Von Modepüppchen bis Zicke reichen die Worte, mit denen Schülerinnen einer Mädchenschule häufig beschimpft werden. Sie seien weltfremd und hätten einen sonderbaren Bezug zu Jungs, ist eine weit verbreitete Meinung unter strikten Verfechtern gemischter Klassen. Eine Studie hält nun dagegen. So haben Augsburger Forscherinnen festgestellt, dass Mädchen profitieren würden, wenn sie im Unterricht nur unter ihresgleichen sind. In Gemünden gab und gibt es reine Mädchenklassen – mit unterschiedlichen Erfahrungen.
Sie ist vermutlich eine Art Befreiungsschlag für die 163 Mädchenschulen, die es in ganz Deutschland, jedoch überwiegend in Bayern gibt: Jene Studie, die das Augsburger Forschungsduo aus Professorin Dr. Leonie Herwartz-Emden und Dr. Wiebke Waburg herausgegeben hat. Denn dem Duo zufolge profitieren Mädchen von Mädchenschulen. So nannten diese häufiger als ihre Geschlechtsgenossinnen Physik ihr Lieblingsfach und pflegen intensivere Freundschaften zu Mitschülerinnen. Allerdings stünden die Mädchen unter einem starken „Legitimationszwang“.
Immer mehr verteidigen
Ein Punkt, den auch Robert Wolz, Schulleiter am Mädchenbildungswerk (MBW), das aus einem Gymnasium, einer Realschule und einem Internat besteht, bestätigt. Zwar treffe nicht jeder Punkt der Studie auch auf die Schulen des Bildungswerks zu, dennoch ist es in der Tat so, dass sich „seine“ Schülerinnen heutzutage mehr für ihre Schulform verteidigen müssen, als dies früher der Fall war. „Es gibt eben viele Vorurteile, doch die stimmen nicht. Zicken zum Beispiel gibt es überall“, sagt Wolz.
Der Schulleiter ist zufrieden mit der Atmosphäre an der Schule. Schließlich gebe es eine Menge Vorteile, die reine Mädchenklassen zu bieten haben. „Mädchen übernehmen in einer homogenen Gruppe häufig Rollen, die sonst meistens die Jungs haben. Zum Beispiel, wenn es darum geht, Bierbänke auszustellen oder technische Dinge zu erledigen“, erklärt Wolz. Gerade in der Hinsicht seien Mädchenschulen sogar besonders zeitgemäß. Eine Eigenschaft, die diesen Schulen nur äußerst selten attestiert wird.
Mädchen sind mutiger
Zudem trauen sich Mädchen gerade in Fächern wie Mathematik und Physik, in denen eben häufig Jungen besonders gut sind, mehr Fragen zu stellen. Sie seien einfach mutiger, wenn es in diesen Fächern keine Jungs in der Klasse gibt. Auch wenn er das Ergebnis der Studie nicht bestätigen kann, wonach Mädchen aus gleichgeschlechtlichen Klassen häufig Physik als ihr „Lieblingsfach“ bezeichnen. Dazu fehle ihm auch schlichtweg der Vergleich.
Und schließlich könne man sich als Mädchen im Unterricht besser konzentrieren, wenn es keine Jungs gibt, finden die 18-jährige Mirjam Heinz und die 17-jährige Carina Merz. Die beiden Schülerinnen haben sich für das MBW entschieden, da ihnen die dort die Atmosphäre besonders gut gefällt. „Es ist ruhiger und angenehmer als in Klassen mit Jungs“, sagt Mirjam, die für ein Jahr an einer anderen Schule in einer gemischt geschlechtlichen Klasse war. Und was den Kontakt zu Jungs angeht, könne man den ja auch in der Freizeit herstellen.
Auch was die Leistung angeht, weiß Wolz Gutes zu berichten: „Wir haben sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, von ehemaligen Schülerinnen, die im Beruf erfolgreich sind.“ Zudem gibt es momentan drei Frühstudentinnen, eine große Zahl für eine kleine Schule wie das MBW, was der Schulleiter darauf zurückführt, dass Frauen an der Mädchenschule fleißig sein können, ohne als Streber abgestempelt zu werden. Und schließlich hat die Schule mit Barbara Stamm, Präsidentin des bayerischen Landtags, und Tina Kirsch, Geschäftsführerin von Kirsch und Sohn, sogar prominente erfolgreiche Ex-Schülerinnen.
Positive Erfahrungen am MBW
Es sind also positive Erfahrungen, die Schulleiter Robert Wolz mit reinen Mädchenklassen bisher gemacht hat. Zwar habe er einmal kurz darüber nachgedacht, die Schule auch für Jungs zu öffnen, unter anderem auch deshalb, damit Geschwister die gleiche Schule besuchen können, doch mehr als ein Gedanke war es nicht.
Auch an der Mittelschule in Gemünden gab es zwei Jahre lang eine reine Mädchenklasse – wegen schlechter Erfahrungen wurde die jedoch nicht beibehalten. „Unter den Mädchen gab es massiven Zickenkrieg mit ständig wechselnden Koalitionen“, erzählt Rainer Steck, der 2008 bis 2010 die reine Mädchenklasse, eine zehnte Klasse, leitete.
Experiment an der Mittelschule
Eine Art Experiment war die Klasse damals für die Mittelschule, die bisher nur aus Gemischten bestand. „Wir mussten eine Klasse teilen, weil sie zu groß wurde“, sagt Rektor Rainer Kunkel. Da zufällig die Hälfte davon Mädchen und die andere Hälfte Jungs waren, kam die Überlegung auf, eine Jungs- und eine Mädchenklasse zu bilden, was nach einer Befragung der Schüler auch geschah. Von 2008 bis 2010 gab es nun die beiden neuartigen Klassen – zum ersten und zum letzten Mal.
„Es waren bei uns eben keine Vorteile erkennbar“, sagt Steck, der schon immer einmal ein solches Experiment ausprobieren wollte. Der Lehrer unterrichtete sowohl in der reinen Mädchen- als auch in der reinen Jungenklasse Mathematik und Physik und hatte dadurch den direkten Vergleich. „Die Mädchen waren kaum besser, auch wenn sie ruhiger und konzentrierter waren.“