Für die Schüler der 5. und 6. Klasse der Mittelschule Karlstadt bot der vergangene Freitag mehrere Höhepunkte. Statt die Schulbank zu drücken, stand bei den Kindern Pizzataschenrollen, Gemüse sortieren und Rasenmähen auf dem Tagesprogramm. Am Projekttag „Schule schwänzen für Senioren“ waren die Kinder von zehn bis zwölf Jahren in Karlstadt und den umliegenden Gemeinden unterwegs, um bei verschiedenen Unternehmen und Privatleuten zu arbeiten.
Die Arbeitgeber zahlten dafür laut Pressemitteilung ein freiwilliges Entgelt. Die Einnahmen wurden im Anschluss an den Projekttag gesammelt und kommen in voller Höhe den Senioren des Alten- und Pflegeheims der Herold-Stiftung in Karlstadt zu Gute. Konrektor Josef Grodel erklärt: „Der Sinn des Projekttags liegt darin, dass sich die Fünft- und Sechstklässler bewusst mit dem Thema ,Leben im Alter' auseinandersetzen. Oft fehlt der Kontakt zu älteren Menschen, da bietet unser Projekt die Chance auf Begegnung.“
Laut Lehrerin Lucia Scholz, deren Schüler die von ihnen verrichteten Tätigkeiten im Arbeit-Wirtschaft-Technik-Unterricht vorstellen müssen, sei schon die eigenständige Suche nach einer Arbeitsstelle eine Herausforderung. „Wir bemühen uns, dass die Schüler auch außerhalb der eigenen vier Wände, eine Arbeit finden. Dafür sind wir auf die Unterstützung der lokalen Unternehmen angewiesen“, so Scholz. Einige Besuche zeigten, dass die Schüler, egal ob im Gastronomie, Landwirtschafts- oder Gewerbebereich von den Arbeitgebern durchaus gefordert wurden.
Schulfrei strengt an
Für Tobias und Thomas Keller ist das nichts Neues. Im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern helfen sie häufig mit – auch am Projekttag. Trotz schulfrei kann von Ausschlafen aber keine Rede sein. „Die Wetterlage entscheidet, wann in der Landwirtschaft Arbeit anfällt“, erklärt Papa Martin Keller. Während sich die älteren Jahrgänge mit Mathe und Deutsch beschäftigten, stehen vor Tobias und Thomas unzählige Eimer voll mit frisch geernteten Kirschen. Die gilt es, nach Qualität zu sortieren.
Im Anschluss bedienen die Jungen eine Maschine, die leere Kartoffelsäcke je nach eingestelltem Gewicht halbautomatisiert befüllt. Es zeigt sich, welches Wissen zu Maschinen, Landwirtschaft und Ernte Tobias und Thomas schon erworben haben.
Anschließend geht es mit dem Transporter hinaus auf die Felder, wo zwischen 15 bis 20 Bodenproben entnommen werden müssen. Wie Martin Keller erklärt, ist dies nötig, um die Qualität und die Mineralienverteilung im Boden zu kontrollieren. Dass dieser aufgrund der Regelfälle völlig matschig ist, ist dabei kein Hindernis. Ausgerüstet mit Gummistiefeln und Watthosen schlagen sich die Jungen in das Weizenfeld. Sicher ist: Tobias und Thomas haben sich ihren Lohn am Ende des Tages redlich verdient.
Drei andere Schüler erfuhren, was es bedeutet, einen Lebensmittelladen zu betreiben. Schon ab 9 Uhr sind Eray Yildrim, Aziz Saglam und Dogan Casbag bei „AHSA-Lebensmittel“ gefordert. Der Tag beginnt mit dem Sortieren verschiedener, teilweise außergewöhnlicher Gemüse- und Obstsorten und geht über das Entsorgen leerer Pappkartons bis hin zum Reinigen von Fenstern und Kühlfächern. „Hygiene ist hier ein wichtiges Thema“, erklärt Dogan Casbag.
In der Mittagspause erzählen die drei Jungen, dass sie besonders von den übergroßen Melonen, die am Morgen geliefert wurden, beeindruckt waren. „Dass in einem solchen Laden am Ende alles am richtigen Platz ist, erfordert eine Menge Vorarbeit“, führt Eray Yildrim aus.
Ebenfalls mit Lebensmittel beschäftigten sich Aleyna Gürbüz und Zahide Yalein. Da sie gern Pizza essen, entschieden sie sich, ihren Projekttag bei „Pizza & Co“ in Karlstadt zu verbringen. Mit Kizildag Pervin stand ihnen eine Kollegin an der Seite, die auf die Einhaltung der Hygienerichtlinien achtete. „Wir mussten stets eine Schürze tragen und die Haare zu einem Zopf zusammen binden. Ohne Handschuhe durften wir nicht mit den Lebensmitteln in Berührung kommen“, so Aleyna.
Damit die Jugendlichen der umliegenden Schulen pünktlich in den Pausen etwas zum Essen bekommen, müssen sich die beiden sputen. Es muss Pizza gebacken, sowie Börek, türkische Gemüserollen, vorbereitet werden. Also nichts wie ran an die Nudelmaschine, um den Teig gleichmäßig auszurollen. Nachdem die Pizzataschen frittiert wurden – bevor sie in den Verkauf kommen – müssen diese natürlich probiert werden.
Auch wenn die Interessenslage der beiden momentan eher in Richtung Polizei- und Friseurausbildung geht, könnten sie sich gut vorstellen, auf der Suche nach einem Ferienjob wieder bei Pizza & Co vorbeizuschauen.