Bis Donnerstagmorgen war noch der Afrikanische Wildhund der unmittelbare Nachbar der Wildkatzen. Nun leben sie dort, wo sich Fuchs und Hase Gute Nacht sagen: im Staatswald bei Rothenbuch.
Der dortige Förster Hubert Gebhard engagiert sich schon seit 1984 für die Wiederansiedlung der Wildkatze im Spessart. Seit 20 Jahren züchtet der Artenschutzbeauftragte des Bund Naturschutz in einem abseits gelegenen Gehege den Nachschub für die Auswilderung. Rund 150 in Rothenbuch geborene Wildkatzen sind schon in Freiheit entlassen. Es gilt heute als sicher, dass nahezu der gesamte Spessart wieder von der ausgesprochen scheuen Art besiedelt ist.
Kater tötete Kätzinnen
Zuletzt kam die Zucht von Förster Gebhard jedoch etwas ins Stocken: Bei einem der drei Zuchtpärchen war das Weibchen gestorben. Zwei Versuche, dem verwitweten Kater eine neue Gefährtin an die Seite zu geben, scheiterten tragisch: Der Kater tötete die Kätzinnen. „Wildkatzen sind halt furchtbar komplizierte Viecher“, lautet Gebhards Kommentar dazu.
Gerade als der Förster grübelte, ob er einen weiteren Verpaarungsversuch wagen soll, kam der Anruf aus München. Der dortige Tierpark hatte sich entschieden, die Wildkatzenhaltung aufzugeben. Grund: Die nicht artgerechten Gehege sollen umgebaut werden. Ob danach wieder Wildkatzen einziehen werden, ist noch offen. Fest stand jedoch, dass die fünf Hellabrunner Wildkatzen ein neues Domizil brauchen. Im Internet stieß Tierpfleger Matthias Mösch auf Förster Gebhard und dessen Auswilderungsprojekt. Der ideale Abnehmer für die Münchner Wildkatzen, so Mösch.
Am Donnerstagmorgen fing das Zoo-Personal die keineswegs handzahmen Tiere mit dem Kescher ein, sperrte sie in Transportkisten und fuhr sie nach Rothenbuch. Dort musste Gebhard den verwitweten Kater jedoch zunächst dazu bewegen, sein Gehege gegen die Freiheit einzutauschen. Kein leichtes Unterfangen. Wild fauchend und mit seinen krallenbewährten Pfoten um sich schlagend verkroch sich das rund vier Kilo schwere Tier in seine Höhle. „Jetzt geh halt“, forderte Gebhard seinen Zögling mehrfach erfolglos auf. Bis es ihm gemeinsam mit Jann Oetting, dem Leiter des Forstbetriebs Rothenbuch, schließlich doch gelang, den Kater hinaus in den Spessartwald zu bugsieren, hatte sich der Förster längst blutige Finger geholt.
Die fünf Neuankömmlinge gebärdeten sich bei ihrer Entlassung in die Gehege zwar nicht minder scheu, allerdings deutlich zahmer. Langsam schlichen sie über den schneebedeckten Waldboden und verkrochen sich dann in die Ecken der Gehege um von dort die Umgebung zu inspizieren.
Schaugehege geplant
„Wunderschön“, beurteilte Förster Gebhard die ihm zugereisten Wildkatzen. Groß war seine Freude vor allem darüber, nun wieder ein drittes, sich vertragendes Zuchtpärchen zu haben. Die Elterntiere Miro und Hannah sollen dauerhaft in dem Gehege wohnen bleiben und fleißig Nachwuchs für die Auswilderung produzieren.
Für die drei in diesem Jahr geborenen Jungtiere ist Gebhards „Zuchtstation“ jedoch nur eine vorübergehende Bleibe. Denn die Gemeinde Rothenbuch und der Bund Naturschutz planen, ein Wildkatzen-Schaugehege für die Öffentlichkeit zu bauen. Die Pläne hierfür sind schon recht weit gediehen. Wenn alles klappt, könnten Jona, Jaka und Jago vielleicht schon 2010 wieder das tun, was sie auch in Hellabrunn getan haben: Sich dem Publikum zeigen.
Stichwort
Wildkatze Die Wildkatze (Felis Silvestris) wurde bis etwa 1920 fast überall in Deutschland ausgerottet. 1984 startete Bernhard Grzimek im Spessart die Wiederansiedlung. Das wichtigste Beutetier der Wildkatze ist die Maus, das markanteste Kennzeichen der buschige Schwanz mit deutlichen dunklen Ringe. Zwar kann sich die Wildkatze mit der Hauskatze paaren, möglich ist aber auch, dass sie ihre domestizierte Verwandtschaft als Nahrung ansieht. Umgekehrt muss sich die Wildkatze vor dem Luchs in Acht nehmen. Der, so mehren sich die Anzeichen, ist derzeit der zweite Rückkehrer in den Spessart.