Vor fünf Jahren, am 1. Dezember 2016, eröffnete die Stadt Lohr in einer Feier mit 700 Gästen ihre neue Stadthalle. Kein anderes Thema hatte die Lohrer seit der Jahrtausendwende mehr bewegt und für zwei Bürgerentscheide gesorgt. Bereits am 1. September 2014 trat Stadthallenleiter Thomas Funck seinen Dienst an und begann, sein Team zu formen und erste Programme zusammenzustellen. Diese Redaktion hat mit ihm über die Zeit seither gesprochen.
Auf die Frage nach der erfolgreichsten, aufregendsten und schönsten Veranstaltung muss der 38-Jährige nicht lange nachdenken: Es war die allererste, bereits im Oktober 2016, also noch vor der offiziellen Eröffnung. Die 50-Jahr-Feier des Rotary-Clubs im Oktober 2016 erfülle alle drei Voraussetzungen. "Sie war mitten in einer Baustelle."
Weil die Küche noch nicht vorhanden war, sei auf dem kleinen Vorplatz in Richtung TSV-Platz eine Küche im Zelt aufgebaut worden, vor den Blicken der Gäste verborgen. Bei einer Besichtigung etwa ein halbes Jahr vorher sei den Rotary-Verantwortlichen das Herz in die Hose gerutscht. Er habe ihnen versichert: "Sie werden nicht merken, dass sie auf einer Baustelle sind."
Zentimeterdicker Staub
So sei es gekommen. Am Tag der Veranstaltung habe man die Halle noch gründlich reinigen müssen: "Dort lagen mindestens drei Zentimeter Staub." Aber alles habe am Jubiläumsabend der Rotarier funktioniert.

Funck hat die Frage nach den aufregendsten und schönsten Veranstaltungen mit seinem Team besprochen. "Dreamscapes", die fulminante Mischung aus Tanz, Musik und Farben mit den Lohrer Tänzern Dominik Blenk und Markus Heldt, sei allen eingefallen. "Dreamscapes war super erfolgreich, sehr aufwendig, hat viel Spaß gemacht und das Renommee der Stadthalle erhöht."
Das Street-Food-Festival mit dem Skateboard-Contest ist allen gut in Erinnerung geblieben, die Auftritte der Stadtkapelle, bei denen die Musik mit Videos koordiniert wurde, sowie das Bier- und Weindorf. Funck nennt weiter die Auftritte der amerikanischen Metal-Band Russian Circles und des hessischen Komikerduos Badesalz.
Der Lohrer Weiberfasching habe sich mittlerweile in der Stadthalle etabliert. Auch die Bilder- und Skulpturenausstellung "Glut", die bis zum 19. Dezember im Foyer zu sehen ist, nennt Funck, "weil es wieder etwas anderes ist". Zu seinen persönlichen Kabarett-Highlights zählt er die Auftritte von Max Uthoff und Bülent Ceylan.
Erstaunt ist Funck immer wieder darüber, dass Veranstaltungen praktisch ohne Werbung ausverkauft sind: "Wenn die Leute etwas erfahren wollen, erfahren sie es."
Auf die Frage, was die Corona-Pandemie mit der Stadthalle angerichtet hat, sagt Funck: "Ich weiß nicht, ob angerichtet das richtige Wort ist." Corona habe sicherlich in der Biografie vieler Menschen etwas angerichtet und im Arbeitsalltag etwa von Pflegekräften. Auch den Kulturbetrieb habe Corona hart getroffen, "da hängen Existenzen dran".
Alles sehr kurzfristig seit Corona
Der Stadthalle habe die Pandemie "schnelle, kurzfristige Änderungen aufgezwungen". Kurzfristigkeit sei das Thema seither. Technisch habe sich ziemlich viel ändern müssen, um Streaming ins Internet, Video- und Hybrid-Veranstaltungen zu ermöglichen. "Wir mussten uns technisch weiterentwickeln", so Funck.
Eine Halle, die keine Hybridveranstaltungen anbieten kann, ist nach seiner Überzeugung "in spätestens zwei Jahren raus aus dem Geschäft". Das sei aber nicht unnormal, "Technik entwickelt sich immer weiter". Das gelte nicht nur für die Technik vor den Kulissen, auch für die dahinter: "Mittlerweile gehen ganz andere Datenmengen raus."
Der Stadt Lohr ist es nach seinen Worten gelungen, sich in der Pandemie auf Kreisebene mit ihren zwei Hallen (Stadthalle und alte Turnhalle) "gut zu positionieren". Man habe neue Kunden für Veranstaltungen gewonnen, bei denen viel Platz gebraucht werde. Das habe "manche Hürden in den Köpfen abgebaut".
Was die Zukunft angeht, ist laut Funck der reguläre Veranstaltungsbetrieb im Winter "gelaufen". Erste Veranstaltungen, die für Januar bis März vorgesehen gewesen seien, würden bereits verschoben. Damit bilde sich ein neuer Veranstaltungsstau, nachdem man den alten im Herbst erst abgearbeitet habe.
