Glücklich hält sie den Pokal in den Händen, einen silbernen Kelch, größer als ihr Kopf. Imke Gutsmann aus Rieneck, 17 Jahre alt, ist Fränkische Junioren-Meisterin im Vielseitigkeitsreiten. Beim Turnier in Obernburg ritt niemand so schnell, sicher und schön wie Imke auf „Great little Girl“.
Die Bilder der Siegerehrung zeigen eine glückliche junge Frau, im Jockeydress mit weißer Hose, blauem Jackett und zwei rot-weißen Schärpen quer über die Brust. Nur eine kleine Narbe an Imkes rechter Wange, ein schmaler roter Strich in Form eines Pferdehufs, verrät, dass sie vor einem Jahr schwer gestürzt ist. Ob es mit dem Reiten weitergeht, wusste damals keiner.
Vielseitigkeitsreiten gilt als gefährlicher Sport. Die Reiter treten in drei Disziplinen an: Dressur, Sprungreiten und Geländeritt. Da passieren die meisten Unfälle. Denn anders als beim Springen sind die Hindernisse im Geländeparcours fest installiert und fallen nicht herunter, wenn ein Pferd sie berührt. Schafft es ein Pferd also einmal nicht über ein Hindernis, bleibt es hängen und stürzt. Imke trägt deshalb immer zwei Sicherheitswesten. Eine von ihnen ist eine Airbagweste, die sich bei einem Sturz innerhalb von Sekunden aufbläst.
Nach Sturz ins Krankenhaus
Und trotzdem passierte am Tag vor Imkes 17. Geburtstag ein schwerer Unfall. Bei einem Turnier im hessischen Lauterbach fiel Imke vom Pferd und bekam den Huf ihrer Stute ins Gesicht. Imke musste sofort ins Krankenhaus, die Wunde wurde genäht. „Wir wussten damals nicht, ob sie weitermacht“, sagt ihre Mutter Uschi, „ich wollte sie gar nicht mehr aufs Pferd lassen.“ Aber für Imke kam Aufhören nicht in Frage: Die Wunde verheilte, die Teenagerin erholte sich vom Schock, und schon nach drei Wochen ritt sie bei der Fränkischen Meisterschaft mit – im Gesicht ein handtellergroßes weißes Pflaster. Imke Gutsmann wurde Zweite.
In diesem Jahr lief es perfekt: Schon nach der Dressur hatte Imke die Nase vorne, beim Springen und im Gelände konnte sie ihren Vorsprung halten. Der Titel der Fränkischen Junioren-Meisterin ist für sie der Abschluss einer jahrelangen Erfolgsserie: Mit 14 kam sie in den fränkischen Kader und stand bei den fränkischen Meisterschaften auf dem Podest: „Ich mache das aus Überzeugung, das Reiten ist eben mein Leben“, sagt sie.
Und das schon seit über zehn Jahren. Kein Wunder, wie sie selbst sagt, denn die Eltern hatten schon immer Pferde. Vater Uwe war selbst einmal Vielseitigkeitsreiter. Mit drei Jahren bekam auch Imke ihr erstes Pony, Willy. Ihre Beine reichten damals kaum über den Sattel. Reiten sei für sie „irgendwie selbstverständlich“ gewesen, sagt sie. Und bald ritt Imke Turniere. Aber erst, als sie mit zwölf die ersten Preise gewann, habe es sie „richtig gepackt“. Heute ist Imke ist täglich mindestens drei Stunden im Stall und trainiert mit „Great little Girl“ und „Sansibar“, der die Stute einmal ablösen soll.
Zwar versuche sie alles alleine zu machen, aber manchmal müssten doch die Eltern helfen. Dazu kommt Imkes Ausdauersport. „Nur mit Reiten bekomme ich nicht die Kondition, die ich brauche“, sagt die Gymnasiastin. Also geht sie noch joggen, Schwimmen und Inlineskaten.
Im Wohnwagen zum Turnier
Im Sommer fährt Imke alle zwei Wochen zu einem Turnier. Weil die Wettbewerbe meist drei Tage dauern, reisen die Gutsmanns gemeinsam mit dem Wohnwagen an. „Wie eine Familie“ sei die kleine Gemeinschaft der Vielseitigkeitsreiter, sagt Imke und schwärmt von Wochenenden auf dem Campingplatz mit abendlichen Feiern der Jugendlichen. Sie selbst habe fast nur Reiterfreunde. Aber selbst Bruder Jan, der einzige Gutmann, der nichts mit Pferden am Hut hat, hat Freunde gefunden.
Der Pokal der Fränkischen Meisterschaft steht jetzt auf einem Regal im Wohnzimmer der Gutsmanns. Daneben, etwas kleiner, steht der Wanderpokal „Fürst Albrecht zu Castell-Castell“. Imke hat ihn gerade inne. Der Name „Gutsmann“ ist schon einmal darauf eingraviert: 1999 ging die Trophäe an Imkes Vater Uwe.
Vielseitigkeitsreiten
Die Kombinationssportart Vielseitigkeitsreiten besteht aus den Disziplinen Dressur, Springreiten und Geländeritt. Außerdem gehört eine Verfassungsprüfung zum Wettbewerb, bei der geprüft wird, ob das Pferd unverletzt und gesund ist. Die Sportart hat einen militärischen Ursprung.
In der Kritik steht das Vielseitigkeitsreiten, weil es immer wieder Unfälle, darunter schwere, zum Teil tödliche Unfälle, gab. Bei den Deutschen Meisterschaften 2007 kam die damals 32-jährige Tina Richter-Vietor bei einem Sturz ums Leben. Das Turnier wurde abgebrochen.