmert sich“, beschreibt die Kindergartenleiterin, Karina Zethner. Dazu gehört nicht nur die Zeit mit den Kindern, sondern auch die Vorbereitung, Nachbereitung sowie das Aufräumen.
Ist im Kindergarten nach einem Jahr Schluss für Charlotte, geht es für sie weiter: Sie will auch beruflich in den pädagogisch-sozialen Bereich und nutzt die Zeit bei „Emil“, um weiterhin Vorerfahrung und Nachweise für spätere Bewerbungen zu bekommen. Denn nach dem Jahr bekommt jeder Teilnehmer ein Zeugnis der Freiwilligen-Agentur von Landrat Thomas Schiebel.
Aber nicht jeder will mit seinem FSSJ seine berufliche Zukunft antesten. Daniel, Lukas und Erik zieht es nach ihrem Schulabschluss trotz Einsatz im Pfründnerspital nicht in den pflegerischen Bereich. Glaubt man den Aussagen der Eltern, deren Kinder das FSSJ bereits hinter sich haben, nehmen sie trotzdem viel aus ihrem Jahr mit: „Die Persönlichkeit reift“ bekommt Gerlinde Stumpf immer wieder von diesen zu hören.
Mehr Informationen zu dem FSSJ bei der Freiwilligen-Agentur Emil gibt es im Landratsamt bei Gerlinde Stumpf,
Tel. (0 93 53) 793 1166 oder im Internet unter www.main-spessart.de.