In den Anfangszeiten der Fliegerei waren die tollkühnen Männer in ihren fliegenden Kisten umjubelte Helden. Vor 99 Jahren fanden sich in Würzburg beispielsweise Tausende Schaulustige ein, als Leutnant Erich Ludwig Henneberger vom Flugplatz am heutigen Hubland startete, um am Main entlang nach Aschaffenburg zu fliegen. Auf die Spuren dieses Flugpioniers hat sich nun der Gemündener Hans Kraus gemacht, da seine Frau Cilli eine geborene Henneberger aus Randersacker ist – von dort stammen auch die Vorfahren des Leutnants Henneberger.
Kraus ist nicht nur als Vorsitzender des Seniorenbeirats der Stadt Gemünden aktiv. Der langjährige Kirchenpfleger von St. Peter und Paul widmet sich außer seinen Hobbys Reisen und Malen auch der Familienforschung. Er hat die Herkunft seiner Ahnen erforscht und die der Familie seiner Frau Cilli. Dabei stieß Kraus immer wieder auf interessante Lebensläufe und Geschichten, wie die Tagebuchaufzeichnungen des Michael Joseph Henneberger zu einer abenteuerlichen Spessartüberquerung im Jahr 1818, über die wir vor einem Jahr berichteten.
Derzeit widmet Kraus seine Aufmerksamkeit dem bemerkenswerten Flugpionier Erich Ludwig Henneberger, der in Germersheim, in der damals bayerischen Pfalz aufwuchs. Dessen Großvater Georg-Adam Henneberger stammte aus Randersacker und war in jungen Jahren auf der Walz in Germersheim hängen geblieben und hatte dort eine Familie gegründet.
Sein Enkel Leutnant Henneberger war wahrscheinlich der erste Militärflieger, der auf dem Flugplatz am Galgenberg in Würzburg landete. Kraus hat persönliche Originalunterlagen, zeitgenössische Zeitungsartikel und Telegramme, aus denen das hervorgeht. Henneberger vom 1. Bayerischen Artilleriefußregiment war am 31. Juli 1913 mit einem zweisitzigen „Otto-Doppeldecker, Nr. 96“ von der „Fliegerstation München-Schleißheim“ kommend nach Würzburg geflogen und schließlich auf dem Flugplatz gelandet. Der wurde wegen des dortigen Schießplatzes auch Kugelfang genannt.
Sein Begleiter als Beobachtungsoffizier war ein Oberleutnant Mayr vom 1. Infanterieregiment. In dem um 9.05 Uhr aufgegebenen Telegramm an seine Mutter in Germersheim schrieb Henneberger: „Schleißheim – Würzburg, 2 Std. 53 Min. 1800 m Höhe. Gruß Erich“. Zweck dieser im Sommer 1913 vermehrten Aktivität der Militärflieger war die Suche nach geeigneten Flugstützpunkten für die im Aufbau befindliche bayerische Fliegertruppe. Das erste Fliegerbataillon wurde am 1. Oktober 1913 in Schleißheim gegründet. Demnach müsste Henneberger der erste Militärpilot gewesen sein, der in Würzburg gelandet war. In anderen Quellen zur Würzburger Stadtgeschichte wird als erste Landung eines Militärflugzeugs bisher der 30. Oktober desselben Jahres genannt, stellt Kraus fest.
Wie aus den zeitgenössischen Presseberichten hervorgeht, kreiste der Doppeldecker kurz vor 8 Uhr in „beträchtlicher Höhe“ über Würzburg und „landete nach wunderbarem Gleitflug glatt in nächster Nähe des Lendnerschen Flugzeugschuppens“. Der Würzburger Flugpionier Leo Lendner war wenige Wochen zuvor, am 8. Juli, nach einem Schauflug am Kilianifest bei der Landung am Galgenberg zusammen mit seinem Partner Albert Sénard aus Bordeaux tödlich verunglückt.
Welche Aufmerksamkeit den Flugpionieren entgegengebracht wurde, lässt sich aus den weiteren Zeilen der Zeitungsartikel schließen: „Herr Dr. Kittel als Vorstand des Fremdenverkehrsvereins geleitete die beiden Flieger im Auto in die Stadt. Der Kugelfang war bald das Ziel vieler Neugieriger.“
Am Folgetag war zu lesen: „Zur Abfahrt der Militärflieger hatte sich am Mittwoch abends gegen 6 Uhr ein vieltausendköpfiges Publikum auf dem Kugelfang eingefunden, die den Flugapparat, dessen Schwanzstück in die Lendersche Flugzeughalle eingeschoben war – für die Tragflächen war die Halle zu klein –, besichtigten. Erst um 1/4 8 Uhr erfolgte nach einem missglückten Startversuch die Abfahrt. Die Flieger zogen zuerst einen Kreis über der Stadt und flogen dann dem Laufe des Maines folgend davon. Um 8 Uhr erfolgte die Landung in Aschaffenburg.“
In der Anfangszeit brachten mutige, technikbegeisterte und dem Abenteuer oft nicht abgeneigte Menschen mit unausgereiften Konstruktionen und Motoren vorwärts. Den Geist des technischen Aufbruchs dokumentieren auch die Nebensätze in den Berichten über das Ereignis, beispielsweise dass die Fliegeroffiziere im Automobil in die Stadt fuhren oder damit das Manövergelände in Aschaffenburg inspizierten – zu einer Zeit, als Kaiser Wilhelm und der Großteil seiner Offiziere noch hoch zu Ross paradierten.
Viele der Tüftler und Pioniere aus den ersten Tagen der sich rasant entwickelnden Fliegerei bezahlten ihren Forscherdrang und die Faszination und Herausforderung, außer Wasser, Feuer und Erde auch das vierte Element Luft zu beherrschen, mit dem Leben – ein Schicksal, das später auch Erich Henneberger ereilen sollte.
Otto-Doppeldecker
Hennebergers Flugzeug wurde in der 1909 gegründeten Firma „Aeroplanbau Otto-Alberti, die nach dem Ausstieg des Teilhabers Alberti ab 1911 als „Gustav Otto Flugmaschinenwerke“ firmierte, am Münchner Oberwiesenfeld gebaut. Das damalige Exerziergelände durfte der luftfahrtbegeisterte Gustav Otto auch als Flugplatz nutzen. Er belieferte die Königlich Bayerische Fliegertruppe mit seinen Flugzeugen, die, wie zunächst militärisch üblich, hauptsächlich für Aufklärungszwecke und Beobachtungen vorgesehen waren.
Der 170 Kilo schwere Reihenmotor der Firma Daimler hatte acht Liter Hubraum und 100 PS Leistung, war mit einem Druckpropeller ausgestattet und stand frei hinter den beiden Sitzen des Otto-Doppeldeckers. Damit konnte man etwa 120 Stundenkilometern erreichen. Die Otto-Doppeldecker wurden kurzzeitig später auch in den Pfalz-Flugzeugwerken, im damals bayerischen Speyer gebaut. Das Flugzeug war bis 1914 Standardflugzeug der jungen bayerischen Fliegertruppe, erwies sich aber aufgrund der rasanten Entwicklung im Kriegseinsatz als zu schwach. Es wurde schließlich nur noch zu Schulungszwecken verwendet.
1915 stellte das Unternehmen in München den Flugzeugbau ein. In den Pfalz-Werken wurden bis Kriegsende 1918 in größerer Stückzahl andere Typen produziert. Quelle: Wikipedia