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Erst Thüringen, dann Kanada

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Erst Thüringen, dann Kanada

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    Die Mauer war kaum gefallen, der Stacheldraht nur noch optische Erinnerung an die Teilung Deutschlands, da streckte Manfred Fiederling seine Fühler aus in Richtung Osten der Republik. Borstenvieh und Schweinespeck waren seit jeher sein idealer Lebenszweck – und so ist es auch heute noch. Allerdings nicht als Züchter und Mäster, sondern als freiberuflicher Erzeugerberater.

    Seinerzeit in Diensten von Vermarktungsorganisationen und des Schweinezuchtverbandes, knüpfte der studierte Agrartechniker und ehemalige Leiter eines 200-Hektar-Betriebes in Süddeutschland rasch Kontakte zu Schweinehaltern in Thüringen. Man traf sich regelmäßig – privat, aber auch zu ernsthafter Fachsimpelei. So manches West-Schwein wechselte hinter den nicht mehr vorhandenen Eisernen Vorhang und Ost-Ferkel durften völlig legal in den Westen „ausreisen“.

    Der ebenso fachliche wie freundschaftliche Gedankenaustausch trug Früchte – geschäftliche, aber auch berufliche. Tochter Barbara – sie feiert im Mai auch ihren 20. Geburtstag – will unbedingt Landwirtin werden. Dabei kommen ihr die Erfahrungen ihres Vaters mit den landwirtschaftlichen Gegebenheiten in der ehemaligen DDR und die daraus entstandenen Beziehungen entgegen: Das erste Jahr ihrer insgesamt dreijährigen Ausbildungszeit leistete sie im Zucht-Zentrum eG Gleichamberg, nahe an Bad Königshofen, aber gleich hinter dem ehemaligen Eisernen Vorhang.

    Gereizt hat sie die Größe dieser ehemaligen Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (LPG). „Und die Betriebsstruktur hat mich neugierig gemacht“, verrät Barbara. Man muss hier betriebswirtschaftlich ganz anders agieren als in einem Familienbetrieb. Außerdem bekommt sie von der Technik viel mehr mit, weil der Maschinenpark viel umfassender ist. Immerhin bewirtschaftet das Zuchtzentrum fast 2500 Hektar Acker- und Weideland.

    „Bei uns findet man solche Betriebe gar nicht“, erklärt Barbara Fiederling. „Gerade in Unterfranken ist die Landwirtschaft in bäuerlichen Familienbetrieben organisiert.“ Die junge Frau scheut sich nicht, von Agrar-Unternehmen zu sprechen, wenn sie das Zuchtzentrum Gleichamberg meint. Zu verwandt mit einer „Fabrik“ ist der Arbeitseinsatz des Personals. Ein Familienbetrieb hat in der Regel kaum welches – außer vielleicht den Familienmitgliedern.

    Beeindruckt ist Barbara Fiederling von der straffen Organisation der Arbeitsabläufe. Auch der Maschineneinsatz muss sorgfältig und überschaubar geplant werden bei dieser Betriebsgröße. Schließlich ist das Zuchtzentrum auf zwei Standorte verteilt: in den Ackerbau- und in den Rinderzuchtbereich. Arbeiten wie im Familienbetrieb? Fehlanzeige!

    „Und jeder Handgriff muss bezahlt werden“, darauf weist Ausbildungsleiter Siegfried Erbach hin. Er war schon zu Zeiten der LPG im Zuchtzentrum tätig. Wie begehrt ein Ausbildungsplatz in Gleichamberg ist, belegt er mit Zahlen. Ständig werden dort drei junge Leute ausgebildet, ein Landwirt und zwei Tierwirte. Sie kommen meist aus der Region, aber auch aus Österreich waren schon welche da, auch schon Studenten der Fachhochschulen Triesdorf oder Weihenstephan.

    Barbara Fiederling war die erste Auszubildende aus Unterfranken. Den zweiten Teil ihrer Ausbildung absolviert die noch 19-Jährige momentan aber doch in einem Familienbetrieb: bei Raimund Wolf in Bundorf bei Hofheim im Hassbergkreis. Dort lernt sie den „normalen bäuerlichen Alltag“ kennen – mit all seinen Vor- und Nachteilen.

    Ihre berufliche Zukunft sieht sie ausgesprochen positiv. Es stehen ihr Positionen in der Landwirtschafts-Industrie, der Agrarchemie, bei Maschinenherstellern oder in bäuerlichen Großbetrieben offen. Es gebe nämlich immer weniger Bauern. „In Unterfranken bräuchte man jedes Jahr 300 Nachwuchsleute, tatsächlich lernen nur etwa 30 noch den Beruf des Bauern“, ergänzt Manfred Fiederling.

    Ihre Kenntnisse will Barbara nach ihrer Ausbildung in Kanada erweitern. Danach Techniker-Ausbildung, Diplom-Agrar-Ingenieur? „Mal sehen, was kommt. Vielleicht treffe ich aber auch einen Hoferben. Dann würde ich den Rest des Lebens auch auf einem Familienbetrieb zubringen.“

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