Als das Nahwärmenetz der Stadt Lohr vor gut elf Jahren in Betrieb ging, galt es als zukunftsweisendes Pilotprojekt auf dem Feld der Versorgung von Gebäuden mit Heizenergie. Zumindest in finanzieller Hinsicht hat sich das Projekt seither jedoch als großes Sorgenkind entpuppt. Zuletzt verursachte das Wärmenetz ein jährliches Defizit von rund 50.000 Euro. Für das laufende Jahr nun ist gar ein Minus von rund 66.000 Euro kalkuliert.
Kein Wunder, dass man sich im Rathaus schon länger Gedanken macht, ob und wie das Wärmenetz aus den roten Zahlen kommen könnte. Eine Hoffnung war dabei immer wieder, dass sich weitere Wärmeabnehmer finden. Doch diesbezüglich gibt es nun ernüchternde Neuigkeiten: Zwar haben sich bei der Stadt private Hausbesitzer gemeldet und Interesse an einem Anschluss ans Nahwärmenetz bekundet. Die Überprüfung durch ein Fachbüro hat jedoch ergeben, dass die Kosten so hoch wären, dass ein Anschluss der Häuser wirtschaftlich uninteressant wäre. Diese Botschaft überbrachte Otto Mergler, Chef der das Nahwärmenetz betreibenden Stadtwerke, in der jüngsten Sitzung des Werkausschusses des Stadtrats.
Seit 2011 mit Defizit in Betrieb
Das Nahwärmenetz versorgt seit Herbst 2011 diverse öffentliche Gebäude rund um den Schlossplatz mit Heizwärme. Der mit Hackschnitzeln betriebene Heizkessel steht auf dem Gelände des Kreiskrankenhauses, direkt neben einem vom Landkreis betriebenen weiteren Kessel, der das Krankenhaus selbst heizt. Rund 1,6 Millionen Euro hatte die Stadt damals in ihre Anlage investiert, der Kreis rund eine Million in seine. Die Absicht der Stadt war, nicht nur eine nachhaltige, sondern auch kostendeckende Wärmeversorgung für möglichst viele Abnehmer zu schaffen. Doch die Probleme begannen schon damit, dass die ursprünglich geplante gemeinsame Anlage von Stadt und Landkreis mit nur einem Kessel fördertechnisch nicht möglich war.
Während mit dem Krankenhaus ein großer Energieabnehmer nun autark beheizt wird, hängen am städtischen Netz neben drei städtischen Immobilien (altes und neues Rathaus sowie Kellereischeune) auch das Schloss sowie das am Schlossplatz gelegene Gebäude von Verwaltungsgemeinschaft und Zulassungsstelle. Diese beiden Gebäude gehören dem Landkreis. Daneben wird auch der Komplex der Sparkasse mit Nahwärme geheizt.
Wie Mergler nun erklärte, haben Hausbesitzer aus dem Bereich Ottenhofstraße und Schlossgasse bei den Stadtwerken angefragt, ob sie Nahwärme beziehen könnten. Doch die Überprüfung durch ein Fachbüro habe "sehr ernüchternde Ergebnisse" erbracht, so Mergler. Demnach würde der Anschluss von drei Häusern an der Ottenhofstraße mit einer erforderlichen Leitungslänge von gut 50 Metern rund 212.000 Euro kosten. Für das eine Haus an der Schlossgasse würden rund 135.000 Euro fällig, so Mergler weiter.
Nahwärmenetze nicht so einfach vergleichbar
Derlei Investitionen seien "unwirtschaftlich". Bei solchen Kosten stelle niemand seine Heizanlage auf Nahwärme um, noch dazu, wo das Netz nur Wärme im Winter liefere, weswegen Hausbesitzer für den Sommer noch eine separate Anlage für Warmwasser bräuchten, erklärte der Stadtwerkechef.
Clemens Kracht (Grüne) regte ein intensiveres Befassen mit der gesamten Nahwärmethematik an. Man brauche mehr Informationen und eine Entscheidungsgrundlage für die Frage, ob und wie es Sinn ergebe, das Nahwärmenetz weiter über die Altstadt auszudehnen. Andernorts funktionierten solche Netze ja auch, sagte Kracht und nannte Binsfeld als Beispiel.
Mergler verwies darauf, dass man die Nahwärmenetze nicht so einfach vergleichen könne. Das Binsfelder Netz werde von großem privaten Engagement getragen. Ein anderes Netz in Bad Mergentheim funktioniere deshalb gut, weil dort eine Klinik und ein Hotel als Großabnehmer mit im Boot säßen.
Kuhn: Tot geborenes Kind
Brigitte Kuhn (CSU) sprach davon, dass das Lohrer Nahwärmenetz "ein tot geborenes Kind" gewesen sei. Der Stadtrat habe sich damals "breitschlagen lassen", obwohl das Konstrukt umstritten gewesen sei. Angesichts des stetigen Defizits hatte Kuhn Zweifel, dass aus dem Netz "jemals etwas Vernünftiges wird".
Bürgermeister Mario Paul bezeichnete die Infos Merglers zur fehlenden Sinnhaftigkeit beim Anschluss privater Wohnhäuser als "in hohem Maß ernüchternd". Bei der Frage, was man strukturell verändern könne, um aus den roten Zahlen zu kommen, sei guter Rat teuer. Man müsse die Diskussion darüber fortführen, welche Zukunft das Nahwärmenetz habe. Womöglich ergäben sich neue Perspektiven, wenn das heutige Klinikareal nach dem Neubau der Zentralklinik anderweitig genutzt werde, so Paul.