Betrachtet man den Zweig der pädagogischen Berufe, dann scheint das alte Rollenbild noch zu stimmen: Der Mann schafft das Geld ins Haus und die Frauen kümmern sich um die Erziehung der Kinder. Oder wer erinnert sich schon an einen Mann aus seiner Kindergartenzeit oder hat es heute mit männlichen Erziehern der eigenen Kinder zu tun?
Jonas Nickel ist als männlicher Kinderpfleger ein Exot, aber fühlt sich gar nicht so. „Wenn die Kinder etwas wollen, kommen sie genauso zu mir wie zu meinen Kolleginnen“, erzählt er. Der 17-Jährige arbeitet seit Anfang September im Kindergarten „Löwenzahn“ in Urspringen. Bereits in der 7. Klasse wusste er, dass er mal im sozialen Bereich arbeiten möchte. „Bei einem Praktikum im Kindergarten habe ich gemerkt, wieviel Spaß mir die Arbeit mit Kindern macht.“ Nach seinem Hauptschulabschluss ging Nickel daher zwei Jahre lang auf die Klara-Oppenheimer-Schule, ein Berufsbildungszentrum für soziale Berufe in Würzburg. „Mein Wunsch war es, dass ich auf dem Dorf lande. Hier gefällt es mir besser als in der Stadt“, sagt Nickel.
Dafür nimmt er einiges in Kauf: Um 4 Uhr steht er auf. Um 5.20 Uhr fährt er mit dem Zug von Gemünden nach Karlstadt, von dort weiter mit dem Bus, um rechtzeitig zu Arbeitsbeginn um 7 Uhr in Urspringen zu sein. In der Hierarchie steht Nickel noch unter den Erzieherinnen, die eine längere Ausbildung hinter sich gebracht und auch mehr Aufstiegschancen haben. „Als Erzieher hätte ich zu viel Schule machen müssen“, erklärt Nickel. Daher habe er es beim Kinderpfleger belassen.
Der Kindergarten habe sich über einen männlichen Bewerber gefreut. „Bei allen Einrichtungen, an die ich Bewerbungen geschickt habe, wurde ich gefragt, ob ich Fußball spielen kann“, sagt Nickel schmunzelnd – ein Bedarf, den die zahlreichen weiblichen Erzieherinnen wohl nicht ausreichend decken. Er habe auch vor, viel Handwerkliches mit den Kindern zu machen. Und noch eine Sache vermutet Jonas als männlichen Vorteil: „Es könnte sein, dass es ein bisschen konsequenter rüberkommt, wenn die Kinder eine dunkle Stimme hören“, sagt Nickel.
„„Manchmal haben Kinder Papa zu mir gesagt.“
Manuel Kern Erzieher
Außerdem gebe es immer mehr alleinerziehende Mütter. „Da kann ich mir schon vorstellen, dass es gut für die Kinder ist, wenn sie im Kindergarten auch eine männliche Bezugsperson haben.“
Deutlich länger im Geschäft ist Dietmar Schöffer. Der Familienvater arbeitet seit etwa 15 Jahren bei der St.-Kilian-Schule Marktheidenfeld-Lohr, einem sonderpädagogischen Förderzentrum. Dort unterstützt er Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren, die in ihrer sozialen, emotionalen oder sprachlichen Entwicklung verzögert sind. Warum als Mann in diesem Beruf arbeiten? „Weil's Spaß macht – man kriegt von den Kindern viel zurück“, sagt der gelernte Erzieher, der sich später zum Heilpädagogischen Förderlehrer weiterbildete. Und das, obwohl ihm in jungen Jahren vom Erzieher-Beruf abgeraten wurde. „Ich kam mit 15 aus der Realschule. Das Arbeitsamt hat mir von meinem Plan abgeraten, weil der Job nicht lukrativ und ich zu jung war“, erzählt Schöffer.
Daher hängte er zunächst noch ein Jahr Schule hintendran, bevor er dann doch die dreijährige Ausbildung zum Erzieher begann. Obwohl Schöffer sein Gehalt nach den Tarifen des Öffentlichen Dienstes bekommt, sei das Finanzielle nie vordergründig für ihn gewesen. Dennoch ist er der Meinung: „Wenn die finanziellen Anreize größer wären, dann würden sich auch mehr Männer dafür entscheiden.“
Für die Kinder sei es spannend gewesen, mit einem Mann zu tun zu haben, da sie nur Frauen gewohnt waren. Schöffer ist sich sicher, dass es positive Effekte hätte, wenn mehr Männer in erzieherischen Berufen arbeiteten, zumal in seiner Einrichtung die Jungs deutlich in der Überzahl sind: „Männer verhalten sich anders gegenüber Kindern. Wir sind nicht ganz so vorsichtig und lassen ein bisschen mehr zu.“
Weniger Zeit für die Kinder hat inzwischen Manuel Kern. Seit Oktober ist er Leiter der Kindertagesstätte Baumhofstraße in Marktheidenfeld. Das bedeutet für ihn mehr Einflussmöglichkeit auf die Entwicklung des Kindergartens und die Förderung der Kinder. Zu einem großen Teil besteht sein Schaffen aus Büroarbeiten: An- und Ummeldungen, Personalplanung, Austausch mit Trägern, dem Jugendamt oder anderen KiTas. „Es ist natürlich doof, wenn man die Kinder nur als Listen auf dem Computer hat. Mann muss die Kinder auch kennen, daher gehe ich auch immer wieder in die Gruppen“, sagt der 34-Jährige.
Ursprünglich wollte er Sonderschullehrer werden, entschied sich dann aber für eine externe Ausbildung zum Erzieher, weil ihm das als verheirateter Familienvater mehr Sicherheit versprach. Als Referendar hätte er überallhin versetzt werden können. Eine leitende Position hat er schon immer angestrebt – auch aus finanziellen Gründen.
Kern ist es gewohnt, als einziger Mann mit vielen Frauen zusammenzuarbeiten: „Manches sehe ich vielleicht ab und zu ein bisschen pragmatischer.“ Für die Kolleginnen und die Kinder sei es gleichermaßen normal, dass er als einziger Mann in der KiTa mit insgesamt fünf Gruppen arbeitet. Kern erinnert sich aber an ein paar komische Momente: „Manchmal haben Kinder Papa zu mir gesagt, aber das wollte ich nicht und habe ihnen gesagt, dass sie ihren Papa daheim haben.“