Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten

Gemünden: Essstörung: Selbsthilfegruppe gibt Betroffenen in Main-Spessart Halt

Gemünden

Essstörung: Selbsthilfegruppe gibt Betroffenen in Main-Spessart Halt

    • |
    • |
    Viele Essgestörte meiden es, mit Bekannten über ihre Probleme zu reden. Die Selbsthilfegruppe ist für sie ein geschützter Raum, in dem niemand verurteilt wird. (Symbolbild)
    Viele Essgestörte meiden es, mit Bekannten über ihre Probleme zu reden. Die Selbsthilfegruppe ist für sie ein geschützter Raum, in dem niemand verurteilt wird. (Symbolbild) Foto: Julian Stratenschulte/dpa

    Es sind schon kleine, alltägliche Dinge, die einen Menschen mit Essstörung rückfällig werden lassen. Zum Beispiel, wenn das Fachbuch, mit dem die Hausarbeit für die Uni steht und fällt, in der Bibliothek vergriffen ist. Durch das Essen wird kompensiert, was im Alltag falsch läuft. Petra G. (Name von der Redaktion geändert) verdeutlicht das am Beispiel eines kaputten Autos: Menschen mit normalen Essgewohnheiten riefen die Werkstatt an, Essgestörte die Seelsorge.

    13 Jahre fuhr Petra G., die selbst an einer Essstörung leidet, nach Würzburg, um dort an Treffen der Selbsthilfegruppe Overeaters Anonymus ("Anonyme Zuviel-Esser") teilzunehmen. Ein hoher Zeitaufwand. Vor fünf Jahren rief sie daher eine OA-Gruppe in Main-Spessart ins Leben. Die Selbsthilfegruppe richtet sich nicht nur an Übergewichtige, sondern an alle, die eine zwanghafte Beziehung zum Essen haben.

    Petra G. ist stolz, dass die Gruppe immer noch existiert. "Immer wieder bekomme ich mit, dass sich Gruppen auflösen", erzählt sie. "Selbst in großen Städten. Dass unsere Gruppe so lange bestehen bleibt, ist für mich ein Geschenk". Normalerweise treffen sie sich jeden Samstag persönlich, doch Corona hat auch die Selbsthilfegruppe getroffen.

    Tägliche Telefonate und Zoom-Meetings in der Pandemie

    Steigende Inzidenzwerte verhinderten Präsenzmeetings, die regelmäßige Unterstützung war in Pandemiezeiten jedoch dringend notwendig. "Ich brauche das OA-Programm. Ich nutze es wie Medizin, wie ein Diabetiker, der sein Insulin nehmen muss", betont ein Mitglied im Gespräch mit der Redaktion.

    Um Betroffene in dieser Extremsituation zu unterstützen, organisierte die Gruppe täglich Telefonate und regelmäßige Zoom-Meetings. Zunächst noch ungewohnt, fanden sie Gefallen an den digitalen Treffen, an denen bald OA-Mitglieder aus ganz Deutschland teilnahmen. "Ich habe in dieser Zeit sehr intensiv an den Meetings teilgenommen", sagt ein Gruppenmitglied. Eine andere fügt hinzu: "Ich habe mich während Corona nicht allein gefühlt, selbst als sich niemand treffen durfte. Es tat gut zu wissen, dass ich immer jemanden anrufen konnte, um über Ängste und Sorgen zu sprechen."

    "Wir sind keine medizinischen Berater, wir haben unsere Krankheit erlebt mit allen Höhen und Tiefen."

    Eine Essgestörte über den Mehrwert der Selbsthilfegruppe

    Die Gruppe ist ein geschützter Raum, in dem offen über Probleme gesprochen werden könne, ohne Verurteilung oder Diskussion, erklären die Teilnehmer. Dabei gehe es nicht immer nur ums Essen. Das Internet hat ihnen neue Möglichkeiten und einen flexibleren Austausch ermöglicht, dies soll auch nach der Pandemie als Ergänzung beibehalten werden.

    Über Essstörungen wird im Bekanntenkreis nicht gesprochen

    Für Laien ist die Krankheit oft schwer zu verstehen, Essgestörte stoßen teilweise auf Unverständnis oder Vorurteile. "Du kannst doch essen, stell dich nicht so an", bekommt eine der Betroffenen, heute mit Normalgewicht, zu hören. Eine andere, dass sie mit etwas Sport oder einer Diät schon abnehmen werde. Viele von ihnen meiden deshalb das Thema im Bekanntenkreis und sind froh, sich an OA wenden zu können.

    Die Meetings sind für Gruppenmitglied Kerstin S. "kein Muss, sondern ein Bedürfnis, eine freie Entscheidung." Sie helfen ihr, an diesem Tag "abstinent" zu bleiben. OA versucht gezielt Aufklärungsarbeit zu betreiben, veranstaltete deshalb ein großes Informationsmeeting, darüber hinaus stellen sie Infomaterial auf ihrer Homepage zur Verfügung und pflegen engen Kontakt zu Krankenhäusern. Dies alles helfe zusätzlich bei der Abstinenz.

    "Wir sind keine medizinischen Berater, wir haben unsere Krankheit erlebt mit allen Höhen und Tiefen, durften sie zum Stillstand bringen", sagt eine Teilnehmerin. Es gibt keine Mitgliederliste, keine Mitgliederbeiträge, die Gruppe finanziert sich aus Spenden. "Man geht keinen Vertrag ein, es gibt kein Muss. Man kann auch nur einmal reinschauen. Jeder ist willkommen." Der wichtigste Schritt zum Leben mit Essstörungen sei die Akzeptanz, das "sich selbst eingestehen", erst dann könne die Störung mithilfe von Meetings, Literatur oder einem Essensplan kontrolliert werden. Dazu setzt die Gruppe auf das Zwölf-Schritte-Programm der Anonymen Alkoholiker, das dem Alltag Struktur verleiht.

    Betroffene erreichen OA unter Tel.: 0170 1487832, weitere Infos gibt es unter www.overeatersanonymous.de

    Aktuell finden Meetings via Zoom/Telefon statt, sobald möglich samstags von 18.30 bis 19.30 Uhr im Pfarrheim Adolph Kolping, Obertorstraße 1, in Gemünden.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden