"Ich war 25 Jahre lang Flugzeugtechniker der syrischen Armee", sagt Mohamed Fares. "Und jetzt setzt Assad diese Flugzeuge gegen die eigenen Bürger ein. Das ist ein ganz schlimmer Diktator." Für den 50-jährigen Syrer ist deshalb klar, dass er nicht zurück kann in sein Heimatland. Mit seiner Frau und vier Kindern lebt er in Karlstadt. Er hat Arbeit, die Kinder besuchen die Schule. "Ich habe gute Sprache", sagt er. Das hilft ungemein. Aber leicht ist es trotzdem nicht, in einem anderen Land und Kulturkreis zu leben.
Vor Assads Regime floh die ganze Familie zunächst in die Türkei. "Ich habe alles versucht, aber keine Arbeit gefunden", erzählt Fares. Also ging er allein weiter nach Deutschland, die Familie blieb in Istanbul. Im Asylverfahren kam er vor vier Jahren erst nach Düsseldorf, Dortmund, München und schließlich nach Wernfeld. Nach etwa zehn, elf Monaten wurde er im Juni 2015 als Asylberechtigter anerkannt, erst danach durfte er einen Deutschkurs besuchen.
Aushilfsjob wird zur Festanstellung
"Aber ich habe vorher schon versucht, mit dem Internet Deutsch zu lernen. Und mit den Menschen in Wernfeld", sagt Fares. Er spricht Englisch und Türkisch, hat bei der Armee Russisch gelernt. Schwierige deutsche Begriffe wie "Aufenthaltsgenehmigung" gehen ihm mittlerweile leicht über die Lippen. Seine Sprachbegabung hat ihm den Start in Deutschland sehr erleichtert. "Ich hatte auch Glück", gibt er zu.
Als einer der beiden Hausmeister des Karlstadter Krankenhauses erkrankte, bekam Mohamad Fares einen auf drei Monate befristeten Arbeitsvertrag. Und dann noch einen und noch einen und schließlich einen unbefristeten. Vieles fügte sich. Seiner Frau und vier Kindern wurde vor rund zwei Jahren der Familliennachzug gewährt.
"Wenn in Syrien die Flugzeuge kamen, haben die Kinder Schutz gesucht, unter dem Tisch oder im Keller. Ich verstehe, dass sie nicht dorthin zurück wollen."
Mohamad Fares, Syrer in Karlstadt
Gemeinsam bewohnt Familie Fares nun zwei Zwei-Zimmer-Wohnungen in der Wohnanlage an der Gemündener Straße. Zusätzlich verdingt sich der Familienvater dort als Hausmeister und hilft auch im Historischen Rathaus als Techniker aus. Seit das Karlstadter Krankenhaus geschlossen wurde, arbeitet er in Gemünden. "Arbeit", sagt Mohamad Fares, "ist das Allerwichtigste."
Viele der anderen Flüchtlinge suchen noch Arbeit. Mohamad Fares unterstützt sie als Übersetzer und Vermittler mit dem Helferkreis und Flüchtlingsbeirat der Stadt. Aber er weiß auch: "Ohne Sprache keine Arbeit."
Kinder suchen Ausbildungsplätze
Nun sucht sein Sohn Elias Fares, der gerade 18 wurde, einen Ausbildungsplatz. Er hat den Hauptschulabschluss geschafft, spielt Fußball beim FV Karlstadt und besucht das Berufsförderzentrum in Lohr. Er freut sich auf sein anstehendes Praktikum bei Procter & Gamble in Marktheidenfeld und hofft, dort als Azubi anfangen zu können.
Sein Bruder Anas ist 15 Jahre alt, steht kurz vor dem Schulabschluss und bewirbt sich ebenfalls um eine Ausbildung. Auch er ist ein talentierter Fußballer. Beide Jungs sagen: "Es ist hier viel besser als zurzeit in Syrien. Wir haben durch die Schule und den Fußball einige Freunde in Karlstadt."
Ihre Schwester Shahed (12) und Bruder Omar (7) besuchen ebenfalls Karlstadter Schulen und lernen Deutsch. Vater Mohamad sagt: "Wenn in Syrien die Flugzeuge kamen, haben die Kinder Schutz gesucht, unter dem Tisch oder im Keller. Ich verstehe, dass die Kinder nicht dorthin zurück wollen." Feindseligkeit hätten sie in Deutschland noch nicht erlebt, weder in der Schule noch anderswo.
Mate und Süßes aus der Heimat
Ein bisschen Heimat gönnt sich Familie Fares, wenn sie "Mate" trinkt. Eine Art Kräutertee, der durch einen metallenen Halm aus kleinen Kupferbechern eingenommen wird. Die Kinder mögen Snickers ebenso wie Süßigkeiten aus der Heimat. "Es gibt jetzt syrische Läden in der Umgebung, in denen wir das einkaufen können", erklären die Kinder.
Mutter Ghalia erledigt diese Einkäufe gern. Sie spricht noch fast gar kein Deutsch. Nach einer Bandscheiben-Operation ist es ihr derzeit nicht möglich, mehrere Stunden täglich in einem Sprachkurs zu sitzen. Alle Familienmitglieder haben mittlerweile eigene Asylanträge gestellt. Die Eltern vermissen ihre 22-jährige Tochter Nur, die mit zwei Kindern zurzeit nicht nach Deutschland nachkommen kann. Auch Großeltern und Verwandte leben noch in Syrien. "Wir telefonieren oft und erfahren, was dort vor sich geht", sagt Mohamad Fares. "Zurzeit ist es so kalt, dass viele Kinder, die in Zelten leben, erfrieren. Niemand hilft ihnen."
Angesichts dieser Zustände in ihrem Heimatland, ist es kein Wunder, dass sich Familie Fares in Main-Spessart wohl fühlt. "Mir gefallen die Natur und die netten Leute", sagt Mohamad Fares. Seine Kinder fügen hinzu: "Und Du magst hier den Kaffee." Die Mutter grinst, der Vater lacht. In diesem Moment ist die syrische Diktatur rund 3500 Kilometer von einer Wohnzimmercouch in Karlstadt entfernt.