Das Treffen der drei Frauen am Donnerstagnachmittag in der Castellstraße in Urspringen hat nicht die MAIN-POST arrangiert und ist auch keine Vorfeier des Muttertags, den wir am Sonntag begehen und der vor 100 Jahren von Anna Jarvis aus Philadelphia ins Leben gerufen wurde, sondern hat einen guten Grund: Pauline, die Tochter von Katharina, feiert ersten Geburtstag. Klar, dass neben anderen Gästen auch die Oma und die Uroma zum Gratulieren kommen.
So groß gefeiert wurden Kindergeburtstage früher nicht. Dafür war gar keine Zeit, erinnert sich die Uroma, Maria Hörning aus Birkenfeld. Der Ehemann war Maurer und die Familie betrieb im Nebenerwerb noch Landwirtschaft.
Mit den Hühnern aufstehen
„Schweine, Hühner, Hasen, Ziegen, Enten, Getreide, Kartoffeln“, zählt die 72-Jährige auf. Da musste man mit den Hühnern aufstehen, die Tiere versorgen, die Kinder für Schule oder Kindergarten fertig machen, den Haushalt machen und dann ging es meist aufs Feld. Große technische Hilfe im Haushalt gab es nicht. Die erste Waschmaschine kam erst 1973 ins Haus, vorher wurde noch der Waschkessel geschürt.
„Ich hab ganz jung geheiratet und bin 1955, mit 20 Jahren, das erste Mal Mutter geworden“, erzählt die Birkenfelderin. Es sei eine schwere, aber auch schöne Zeit gewesen. Viel Geld war nicht da und vieles wurde selbst gemacht, beispielsweise die Kleidung mit der Strickmaschine. Jedes der Kinder musste daheim mit anpacken. Gespielt wurde auf der Straße.
Erst abends fand sich die Familie richtig zusammen. Mit den Kindern Eva (52), Brigitte (50), Irene (47), Thomas (43) und Belinda (37) wurde gesungen und viel gebastelt. Fernsehen war ja noch nicht. Hörning: „Die Kinder waren mit einer Kleinigkeit zufrieden.“ An Urlaub war nicht zu denken. Mal ein Ausflug in den Zoo oder ein Besuch auf der Kilianimesse – mehr war für sie nicht drin.
Bei Tochter Irene und ihrer Familie sah das schon etwas anders aus: Mitte der 1980er Jahre wurde mit den Kindern Stefan (28) und Katharina (24) Urlaub an der Nordsee gemacht. Florian (19) wurde erst später geboren. Wie die Schwiegermutter hat auch Irene früh geheiratet und 1979, mit gerade mal 19 Jahren, das erste Kind bekommen.
Bald wieder arbeiten gehen
Dass sie, kaum dass der Bub ein Jahr alt war, wieder als Verkäuferin arbeiten ging, das würde sie heute anders machen. „Es ist mir schwer gefallen, morgens wegzugehen“, sagt sie, auch wenn sie das Kind bei der Schwiegermutter in besten Händen wusste. Aber ihr Verdienst war wichtig.
„Wenn man so jung heiratet, dann muss man sich erst alles erarbeiten“, begründet die 47-Jährige. Als ihr Mann sich dann mit einer Firma selbstständig machte und sie im Betrieb mithalf, gab es zwar nicht weniger zu tun, doch war der Kontakt zu den Kindern enger. „Ich hab den Laufstall ins Büro gestellt“, schmunzelt sie. Ohne Oma und Tagesmutter für den Jüngsten wäre es aber kaum gegangen, gesteht die Geschäftsfrau. Und das trotz fortschreitender Technik im Haushalt. „Den Trockner gab's beim dritten Kind.“ Bei diesem Satz müssen alle drei Mütter lachen.
Was den drei Frauen gemeinsam ist, ist die Erfahrung mit dem ersten Kind. „Da ist man etwas überfordert, da ist alles neu und ein wenig schwerer als bei den anderen“, meint Irene Weimann, und Schwiegermutter und Tochter stimmen zu. Sie nicken auch auf die Frage, ob das erste Kind jeweils ein Überraschungskind war, also zu dem Zeitpunkt nicht geplant.
Katharina Rauch meint selbst, dass sie es heute viel leichter habe als die Mütter früherer Generationen. Für die Kinder Noah (4) und Pauline (1) habe sie sehr viel Zeit. Und wenn die jungen Eltern mal alleine ausgehen wollen, dann sei immer jemand für die Kleinen da – die Mutter, die Schwiegermama oder sonst eine Verwandte. Katharina hat ein Auto, ist also mobil, und in der Küche und im Waschkeller stehen fleißige Helfer wie Geschirrspüler, Trockner oder Waschmaschine zur Unterstützung bereit.
Mutter werden oft später geplant
Im Vergleich zu Omas Zeiten bleibt damit der jungen Mutter einiges an „Luft“ für ein Buch, für Treffen mit Freunden oder die Krabbelgruppe, die einst von Mutter Irene gegründet worden war. Trotzdem hätte sie sich mit dem Kinderkriegen wohl noch einige Jahre Zeit gelassen, wenn sich nicht unerwartet Noah angemeldet hätte. „In unserem Freundeskreis sind nur ganz wenige mit Kindern“, sagt Katharina Rauch.
Mutter werden, das heben sich viele junge Frauen heutzutage für später auf. Und mehr als zwei Kinder – das will aufgrund der Unsicherheiten bezüglich Schule, Ausbildung und der Kosten gut überlegt sein, meint Rauch: „Man will seinen Kindern ja auch etwas bieten können.“
Natürlich hofft sie, dass ihre Tochter Pauline eines Tages auch einmal Mutter wird und sie zur Oma macht. Das scheint ohnehin eine lohnenswerte Aussicht zu sein, wenn man Irene Weimann hört: „Oma zu sein ist viel schöner als Mutter zu sein.“