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HAMMELBURG: Immer mehr verlassen die Gemeinschaft

HAMMELBURG

Immer mehr verlassen die Gemeinschaft

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    Austritt: Immer mehr Menschen kehren den Kirchen den Rücken, wie diese nachgestellte Szene symbolisiert.Wagner/dpa
    Austritt: Immer mehr Menschen kehren den Kirchen den Rücken, wie diese nachgestellte Szene symbolisiert.Wagner/dpa Foto: Foto:

    Deutschlandweit hat die katholische Kirche im Jahr 2010 seit langer Zeit erstmals mehr Kirchenaustritte als Taufen zu verzeichnen. Besonders stark wurden die bayerischen Bistümer von den Austritten gebeutelt. Um bis zu 70 Prozent sind die Zahlen hier in die Höhe geschnellt. Auch vor Hammelburg und Umgebung machte die Tendenz zu mehr Kirchenaustritten keinen Halt.

    „Die Berichterstattung über die Missbrauchsfälle hat sicherlich dazu geführt, dass mehr Menschen aus der Kirche ausgetreten sind“, sagt Dekan Erich Sauer (Fuchsstadt) auf Nachfrage der Main-Post. Dies sei allerdings nur der Endpunkt einer schon bestehenden Kirchenferne.

    Die sexuellen Übergriffe von Priestern haben auch den 28-jährigen Krankenpfleger Dominik Rennert in seinem Entschluss bestärkt, aus der Kirche auszutreten. Allerdings, das räumt er ein, habe er bereits zuvor eher schlecht über die Kirche gedacht.

    Missbrauchsfälle als Anlass

    „Die Leute haben die Missbrauchsfälle als Aufhänger genommen, um den Kirchenaustritt mit ihrem Gewissen vereinbaren zu können“, sagt Sauer. So sieht es auch Reinhard Beichel von der Initiative „Kirche in Bewegung“ in Hammelburg. „Die Zuwiderhandlungen haben die Unzufriedenheit mit der Kirche erst so richtig hochgespült. Die Kirche verliert durch die Vorfälle total an Glaubwürdigkeit.“ Jeder habe sich seinen Glauben mittlerweile so zurechtgelegt, wie er ihn brauche.

    Die Statistiken der Standesämter von Hammelburg und Umgebung belegen den signifikanten Anstieg der Kirchenaustritte. Vor allem die Standesämter in Hammelburg und Euerdorf hatten im Jahr 2010 deutlich mehr Abgänger zu verzeichnen als in den Jahren davor. In Hammelburg waren es 54 Austritte im Jahr 2010, 33 waren es im Jahr davor. In Euerdorf traten 2010 gar dreimal so viele Menschen aus der Kirche aus wie 2009. Bereits im August 2011 hat man die Gesamtzahl von 2009 erreicht. Auch beim Standesamt Elfershausen gab es 2010 mehr Kirchenaustritte als 2009. Die Zahl stieg von 16 auf 19 Austritte an. In Oberthulba war dagegen kein Anstieg zu vermelden.

    In Hammelburg bewogen auch die Entwicklungen um den einstigen Pfarrer Michael Sell einige Kirchenmitglieder zum Austritt. Der Fall Sell sei ein Initialpunkt gewesen, so Beichel. Von „Kirche in Bewegung“ sind laut Beichel allerdings nur drei Mitglieder ausgetreten. Auch wenn die Kirchenaustreter nicht nach ihren Beweggründen gefragt werden, gaben doch einige an, dass ihr Entschluss entweder von der Suspendierung von Pfarrer Michael Sell oder der sexuellen Übergriffe herrühre, heißt es im Hammelburger Standesamt.

    Finanzielle Erleichterungen

    Für einige, die austreten, spielen finanzielle Erleichterungen eine entscheidende Rolle. In Bayern beträgt die Kirchensteuer acht Prozent der gezahlten Einkommens- und Lohnsteuer. „Seit ich meine erste Lohnabrechnung gesehen habe, ist mir die Kirchensteuer ein Dorn im Auge“, sagt Krankenpfleger Rennert. Ein Ausgetretener, der anonym bleiben möchte, konnte diesen Beweggrund bestätigen: „Ich habe bis zu 1000 Euro Kirchensteuer im Jahr gezahlt.“ Das Geld könne er auch an eine soziale Einrichtung spenden. Gläubig bleibe er deswegen weiterhin.

    Die Einnahmen der Diözese Würzburg bestehen etwa zu 90 Prozent aus der Kirchensteuer. Das sind insgesamt 133 Millionen Euro. Von den Gesamtausgaben fließen gut 50 Prozent in die allgemeine Seelsorge, sprich die Gemeindearbeit. Auf die sozial-caritativen Dienste entfallen mit 20 Millionen knapp 14 Prozent der Aufwendungen. Der Haushalt wird zudem mit 18,7 Millionen Euro durch besondere Seelsorge, zum Beispiel Erwachsenenseelsorge, belastet. Die restlichen Ausgaben entfallen auf gesamtkirchliche Aufgaben sowie Schule, Bildung und Wissenschaft.

    Wenn mehr Kirchensteuer für die Gemeindearbeit vor Ort bliebe, könnten Projekte wie Pfarrzentren viel leichter angegangen werden, meint ein evangelischer Christ, der nach über 50 Jahren aus seiner Kirche ausgetreten ist. Immer mehr Gemeinden müssten zudem auf einen eigenen Pfarrer verzichten. Dennoch hält er Kirche als Institution für wichtig. Vor allem bei ethischen Fragen sei ihre Position unverzichtbar. Deswegen habe er sich die Entscheidung für den Kirchenaustritt nicht leicht gemacht.

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