Allerdings seien diese Angebote nicht so gut gelaufen, "weil die Leute zurückhaltend sind". Private Anbieter, die sich in die Stadthalle einbuchten, hätten bereits Dezember-Veranstaltungen verlegt: "Eine Reduzierung der Besucherzahl auf 25 Prozent geht wirtschaftlich halt nicht."
Insgesamt gesehen sei die Stadthalle in der Corona-Zeit nicht schlechter gefahren. Das liege auch an den staatlichen Hilfen im letzten Jahr, "ohne sie hätten wir es nicht geschafft". Einsparungen habe man beim Marketing und den Reinigungsleistungen erzielt.
Arbeit oft nicht zu sehen
Nicht abgenommen habe dagegen die Arbeit: "Wir arbeiten viel, was man von außen nicht sieht." Dazu zähle die Umplanung von Veranstaltungen und Seminaren, aber auch die Entwicklung neuer coronakonformer Veranstaltungstypen wie dem Bier- und Weindorf und den Lesungen auf dem Vorplatz. Durch Corona hätten sich "Sachen ergeben, die wir sonst nicht hätten machen können" – etwa die Ausstellung "Glut". "Sie hat irre viel Aufwand bedeutet."

Für Funck persönlich verändert hat sich, dass er vom Stadthallenleiter zum Werkleiter des Eigenbetriebs Stadthalle geworden ist und die Leitung des Kulturamts der Stadt übernommen hat. Damit ist auch die Alte Turnhalle in seinen Verantwortungsbereich gekommen, der Tourismus und die Mainlände, die viel Arbeit mache, etwa bei der geplanten Bewirtschaftung ab nächstem Jahr.
Wie geht es mit der Stadthalle weiter? "Man muss immer mit der technischen Entwicklung Schritt halten", betont Funck. Durch technische Neuerungen könne man den personellen Aufwand verringern. Das bedeute aber auch, dass sich sein Team mit technischen Neuerungen vertraut machen und Schulungen besuchen müsse.
Mit zwei Meistern der Veranstaltungstechnik sei die Stadthalle gut aufgestellt. Das sei für eine Halle in einer Stadt von der Größe Lohrs nicht selbstverständlich. Die Stadthalle sei heute "eine ganz andere Halle als bei der Eröffnung". Bei der Eröffnung sei sie praktisch "leer" gewesen.
Noch immer "der schönste Job"
Von der technischen Ausrüstung über den Wasserkocher in der Künstlergarderobe bis zu den Traversen, um Bilder bei Ausstellungen anzustrahlen, habe viel angeschafft werden müssen. Ohne Hubsteiger gehe es bei Wandhöhen wie in der Stadthalle nicht. "Das ist, wie ein Haus einzurichten", meint Funck.
Der Haustechniker habe sich eine Werkstatt eingerichtet, ohne die man nicht mehr zurechtkäme. In den Zuschauerraum seien kleine Boxen eingebaut worden, damit der Klang überall gut sei, zählt Funck weiter auf. "Das wird nie aufhören, die Stadthalle steht nie still."
Nach fünf Jahren liefen die Gewährleistungen aus, der Unterhalt des Gebäudes fange jetzt erst richtig an. "Es bleibt weiter spannend", zieht Funck ein Fazit, um gleich hinzuzufügen: "Es ist immer noch der schönste Job, den ich mir vorstellen kann."
Geschichte der Stadthalle LohrNach dem Zweiten Weltkrieg waren in Lohr nur noch wenige Gemeinschaftsräume vorhanden. Deshalb wurde am 8. Oktober 1948 ein Stadthallenverein gegründet. Ziel war es, ein Kultur- und Sportzentrum für Lohr zu schaffen. Dafür stiftete der US-Hochkommissar John McCloy am 5. Dezember 1950 90 000 Mark (die sogenannte McCloy-Spende). Weitere Gelder kamen von der Stadt Lohr und aus privaten Spenden. Baubeginn war im Sommer 1951, Eröffnung bereits am 15. Dezember desselben Jahres.Bis 1965 wurde das Gebäude Stück für Stück erweitert, etwa 1957 mit einem Bühnensaal. Ende März 1972 löste sich der Stadthallenverein auf, die Stadthalle ging nach einem Jahr Übergangszeit an die Stadt Lohr. Nach umfassenden Renovierungsarbeiten wurde die Stadthalle am 28. April 1975 wiedereröffnet. Zwischen 2003 und 2006 wurde in Lohr kontrovers diskutiert, ob man das Gebäude erneut sanieren oder einen Neubau angehen sollte.Ab Dezember 2006 wurde die alte Stadthalle abgerissen. Danach scheiterten zwei Entwürfe für einen Neubau bei Bürgerentscheiden. Im November 2013 entschied sich der Stadtrat für das Stuttgarter Büro Bez + Kock als Generalplaner.Erster Spatenstich für die neue Stadthalle war am 17. Oktober 2013. Stadthallenleiter Thomas Funck trat am 1. September 2014 seinen Dienst an. Richtfest wurde am 29. April 2015 gefeiert, die Eröffnung am 1. Dezember 2016. Zuvor war im Oktober bereits die umstrittene Schneewittchenskulptur auf dem Vorplatz aufgestellt worden. (metjm)