Icon Menü
Icon Schließen schliessen
Startseite
Icon Pfeil nach unten
Main-Spessart
Icon Pfeil nach unten
Lohr
Icon Pfeil nach unten

Lohr: "Gott straft Menschen nicht"

Lohr

"Gott straft Menschen nicht"

    • |
    • |
    Pfarrer Sven Johannsen mit der Homo-memento-mori-Fahne in St. Michael. Sie soll laut Johannsen nicht Weltuntergangsstimmung verbreiten, sondern daran erinnern, dass viele Generationen ihr Vertrauen und ihre Hoffnung aus dem Glauben an Gott geschöpft haben.
    Pfarrer Sven Johannsen mit der Homo-memento-mori-Fahne in St. Michael. Sie soll laut Johannsen nicht Weltuntergangsstimmung verbreiten, sondern daran erinnern, dass viele Generationen ihr Vertrauen und ihre Hoffnung aus dem Glauben an Gott geschöpft haben. Foto: Lena Schaiger

    In Lohr erinnert jedes Jahr am 16. August die Rochus-Prozession daran, dass Covid-19 nicht die erste Seuche ist, die die Menschheit befällt. Im Jahr 1666 versprachen die Lohrer angesichts der herannahenden Pest jedes Jahr am Todestag des heiligen Rochus zur Valentinuskapelle zu wallen und eine Messe zu halten, wenn sie vom schwarzen Tod verschont blieben.

    Über Seuchen in der Kirchengeschichte und die heutige Sicht haben wir mit dem Lohrer Pfarrer Sven Johannsen gesprochen.

    Herr Pfarrer, welche Rolle spielen Seuchen in der Kirchengeschichte?

    Wenn wir in die Bibel schauen, finden wir die zehn Plagen als Leiderfahrung. Dort im Alten Testament wird sie als Strafe Gottes erfahren, weil die Ägypter, der Pharao, sich nicht an das Wort Gottes halten. Oftmals werden die Plagen als Strafe Gottes gesehen, weil die Menschen es sich nicht anders erklären konnten. Auch der Name Engelsburg für das ursprünglich als Mausoleum für Kaiser Hadrian errichtete und später von einigen Päpsten als Kastell genutzte Bauwerk in Rom geht auf die Pest zurück. Die Figur, die heute noch auf der Burg zu sehen ist, zeigt den Erzengel Michael, wie er das Schwert zurücksteckt als Zeichen für das Ende der Pest, das Ende der Strafe Gottes. Für die Menschen waren Seuchen unfassbar – anders als Krieg.

    Haben die Lohrer demnach ein Pestgelübde abgelegt, weil sie nicht bestraft wurden?

    Ja, aus Dank haben sie gelobt.

    Angesichts der Corona-Pandemie, kommen wieder Sätze auf wie "Wenn's den Menschen zu wohl wird, schickt Gott eine Plage2. Was halten Sie von solchen Auffassungen?

    Wir haben eine andere Sicht. Wir können die Ursache erklären – hygienische Gründe zum Beispiel. Ich halte nichts von Verschwörungstheorien. Eine geistliche Ursachenerklärung verbietet sich. Das wäre ein grausames Gottesbild. Gott will, dass wir ein Leben in Fülle haben. Gott straft die Menschen nicht. Was der Mensch spürt, ist, dass er nicht Ursprung des Lebens ist und nicht Garant des Lebens. Er spürt, dass er angreifbar und zerbrechlich ist.

    Ist das der Bogen, den Sie mit dem Aufstellen der Homo-memento-mori-Fahne in der Kirche spannen? "Mensch, gedenke des Todes" lautet die Aufschrift übersetzt.

    Es geht darum, dass wir demütiger werden im Blick auf unsere menschlichen Möglichkeiten. Der Mensch wäre vermessen, wenn er glaubte, er habe alles im Griff. Die Schöpfung ist zerbrechlich. Dafür Verantwortung zu übernehmen, darum geht es auch Papst Franziskus in der Enzyklika "Laudato si'".

    Wie wirkt sich die Pandemie auf das Leben in der Pfarreiengemeinschaft aus, abgesehen davon, dass keine öffentlichen Gottesdienste gefeiert werden dürfen?

    Wir sind auch davon betroffen, dass das öffentliche Leben zurückgefahren ist. Ich mache mir Sorgen um die Menschen, die dadurch keine sozialen Kontakte mehr haben. Hier müssen wir neue Wege gehen. Ein Beispiel sind die Gottesdienste und Tagesimpulse auf YouTube, dem Videokanal im Internet. Wichtig ist, dass sich die Senioren untereinander anrufen. Auch von der Pfarrei bieten wir Telefongespräche an. Wir haben Potenzial, neue, kreative Wege zu gehen. Das, was wir jetzt aufbauen, wird über den 20 April hinaus Bestand haben. Wir müssen den Menschen zeigen: Wir sind für sie da. Auch wer offline ist, soll unsere Angebote nutzen können. Alle Informationen, die Impulse gibt es als PDF. Nachbarn oder Angehörige können sie herunterladen, ausdrucken und weitergeben. In Sackenbach haben wir Ehrenamtliche, die das übernehmen. Ich erlebe jetzt schon eine große Solidarität. Wichtig ist, nicht zu verzweifeln, keine Panik aufkommen zu lassen. Ich will aber nicht verschweigen, dass es wehgetan hat, die Karfreitagsprozession abzusagen. Die Erstkommunion abzusagen und Kinder zu enttäuschen – das war eine meiner schwierigsten Mails.

    Welche Chancen sehen Sie für die Gesellschaft durch die aktuelle Krise?

    Ich glaube nicht, dass die Menschen gläubiger werden. Aber ich hoffe, dass sie verantwortlicher und achtsamer werden, dass sie begreifen, dass alles mit allem zusammenhängt. Das Virus trifft nicht nur China, nicht nur Italien, sondern alle. Das gilt auch für die Umwelt, für die Schöpfung. Unser Tun hat Konsequenzen.

    Wird es, wenn wir Covid-19 überstanden haben, neue Gelübde geben?

    Das Gelübde der Rochusprozession wurde ja von der Stadt Lohr gemacht. Ich will den Stadtvätern und -müttern da keine Vorschriften machen, zeige mich aber offen für die Idee und werde sie gerne aufnehmen. Bis dahin wird die Erfahrung unserer Tage sicher mit der jährlichen Rochusprozession verbunden, auch über 2020 hinaus. Da wird die Tradition erweitert. Zur Zeit wird vor dem Segen für die Stadt am Sonntagnachmittag die Fürsprache des Heiligen Rochus in besonderer Weise angerufen.

    Mitmachaktion und HilfeWie Pfarrer Sven Johannsen mitteilt, hat die Pfarreiengemeinschaft "12 Apostel am Tor zum Spessart" eine Whatsapp-Gruppe gebildet, in der Tagesgedanken, Informationen und Links gesendet werden. Sie werde schon rege genutzt. Wer sich einbinden lassen möchte, kann eine Nachricht an Pfarrer Johannsen senden unter Tel.: (0157) 52428750 oder per E-Mail an sven.johannsen@bistum-wuerzburg.de. Wer Hilfe braucht oder ein Gespräch, meldet sich bei Sabrina Peper unter Tel.: (09352) 875061. Die Sozialpädagogin koordiniert die Hilfsaktion.Der Youtube-Kanal der Pfarreiengemeinschaft ist unter PG 12 Apostel, Lohr am Main zu finden.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden