"Wir haben nichts zu verheimlichen, rein gar nichts", sprach einleitend Bürgermeister Karl-Heinz Keller. Kopfschütteln dann beim Vortrag von Diplom-Ingenieur Dieter Ruland vom Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband, seit Jahren ein vom Karlstadt Stadtrat geschätzter Fachgutachter. Seine Ausführungen basierten auch auf dem Sachverständigenergebnis der Landesgewerbeanstalt Würzburg.
1995 wurde der südliche Abschnitt der Hauptstraße dem Verkehr übergeben. Die beauftragte Firma Holzmann, Held & Francke - zwischenzeitlich insolvent und aufgelöst - hatte als Subunternehmer für den Unterbau der Hauptstraße die Karlstadter Bauunternehmung Ehrenfels KG und für die Pflasterarbeiten die Veitshöchheimer Pflasterbau GmbH eingesetzt. Die Bauüberwachung hatte das Ingenieurbüro Niemetz, Hoßfeld und Fischer. Der Vertreter der Stadt Karlstadt an der Baustelle war Diplom-Ingenieur Roland Winter.
Nachdem Anwohner im August 2002 der Stadtverwaltung mitgeteilt hatten, dass die ausgeschriebene Größe mit der tatsächlich angelieferten und verlegten Porphyrsteinstärke nicht übereinstimme und punktuelle Schäden in der Hauptstraße 2003 ausgebessert werden mussten, wurde die Landesgewerbeanstalt zur Prüfung beauftragt. Die LGA bestätigte den Verdacht der Anwohner. Gutachter Dieter Ruland, seit September 2003 mit dem Thema beschäftigt, stellte fest, dass die Firmen nach Fristablauf aus der Gewährleistungspflicht entlassen sind.
Die LGA hat eine Konstruktionshöhe - Pflaster einschließlich Mörtelbett - an mehreren Probestellen mit 27 Zentimetern gemessen. Die Steine sind zwischen neun und 14 Zentimeter stark, im Mittel 11,8 Zentimeter. Das Mörtelbett sollte zwischen fünf und sieben Zentimeter hoch sein, weist aber fast flächendurchgehend zwischen zwölf und 17 Zentimeter auf. Die Pflastersteine wurden in der Stärke zwischen 15 und 20 Zentimetern bestellt, sind aber größtenteils nur bis maximal 14 Zentimeter dick. Die Minderstärke der Steine wurde durch eine höhere Mörtelschicht ausgeglichen, stellte die LGA fest.
Die angelieferten Steine seien damals an der Baustelle "bemustert worden von Ihrem Hause", sagte Ruland Richtung Bürgermeister und Stadtverwaltung. Ob die Abweichungen damals stillschweigend gebilligt wurden, lasse sich nicht mehr nachvollziehen, erklärte Dieter Ruland im Stadtrat. "Es ist etwas an der Baustelle besprochen worden", ist sich der Gutachter sicher.
Fakt ist, dass es keinen schriftlichen Vermerk, keine Aktennotiz über zu geringere Steinstärken noch über das weitere Vorgehen an der Baustelle gibt, nämlich die flacheren Steine durch eine höhere Mörtelschicht auszugleichen. "Die gleichmäßige Stärke des Gesamtaufbaus von 27 Zentimetern spricht für eine konsequente Bauleitung und gegen eine eigenmächtige Planabweichung", führte Ruland weiter aus.
"Spätestens bei der Bauabnahme am 7. Juni 1995 hätte der Unterschied in der Steinstärke festgestellt werden müssen." Eine Auswechslung wäre ein unzumutbarer Aufwand gewesen. Die Stadt habe es damals allerdings versäumt, als Auftraggeber eine Preisanpassung zu verlangen.
Vollends perplex war der Stadtrat über Rulands Feststellung, dass die geringere Steinhöhe nicht die Straßenschäden verursacht haben. Die Ausbesserungsarbeiten 2003 seien der übliche Unterhaltungsaufwand nach zehnjähriger Pflasterbenutzung.
Die LGA geht noch einen Schritt weiter. Sie preist die kleineren Steine und höhere Mörtelschicht als Glück für die Stadt Karlstadt an. Der Reparaturaufwand sei sogar geringer wegen der Kippmomente. Diese "entstehen durch Einwirkungen von Horizontalkräften an die Steinoberfläche" wegen bremsender und beschleunigender Autofahrer. "Die Kippmomente steigen mit größeren Steindicken an." Eine höhere Mörtelschicht sorge für eine bessere Druckverteilung, so Ruland.