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GEMÜNDEN/WERNFELD: Grabsteine sind nicht mehr gefragt

GEMÜNDEN/WERNFELD

Grabsteine sind nicht mehr gefragt

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    Friedhöfe im Wandel: Kleine Urnengräber mit Stelen oder Platten lösen immer mehr große Gräber mit aufwendigen Grabsteinen ab. Als Grabschmuck beliebt sind zurzeit Engel – auch in Form von Putten mit Köchern voller Liebespfeile.
    Friedhöfe im Wandel: Kleine Urnengräber mit Stelen oder Platten lösen immer mehr große Gräber mit aufwendigen Grabsteinen ab. Als Grabschmuck beliebt sind zurzeit Engel – auch in Form von Putten mit Köchern voller Liebespfeile. Foto: Foto: Björn Kohlhepp

    Der Markt für Grabsteine ist in den letzten Jahren massiv eingebrochen. Die Menschen lassen ihre Toten oder sich selbst immer häufiger in Urnen bestatten. In Gemünden sind mittlerweile schon zwei Drittel aller Bestattungen Urnenbeisetzungen. Da braucht es in der Regel keinen Grabstein mehr. Ein Steinmetz aus der Gegend spricht von einem „Kulturverlust“. Welche Grabsteine werden überhaupt noch nachgefragt? Gibt es Trends?

    „Das Geschäft ist total rückläufig“, sagt der Gemündener Steinmetz Reiner Hahn. Von 60 bis 70 Prozent weniger Grabsteinen im Raum Gemünden in den vergangenen sechs, sieben Jahren berichtet seine Frau Gisela. Denn für ein Urnengrab reicht eine Stele, eine Platte oder ein kleiner Liegestein.

    Ein Steinmetzkollege von Hahn, der nicht namentlich genannt werden möchte, sieht die Lage noch dramatischer: „Rückläufig ist geschönt.“ Vor 20 Jahren habe er 70 Prozent seines Geschäfts mit Grabsteinen gemacht, inzwischen seien es noch fünf. Er verstehe, dass Urnen für Bestatter die „weitaus elegantere Lösung“ seien und für die Angehörigen billiger. Aber in seinen Augen sind eine „Entsorgungsmentalität“ und ein „Kulturverlust“ zu beobachten. Dabei sei zu allen Zeiten der Totenkult wesentlich gewesen.

    Der Steinmetz gibt auch den Kommunen eine Mitschuld, weil die versuchten, bei Friedhöfen kostendeckend zu arbeiten, was nicht hinhaue. Zum einen sehe man auf Friedhöfen heute – anders als etwa auf dem alten Friedhof in Lohr – „keinen Baum, keinen Strauch, kein Grün, kein Nichts“. Die lieblose Gestaltung schrecke Angehörige ab. Zum anderen erhöhten die Kommunen die Gebühren „exorbitant“, da sie die Friedhofskosten auf immer weniger Gräber aufteilen müssten. Die Kommunen decken nach seiner Ansicht den „Bedarf an Trauerarbeit und -bewältigung“ nicht mehr – „und dann gehen die Leute zum Psychologen und lassen sich behandeln, weil sie mit der Trauer nicht zurechtkommen“. Er sieht gekaufte anstelle von gepachteten Grabstellen als eine mögliche Lösung an.

    Wer sich heute doch für einen Grabstein entscheidet, der hat andere Vorstellungen als früher, sagt Gisela Hahn. Die Grabsteine sind nicht mehr so aufwendig, die Form ist geradliniger und moderner, manchmal sind die Steine geteilt. Zudem seien heute besondere Dinge gefragt, wie Verzierungen mit Swarovski-Steinen, Schattenbilder und – vor allem bei Russlanddeutschen – Keramikbilder der Verstorbenen. Auch bei den Inschriften fällt eine Veränderung ins Auge: Waren sie früher oft verschnörkelt und in Gold, sind sie heute schlicht und oft grau.

    Bei Kreuzen und dergleichen am Grabstein sei heute zudem Edelstahl gefragt, so Gisela Hahn – das gelte auch für Grableuchten und Weihwasserkessel, die früher traditionell aus Bronze waren. Figuren seien heute weniger gefragt. Vor zehn Jahren seien Madonnen in gewesen. Heute seien dafür Engel im Kommen.

    Ein Grabstein für ein Familiengrab von zwei auf zwei Metern mit Umfassungen koste ab 4500 Euro, Stein und Umfassung für ein kleineres Grab seien ab 3000 Euro zu haben. 90 Prozent der Grabsteine, die die Hahns verkaufen, sind heute aus Granit. Den Rest machen Muschelkalk, Jura und Sandstein aus.

    Martina Dittmeier, deren Mann den gleichnamigen Natursteinbetrieb in Wernfeld führt, sagt, dass Grabsteine zwar nur ein kleiner Bereich ihres Geschäfts seien. Dafür hätten sie in den letzten Jahren sogar stetig etwas mehr verkauft. Das liege daran, dass sich der Buntsandstein heute imprägnieren lasse und dadurch weniger Patina ansetze. Zum anderen könnte es sein, dass manche Kunden mehr Wert auf einen Grabstein aus heimischem Buntsandstein legen, vermutet Martina Dittmeier.

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