Es heißt ja immer, um einen Menschen richtig kennenzulernen, müsse man erstmal eine Zeitlang mit ihm zusammen wohnen oder gemeinsam reisen. Das ist sicher nicht falsch.
Ich erinnere mich noch immer mit großem Unverständnis an den Schulfreund, mit dem ich zur geplanten Nach-dem-Abi-Dauerparty eine Woche lang an die Costa Brava reiste. Und da stellte der sich doch tatsächlich jeden Morgen (!) um 8 Uhr (!!) den Wecker (!!!), um nicht das Frühstücksbuffet in unserem Hotel der untersten Kategorie zu verpassen. "Dafür haben wir ja bezahlt", erklärte er mir besonnen. Ich persönlich hatte in erster Linie für die Möglichkeit eines Betts zum Ausschlafen bezahlt. Aber gut. Die Erinnerung behagt meinem Blutdruck nicht.
Nun erweist es sich aber, dass wir auch in Zeiten größtmöglichen Social distancings einiges über unsere Mitmenschen erfahren. Damit meine ich nicht, dass der ein oder andere unscheinbare Zeitgenosse sich in den sozialen Medien plötzlich als kundiger Hobby-Virologe, gewiefter Politik-Analytiker und Geheimagent zugleich entpuppt. Nicht wenige dieser vielfach Begabten haben es im Handstreich eines einzigen Facebook-Posts geschafft, Gates, Grippe und Grundgesetz auf eine Art und Weise miteinander zu verquirlen, die nur einen Schluss zulässt: Xavier Naidoo.
Sicher, das ist erschreckend, aber an dieser Stelle soll es vorrangig um Amüsement gehen. Deshalb widmen wir uns den in Home-Office-Zeiten beliebten Video- oder Telefonkonferenzen. Allerliebst, wenn während des Video-Calls ein Bild ins Kind springt und all unsere Bemühungen um Seriosität zunichte macht.
Aber genau um derartiges zu vermeiden, haben die schlauen führenden Köpfe der Main-Post in Main-Spessart entschieden, vorrangig am Telefon zu konferieren. Und trotzdem gelingt es den Kollegen dabei, Überraschendes zu offenbaren. Der eine Kollege legt sich während der Telefonbesprechungen immer ins Bett. Klingt skurril, lässt sich aber erklären. Das Schlafzimmer ist wohl der einzig abschließbare Raum, in den er sich zurückziehen kann, ohne das Familienleben zu beeinträchtigen.
Der andere Kollege aber legt den Begriff "Home Office" denkbar großzügig aus. Einmal erklärte er die Hintergrundgeräusche während der Telefonkonferenz damit, dass er gerade in der Autowerkstatt warte. Ok, kann vorkommen. Ein andermal meldete sich der gleiche Kollege aus der Auto-Waschstraße, mehrfach schon per Sprechanlage aus dem fahrenden Gefährt. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Jener geschätzte Journalist ist durchaus auch in der Lage, von zuhause aus zu telefonieren. Dumm nur, dass er dann meistens mit der Hand, mit der er nicht das Telefon hält, laut brutzelnde Speisen in der Pfanne wenden muss.
Aber so ist das eben. Zurzeit hat jeder Opfer zu bringen. Der eine muss Naidoo hören, der andere Pfannenbrutzeln. Passt's auf Euch auf!