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GÖSSENHEIM: Geht's der Landapotheke wie Tante Emma?

GÖSSENHEIM

Geht's der Landapotheke wie Tante Emma?

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    Erfolgreicher Protest: Die Bundesregierung will hier nachbessern.
    Erfolgreicher Protest: Die Bundesregierung will hier nachbessern.

    Gehören die Zeiten, in denen Patienten nach dem Arztbesuch ihr Rezept gleich in der nahen Apotheke einreichen konnten, bald der Vergangenheit an? Zumindest auf dem „flachen Land“ könnten langen Stunden im Wartezimmer noch einmal beträchtliche Wege zur nächsten Apotheke folgen, um das dringend benötigte Medikament zu bekommen. Vor einem „Sterben der Landapotheken“ warnt jetzt Therese Luise Wesemann, Inhaberin der Burg-Apotheke in Gössenheim.

    „Soll die Landapotheke wie die Tante-Emma-Läden sterben?“ Auf einem großen Plakat macht Therese Luise Wesemann auf die drohende Situation aufmerksam und fordert „Gehhilfen“ von der Politik, besonders für die kleineren Apotheken. „Wir sind noch echte Dienstleister und erbringen ganz viel Service für unsere Kunden“, betont sie. Zwar erhalten Landapotheken den gleichen Vergütungssatz für die Abgabe von Medikamenten und auch die gleich niedrige Pauschale während der Notdienstzeit, doch beim übrigen Sortiment herrscht eine gravierende Benachteiligung.

    „Apotheken in den Städten erzielen mehr Umsätze im freiverkäuflichen Sortiment, zu dem auch hochwertige Kosmetika und Körperpflegeprodukte zählen – einfach durch mehr Kundenfrequenz, sprich Laufkundschaft“, so die Landapothekerin. Alles Einnahmen, die auf dem Land nicht zu erzielen sind. Damit sind die „Überlebenschancen“ von Apotheken in den Städten deutlich größer. Verschärft wird die Situation zusätzlich durch die Konkurrenz der Versandapotheken, die sowohl den Apotheken auf dem Land, wie auch in der Stadt zu schaffen machen.

    Bei Apotheken in ländlichen Regionen steht das Rezept im Vordergrund, die Versorgung der Bevölkerung mit Medikamenten über die Verordnung des Arztes. „Wir haben ein sehr hohes Beratungsniveau, bieten beispielsweise kostenlose Interaktionschecks an, ob sich die Medikamente auch miteinander vertragen.“ In vielen Gegenden seien Landapotheken „Seniorenapotheken“, sagt Wesemann, mit besonderen Anforderungen: Ihre Polymedikation verlangt ein waches Auge des Apothekers, denn über sieben Millionen Menschen in Deutschland müssen täglich fünf oder mehr verschiedene Medikamente einnehmen.

    Die wirtschaftliche Lage der Apotheken hat sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert. So bekommen sie pro abgegebener Packung ein Fixhonorar von 8,35 Euro, ganz gleich, wie teuer das Medikament ist. Die Verkaufspreise der Medikamente sind von der Apotheke abgekoppelt und werden zwischen den Krankenkassen und der pharmazeutischen Industrie ausgehandelt. Die Lieferverträge dafür sind von Krankenkasse zu Krankenkasse verschieden. „Wir dürfen nicht klagen, immerhin hat uns die Bundesregierung erst zum Jahresbeginn 2013 das Fixhonorar von 8,15 auf 8,35 Euro erhöht, die erste Anpassung nach acht Jahren“, so Wesemann mit einem Hauch von Galgenhumor. „Von diesem Betrag müssen wir Apotheker jedoch den Krankenkassen pro abgegebener Packung noch einen Abschlag von 2,05 Euro geben.“

    „Die Bevölkerung hat immer eine Notdienst habende Apotheke in der Nähe.“

    Den Bereich Gemünden bezeichnet Apothekerin Wesemann als „Oase“

    Der Aufwand bei den Landapotheken ist enorm. Um den gewünschten Service für ihre Kunden beizubehalten, hat Landapothekerin Wesemann fünf Pharmazeutisch Technische Assistentinnen beschäftigt. Diese teilen sich drei Vollzeitstellen. Ist sie mit ihrer Burg-Apotheke mit dem eine Woche dauernden Notdienst dran, wird Wesemann schnell zur „Einzelkämpferin“. „Sieben Tage lang rund um die Uhr“, lautet dann ihr „Dienstplan“. Einen weiteren Apotheker kann sie sich nicht leisten. Somit sind die Inhaber schon aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, den Notdienst, wie auch den Dienst während der täglichen Öffnungszeiten zu übernehmen.

    „Die Bevölkerung hat immer eine Notdienst habende Apotheke in der Nähe“, betont Wesemann. Im Dienstbereich Gemünden teilen sich wochenweise „Alte-Apotheke“, „Stadt-Apotheke“, „Markt-Apotheke“, Spessart-Apotheke“, „Rathaus-Apotheke“ (Burgsinn) und „Burg-Apotheke“ (Gössenheim) den Notdienst. Die Burg-Apothekerin bezeichnet den Dienstbereich Gemünden als „richtige Notdienst-Oase“. Die Bevölkerung der umliegenden Dienstkreise müsse unter Umständen längere Wege in Kauf nehmen, um nachts oder an Sonn- und Feiertagen ein dringend benötigtes Medikament zu erhalten.

    Nach den zahlreichen Protesten der Apotheker in den vergangenen Wochen zeigt sich „ein Lichtstreif am Horizont“: Die Bundesregierung will die Landapotheken stärken. Hier hat sich besonders der Freistaat Bayern für eine höhere Nacht- und Notdienstpauschale eingesetzt. Aus Sicht des Bayerischen Gesundheitsministers Marcel Huber kann die Notdienstpauschale dazu beitragen, die Landapotheken zu erhalten.

    „Das hilft den gefährlichen Trend der Apothekenschließungen auf dem Land vorerst zu stoppen“, hofft Therese Luise Wesemann auf eine längerfristige Lösung und nicht nur auf den berühmten „Tropfen auf den heißen Stein“. Denn, wenn sie sich in einigen Jahren zur Ruhe setzt, soll die Versorgung der Bevölkerung in der Region auch weiterhin, dann mit einem Nachfolger, sichergestellt sein.

    Beruf Apotheker

    Apotheker zählen wie Ärzte, Architekten und Rechtsanwälte in Deutschland zu den klassischen „freien Berufen“. Aktuell absolvieren angehende Apotheker ein vierjähriges Studium mit einer umfassenden Ausbildung in Arzneimittel, Arzneimittelherstellung, Arzneimittelprüfung und hinsichtlich der Wirkungen von Arzneimitteln.

    Die gesetzliche Grundlage der pharmazeutischen Ausbildung in Deutschland bilden die Bundes-Apothekerordnung und die Approbationsordnung für Apotheker. Die Ausbildung beginnt mit dem Studium der Pharmazie an einer Universität. Es folgt das Praktische Jahr in einer Apotheke. Nach dem Ablegen des dritten Staatsexamens kann die Approbation beantragt werden, die zur Berufsausübung berechtigt und nicht von der Apothekerkammer, sondern von der jeweils zuständigen staatlichen Stelle erteilt wird.

    Der Frauenteil unter den Studierenden ist hoch. Er beträgt im Durchschnitt über 70 Prozent. HN

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