Vielleicht liegt es daran, dass Philipp Herzog in einer Kleinstadt aufgewachsen ist. Den Marktheidenfelder zieht es in die große, weite Welt. Bolivien, Frankreich, die USA, Berlin, die Philippinen und der Südsudan waren seine bisherigen Stationen. Jetzt ist er für das Auswärtige Amt in Khartum im Sudan. Dem 30-Jährigen macht es einfach Spaß, „Menschen Freude und Lachen zu schenken“, wie er erzählt. Das ist ihm bei seinem Freiwilligendienst in Bolivien sofort aufgefallen, und so hat er es langfristig zu seinem Beruf gemacht.
Mit dem World Food Progamme hat er zwei Jahre lang humanitäre Hilfe geleistet. Dafür war er auf den Philippinen, um Not Leidenden Nahrungshilfe zur Verfügung zu stellen. Danach begann für diese die „Food for Work“-Etappe, bei der jene Menschen durch Nahrung und Geld unterstützt werden, die beim Wiederaufbau nach einem Taifun mithelfen. Daraufhin war Philipp Herzog noch im Südsudan stationiert.
Nach zwei Jahren beim World Food Programme ist Herzog zum Auswärtigen Amt gewechselt, weil er stabilere Verhältnisse wollte – die Verträge beim World Food Programme liefen jeweils nur drei Monate, und danach wusste man nicht, wo es wie weitergeht. „Das Auswärtige Amt ist aber auch ein guter Arbeitgeber für Weltenbummler“, lacht Herzog.
Jetzt arbeitet er für die deutsche Vertretung in Khartum im Südsudan. Das Hauptaugenmerk seiner Arbeit liegt bei der Friedensvermittlung zwischen der Regierung, der politischen Opposition und bewaffneten Gruppen. Dafür arbeitet die Botschaft auch eng mit der Afrikanischen Union zusammen. Deutschland habe ein großes Interesse daran, dass der Sudan nicht destabilisiert wird, sagt Herzog. So beteilige Deutschland sich auch stark an der UN-Blauhelm-Mission in der Region Darfur. Nicht zuletzt soll der Sudan unterstützt werden, weil er als Transitland für Flüchtlinge gilt, die vom Horn von Afrika oder aus Eritrea nach Europa wollen.
Im Sudan reizt Herzog insbesondere die Vielseitigkeit seiner Arbeit. Er sitzt nicht einfach im Büro – die Hälfte der Zeit führt er Gespräche mit Einwohnern oder auch mit Menschenrechtlern. Ebenfalls gehören repräsentative Aufgaben zu seinen Pflichten. „Im Sudan gibt es davon mehr als erwartet. Ich dachte, da wäre nichts los“, meint er augenzwinkernd. Er muss auch schon mal einen Empfang in seinem Haus in Khartum geben, das vom Auswärtigen Amt mitfinanziert wird. Herzog konnte sich das Gebäude selbst aussuchen, dann hat die Behörde geschaut, dass es sowohl angemessen als auch repräsentativ für einen Diplomaten ist.
„Das Auswärtige Amt ist aber auch ein guter Arbeitgeber für Weltenbummler.“
Philipp Herzog begründet scherzend seinen Arbeitsplatzwechsel
Herzogs weitere Aufgaben hängen sehr vom Einsatzort ab. Im Sudan muss man flexibel und breit aufgestellt sein, da man politische, gesellschaftliche und kulturelle Pflichten erfüllen muss. In großen Botschaften wie Washington werden nach seiner Darstellung eher Fachkräfte eingesetzt, die auf einen Bereich spezialisiert sind.
Wer beschließt, wer wohin kommt? Alle drei Jahre wird der Einsatzort geändert. Wenn man in brenzligen Regionen wie Afghanistan oder wie Herzog im Sudan arbeitet, kann man aber auch schon nach zwei Jahren rotieren – was Herzog nach aktuellem Stand aber nicht vorhat. Er ist jetzt seit einem Jahr in Khartum, der Hauptstadt des Sudan. Wenn dann gewechselt wird, kann der Mitarbeiter beim Auswärtigen Amt eine Art Wunschliste abgeben, auf der er zwischen zehn und fünfzehn Orte nennen kann, an denen er sich eine Stationierung vorstellen kann. Dabei wird in A-, B- und C-Regionen unterschieden.
Die westlichen Länder fallen in Kategorie A, Länder wie der Sudan in die C-Abteilung. Bei der Rotation wird darauf geachtet, dass auch regelmäßig die Bereiche gewechselt werden. Herzog kommt also vermutlich das nächste Mal in eine A- oder B-Region. Wenn man beim Auswärtigen Amt arbeitet, muss man davon ausgehen, dass man sich „zu weltweiter Versetzungsbereitschaft erklärt“, erzählt Herzog. Familiäre Gründe werden aber berücksichtig. Das sei früher weniger der Fall gewesen, mittlerweile macht sich das Auswärtige Amt auch dafür stark, dass der Ehepartner an dem Aufenthaltort des Diplomaten zügig eine Arbeitsstelle findet, falls das gewünscht ist.
Herzogs Traumorte wären Rom oder Rio de Janeiro. Indien kann er sich auch vorstellen. Egal ob Rom oder Khartum: „Es ist blöd zu glauben, dass man die Welt verändern kann. Aber ich leiste meinen kleinen Anteil daran“, ist sich Herzog sicher. Trotzdem sei die Hilfe nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Laut Herzog helfen die Menschen in Deutschland am ehesten, indem sie „professionelle Organisationen finanziell unterstützen“.
