Sie ist in ihrem bewegten Leben viel gereist und weit herumgekommen: Dorothea Olbrich, die an diesem Samstag in Lohr ihren 90. Geburtstag begehen kann. Corona-bedingt feiern kann sie zunächst nur mit ihren Söhnen Hans-Joachim, Hubertus und Hartmut und mit ihrer Enkeltochter. Sobald Feiern wieder richtig möglich sind, will sie ihre Freunde zusammenrufen und ihr Fest nachholen.
Die Frau des im Dezember 1998 verstorbenen Amtstierarztes Franz Olbrich hat danach nicht die Hände in den Schoß gelegt. Sie strickt und liest gern und verfasst in ihrer gestochen schönen Schrift Briefe, spielt Karten, hört klassische Musik und erledigt nebenbei "ein bisschen Haushalt".
Geheiratet in Minden
In die Altstadt waren die Olbrichs, die sich auf dem Würzburger Bahnhof kennengelernt und im Mai 1957 in Minden geheiratet hatten, 1997 gezogen. Geboren wurde die Tochter eines leitenden Beamten des Reichsbahnbeschaffungsamts am 29. Mai 1931 in Halle an der Saale, fünf Jahre nach ihrem Bruder.
Die häufigen Versetzungen ihres Vaters und der Krieg verursachten viele Ortswechsel. In Paderborn und Berlin ging sie zur Schule. Wegen der schweren Luftangriffe 1943 wich die Familie in die schlesische Heimat der Mutter aus. Sie floh im Januar 1945 nach Dresden und überlebte dort einen Monat später den schwersten Luftangriff. Über die Tschechei führte der Weg schließlich nach Deggendorf. Dort erlebte sie ein Jahr ohne Schulunterricht, hegte Tabakpflanzen in einer Gärtnerei für Obst und Gemüse und lernte bei den Englischen Fräulein Stenografie und Maschinenschreiben. Schulbücher gab es damals nicht, nicht einmal Papier.
Als der Vater zum Bundesbahnzentralamt kam, zog die Familie nach Minden in Westfalen. Dem Abitur 1951 folgten eine Ausbildung zur Gewerbelehrerin und ein Studium in Köln. Dort hängte die Jubilarin an der Sporthochschule eine Zusatzausbildung an. 1957 heiratete sie den Tierarzt Franz Olbrich. Sie übernahm das Büro, in dem das Telefon ständig besetzt sein musste. Die junge Ehefrau bekam rasch Probleme mit dem fränkischen Dialekt und den bäuerlichen Ausdrücken für Tierkrankheiten zu spüren.
Zuversichtlich und voll Gottvertrauen geht Dorothea, geb. Achtelik, ins neue Lebensjahrzehnt. Für sie war Lohr "der erste Ort, an dem ich richtig sesshaft wurde", verriet sie im Gespräch. Bei der ersten Besichtigung habe es "so wunderbar nach Brot gerochen aus den vielen Bäckereien in der Lohrer Hauptstraße".
Ende der 1960er Jahre bauten die Olbrichs ein Haus am Fuß des Beilsteins. Pfarrer Karl Boyer holte Dorothea Olbrich erst in die Kirchenverwaltung und später in den Pfarrgemeinderat. Der Aktion für die Rettung des Kreissitzes Lohr stellte sie sich als Kassiererin zur Verfügung und kandierte für die Main-Spessart-Union um einen Sitz im Lohrer Stadtrat.
Laienrichterin am Amtsgericht
Nebenberuflich lehrte sie ein Jahr in der Realschule und gab einige Jahre Hauswirtschaft, wirkte acht Jahre als Laienrichterin am Amtsgericht Gemünden und war Lektorin in St. Michael. Zurückblicken kann sie auf viele Jahre Mitarbeit im Dritte-Welt-Laden in Lohr. Sie bastelte für den Wohltätigkeitsverein "Goldenes Herz" und hat "unheimlich viel getan" für den 1984 gegründeten Kreis der Lohrer Hausfrauen, sagt deren Sprecherin Adele Hauck. Mit gesammelt hat Olbrich dafür alljährlich in der Altstadt und auf den Main-Spessart-Ausstellungen.
Fazit der putzmunteren und strahlenden Kunstgeschichtsfreundin Dorothea Olbrich: "Hier zu leben war mir immer eine Freude."