Wie mögen Lohrer ihre Bratwurst? Ganz klar, sie wollen Senf dazu. Aber nicht alle: „Die Jüngeren wollen Ketchup“, sagt Karin Greser. Läden schließen, andere machen auf, Häuser werden renoviert. Das Lohrer Stadtbild ist in ständiger Veränderung begriffen. Seit über 25 Jahren gibt es am Marktplatz eine Konstante: den „Spezialitäten-Imbiss Karin“. Doch wie lange noch? „Ich will so langsam in Rente gehen“, sagt die 64-jährige Inhaberin Greser. Sie möchte den mobilen Imbiss neben dem Kupsch verkaufen. Findet sie einen Käufer, ist sofort Schluss, sagt sie, findet sie keinen, macht sie noch ein Jahr weiter, dann hat sie das Rentenalter erreicht. Kaufinteressenten gibt es einige.
Der Imbiss wirbt mit „echte Thüringer Riesenbratwurst“. Dass das originale Thüringer sind, können Leute aus Thüringen oft nicht glauben, erzählt Karin Greser. „Des sinn keene Thüringer“, habe sie schon oft gehört. Besucher aus Ostdeutschland hätten schon ihre Kunden, die gerade herzhaft in eine Bratwurst bissen, mit ihren Zweifeln an der Herkunft der Würste belästigt, so dass sich Greser gezwungen sah, sie zu vertreiben. Selbstverständlich seien ihre Bratwürste aus Thüringen. Sie lässt sie extra in Meiningen herstellen – und zwar, was Thüringer womöglich irritiert, in einer extra langen Version, die es dort so offenbar nicht gibt.
„Die haben das gegessen wie verrückt.“
Karin Greser über die Lust der Ostdeutschen auf Döner
Früher bot der Imbissstand auch Döner an. Die Inneneinrichtung ist seitdem unverändert: ein jetzt leerer Dönerspieß hängt an der Seite, mehrere längliche Metallbüchsen mit Deckel sind in die Theke eingelassen, aber Dönerzutaten sind da jetzt keine mehr drin, sie sind leer. Eine Mikrowelle, mit der einst das Dönerbrot warm gemacht wurde, ist so an der Wand eingebaut, dass sie sich gar nicht mehr öffnen lässt. Sie wird momentan nicht gebraucht.
1989 machte ihr Mann den Stand als Dönerimbiss auf
Im November 1989 hat der Imbissstand eröffnet. Damals stand er noch vor dem Alten Rathaus, erinnert sich Karin Greser. Ihr erster Mann Sami, ein Türke aus Istanbul, in Lohr einst stadtbekannt, verkaufte dort Döner und Bratwurst. „Schip-Schack“, so der Name damals, war der erste Imbissstand und zugleich der erste Dönerimbiss in Lohr. Der Zeitpunkt der Eröffnung erwies sich als Glücksfall: Ostdeutsche nutzten die neue Freiheit, kamen nach Lohr und ließen sich dort ihren ersten Döner schmecken. „Die haben das gegessen wie verrückt“, erinnert sich Greser.
Ihr Mann, ein „Workaholic“, hatte neben dem Imbissstand die Bahnhofsgaststätte in Lohr und einen Dönerimbiss am Mühltor in Gemünden. „Der hat nur geschafft.“ Das traurige Ende war, dass er 1995, als er sich bei einem Bäcker über schlechte Brötchen aufregte, einen Herzinfarkt erlitt und starb. Seitdem führt Karin Greser den Imbissstand, inzwischen mit ihrem zweiten Mann. Die Bahnhofsgaststätte hatte sie auch noch etwa zehn Jahre lang, erzählt sie.
Immer 14 Tage offen und dann 14 Tage zu
Der mobile Imbissstand, der Pommes, Bratwurst und Currywurst verkauft, hat immer 14 Tage lang um die Mittagszeit geöffnet, dann 14 Tage lang geschlossen – ein Relikt aus Zeiten, als sich der Imbiss mit einem Mitbewerber den Platz teilte. Von der Stadt sei sie auch gefragt worden, ob sie nicht durchgängig öffnen wolle, aber das habe sie aus gesundheitlichen Gründen abgelehnt, erzählt Greser.
Ansonsten habe sie von der Stadt eher Steine in den Weg gelegt bekommen. Der Stand sollte aus der Innenstadt verschwinden, angeblich hätten sich Leute über den Geruch beschwert, was sich als unwahr herausgestellt habe. Am Ende hat der Imbiss doch jedes Jahr wieder eine neue Genehmigung bekommen.
Statt Würzburger jetzt Thüringer Bratwurst
„Es ist ein gut gehendes Geschäft“, sagt sie. Aber: „Hintendran hängt da so viel, was man gar nicht sieht.“ Allein mit Bratwurstbraten sei es nicht getan. Die Bestellung und Buchführung übernimmt ihr zweiter Mann. Früher hatten sie Würzburger Bratwurst, aber aus Qualitätsgründen hätten sie sich dann für die Thüringer Bratwurst entschieden. Ein Bratwurstvertreter hatte verschiedene Würste im Angebot. „Die hat uns am besten geschmeckt.“
Früher hatten sie auch Fischbrötchen im Angebot, die seien mal richtig gut gegangen, aber irgendwann kauften die Lohrer keine fünf Stück mehr am Tag. Dafür verkaufe sich Currywurst heute gut. Zur Hälfte verkaufe sie mittlerweile Bratwurst, zur Hälfte Currywurst. Persönlich, sagt Karin Greser, die seit Kurzem Urgroßmutter ist, sei sie „fei schnöberd“, das heißt, sie esse nicht alles.
Aus ihrem eigenen Sortiment möge sie am liebsten Rindswurst. Ansonsten esse sie auch aus gesundheitlichen Gründen wenig Fleisch.
Schon einige Kaufinteressenten haben sich gemeldet
Die gebürtige Lohrerin, deren Eltern Heimatvertriebene sind, ist gelernte Schneiderin. In der Lohrer Kleiderfabrik Desch habe sie als alleinerziehende Mutter allerdings zu wenig verdient. So wechselte sie in die Küche vom BKH, wo sie, bevor sie den Imbiss übernahm, 14 Jahre lang gearbeitet und den Umgang mit Lebensmitteln gelernt hatte.
Während des Gesprächs mit dem Reporter ist die Klappe des Imbissstands geschlossen, um klarzumachen, dass es nichts mehr gibt. Durch die geöffnete Seitentür schauen trotzdem immer wieder Leute herein, um ein paar Worte mit Karin Greser zu wechseln. Eine Frau mit Kind fragt, wie man sie am besten erreiche, sie habe gehört, dass Greser den Stand verkaufen wolle.
Vor dem Ruhestand graut es Karin auch ein wenig
Vor dem ersehnten Ruhestand graut es ihr auch ein wenig. „Ich bin gern unter Leuten und unterhalte mich gern.“ Daheim werde sie aber auch danach nicht hocken bleiben, sondern etwa ins Café gehen. Auch ihre Kunden hätten schon Bedauern geäußert, dass der Imbissstand bald schließt.