Auch beim Thema Flüchtlinge würde sich der Marktheidenfelder etwas mehr Besonnenheit wünschen: Einige Leute hier könnten sich „schlecht vorstellen wie es ist, Angst ums eigenen Leben zu haben“ und dürften deshalb nicht über Verfolgte urteilen, nur weil sie in Europa sicher leben wollen. Er hielte eine differenziertere Argumentation angebracht. Außerdem sollte der Westen seine Anstrengungen erhöhen, da nach Herzogs Erfahrungen es „krass zu sehen ist, wie der Reichtum auf der Welt verteilt ist“.
In Bolivien, Herzogs erster Station direkt nach dem Abitur, habe er zuerst Probleme gehabt, mit der dortigen Armut klarzukommen – vor allem, wenn er sich selbst mal etwas gegönnt hat. Nach einiger Zeit wurde es aber besser. Herzog erklärt: „Wenn man es zu nah an sich ranlässt, ist niemandem geholfen.“ Es sei schon hart, wenn Einheimische ihm erzählten, wie ihre Angehörige zum Beispiel auf den Philippinen bei einem Taifun von ihrem eigenen Haus erschlagen wurden, aber es sei wichtig, dass man Abstand wahrt. Sonst könne man den Job nicht machen.
„Es ist blöd zu glauben, dass man die Welt verändern kann. Aber ich leiste meinen kleinen Anteil.“
Philipp Herzog hat eine realistische Einschätzung seiner Möglichkeiten
Angst um sein Leben musste Herzog noch nicht haben. Bevor er in den Südsudan ist, hat er ein Entführungs- und Minentraining präventiv mitgemacht. „In der Praxis ist das dann aber wieder etwas anderes“, sagt er ernst. Khartum, sein aktueller Standort, und der Norden Sudans seien hingegen sicher, außerdem sei das „Auswärtige Amt sehr um die Sicherheit“ bemüht.
Die einzige Situation, die in Khartum gefährlich werden könnte, seien „anti-westliche Proteste“, bei denen vor zwei Jahren schon einmal die deutsche Botschaft angegriffen worden ist. Doch dabei wurde niemand verletzt. Bei einer Fahrt mit den UN-Blauhelmsoldaten in die unsichere Südregion Darfur ist es Herzog wegen der ungewohnt hohen Soldatenpräsenz aber doch einmal etwas mulmig geworden.
Heimweh hat er der 30-Jährige nicht. „Ich habe gewusst, worauf ich mich einlasse.“ Außerdem kann er beim Auswärtigen Amt öfter nach Hause kommen als zu seiner Zeit beim World Food Programme. Beim Auswärtigen Amt hat er immerhin Berlin als Heimatbasis und legt dort auch Berichte vor. Zwei- bis dreimal im Jahr kommt er heim, die letzten Male war er im Dezember 2014 und erst kürzlich im August hier. Seine Mutter und seine Schwester haben ihn an allen Einsatzorten besucht, außer im seit 2011 unabhängig existierenden Südsudan – das war zu gefährlich. Seine Verwandten sind stolz, dass er vom Auswärtigen Amt genommen wurde. Das werden jährlich nämlich nur 45 von rund 2000, wie Herzog sagt.
In Khartum ist er aber auch nicht allein: 15 Deutsche arbeiten in der Botschaft, der deutschen Gemeinde vor Ort gehören etwa 70 Personen an. Zwei Mal im Jahr kann man auch Produkte aus Deutschland bestellen, die in einem großen Container geliefert werden. Man muss sich nur gut überlegen, was man auswählt, da Lebensmittel auf der Reise im Container bei einer Außentemperatur von 40 bis 46 Grad Celsius in Khartum leicht verderben können. Schokolade sei deshalb „unvorteilhaft“, merkt Herzog an.
Die Verständigung mit der sudanesische Bevölkerung sei schwierig, da nur die Elite Englisch spricht. Der Sudan ist eine ehemalige britische Kolonie. Um auch mit der Landbevölkerung sprechen zu können, lernt Herzog momentan Arabisch, bekommt einmal in der Woche Unterricht. „Simple Konversationen gehen schon“, berichtet der Marktheidenfelder über seinen Fortschritt.
Ob Herzog davon träumt, einmal Botschafter oder Staatssekretär zu werden? „Mein Ziel ist es, auf interessante Posten zu kommen. Ich muss nicht unbedingt Botschafter werden.“ Gegen eine solche Berufung hätte er aber vermutlich auch nichts.
Philipp Herzog
Der Marktheidenfelder wurde am 27. Mai 1985 in Lohr geboren. Sein Abitur hat er am Balthasar-Neumann Gymnasium gemacht, wonach er einen Freiwilligendienst in Bolivien leistete. Daraufhin hat Philipp Herzog in den USA, in Frankreich und in Berlin Internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Entwicklungspolitik und Sozialwissenschaften studiert und mit dem Master abgeschlossen. Für das World Food Programme der Vereinten Nationen war er auf den Philippinen und im Südsudan. Nach einer Diplomatenausbildung in Berlin ist er nun seit einem Jahr im Sudan im Diplomatischen Dienst tätig. Er ist Beamter im Höheren Dienst. Herzog spricht fließend Englisch, Französisch und Spanisch, lernt gerade Arabisch und möchte sein Italienisch noch verbessern. In seiner Freizeit treibt er gerne Sport und fotografiert. TEXT: Andrea Grundke