Niedrigzins, Vollbeschäftigung, knappes Angebot: Diese Faktoren haben dazu geführt, dass der Immobilienmarkt in Lohr derzeit angespannt ist. Die Nachfrage nach Eigentumswohnungen und Häusern ist groß. Das Angebot hält nicht Schritt. Das Ergebnis sind hohe Preise. Ein Zustand, der in gewissen Grenzen auch auf das Umland ausstrahlt und sich nach Einschätzung von Experten wohl so schnell nicht ändern wird.
Zwar stecken in Lohr derzeit einige größere Wohnbauprojekte in der Pipeline, beispielsweise am Valentinusberg, am Aloysianum oder am Brunnenwiesenweg. Doch die Realisierung der zusammen über 100 Wohnungen zieht sich. Der Markt, so die Einschätzung ortsansässiger Makler, dürfte den zusätzlichen Wohnraum ebenso dankbar wie zügig aufnehmen.
Neue Dimension bei Preisen
Allerdings könnte so mancher Kaufinteressent schlucken. Denn die Experten sind sich einig darin, dass die Quadratmeterpreise für Neubauwohnungen in Lohr in Dimensionen vorstoßen werden, die vor wenigen Jahren noch undenkbar waren. »Mit unter 3000 Euro braucht man nicht mehr zu rechnen«, sagt Volker Menz.
Der geschäftsführende Gesellschafter des Lohrer Maklerbüros Klemmer-Immobilien ist über 35 Jahre in der Branche. Vor zehn Jahren, so sagt Menz, sei die Marktsituation nahezu umgekehrt gewesen, also das Angebot recht groß, die Nachfrage eher überschaubar. Nun jedoch sei es andersrum. Die Preise kennen daher laut Menz aktuell nur eine Tendenz: »Nach oben.«
Ein Hauptgrund dafür sind die Niedrigstzinsen. Sie machen die Finanzierung eines Immobilienkaufs erschwinglich. Und es verkauft nur der, der unbedingt muss. Selbst eine schlecht vermietete Immobilie, so Menz, biete eine bessere Rendite als die aktuellen Geldanlagemöglichkeiten.
Und so kommt es, dass im näheren Umkreis von Lohr sowohl bei Eigentumswohnungen, als auch bei Häusern kaum mehr als eine Handvoll an Objekten auf dem öffentlichen Markt sind.
Auflagen bremsen Bautätigkeit
Nach Einschätzung von Menz liegt der Engpass auch an hohen Auflagen, die das Bauen schwer und teuer machten. Behörden legten das Baurecht seiner Meinung nach »zu stringent« aus. Menz sieht aber auch die Kommunen in der Pflicht, neue Baugebiete auszuweisen oder das Bemühen um die Innenortentwicklung zu verstärken. Denn, so der Makler: »Eine Region braucht nicht nur Arbeitsplätze, sondern auch Wohnraum.«
»Es ist richtig Spannung auf dem Markt«, sagt auch Christiane Werthmann von Iser Immobilien über die Situation, die sie so noch nicht erlebt habe. Die Vermarktungsdauer von Immobilien habe sich enorm verkürzt. Zum Teil gebe es bei neuen Objekten »über Nacht 15 Anfragen«, so die 56-Jährige.
Nicht nur die Immobilienpreise seien deutlich gestiegen, sondern auch die Mieten. Über Jahre habe sich der Mietpreis pro Quadratmeter in Lohr meist bei etwas über fünf Euro bewegt. Mittlerweile seien zum Teil 7,50 Euro im Gespräch. Auch im niedrigeren Preissegment habe es einen Schub gegeben, nicht zuletzt durch den Zuzug von Flüchtlingen.
Im Umland stellt sich die Lage laut Werthmann differenziert dar. In abgelegeneren Orten wie beispielsweise Ruppertshütten sei es »nach wie vor schwer« zu verkaufen oder zu vermieten. Für andere Bereiche wie Partenstein oder Frammersbach gebe es eine recht gute Nachfrage auch von Interessenten aus dem Aschaffenburger Raum. Dort könnten sich viele »eine Immobilie fast nicht mehr leisten«, so Werthmann. Da Umweltauflagen neue Baugebiete erschwerten, sehe sie vor allem in den Innenorten »riesiges Potenzial«. Allerdings bräuchte es hier ihrer Meinung nach eine bessere Förderung.
Vieles hängt an Rexroth
Die weitere Entwicklung des Immobilienmarktes sehen die Makler eng an die der Wirtschaft gekoppelt: »Wenn Rexroth hustet, schlägt das sofort auf den Markt durch«, sagt Werthmann. Sie geht jedoch davon aus, dass »das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht ist«. Der Bau der neuen Zentralklinik des Landkreises in Lohr werde zusätzliche Arbeitsplätze in die Stadt bringen, was den Immobilienmarkt vor eine neue Herausforderung stelle.
Bettina David-Müller, seit über 20 Jahren in Sachen Immobilien für die Sparkasse Mainfranken im Landkreis aktiv, nennt noch einen anderen Aspekt: Es gibt einen Trend zur Stadt. Vielen älteren Immobilienbesitzern aus dem Umland wachse das große Haus über den Kopf. David-Müller spricht von einer ihr bekannten »annähernd dreistelligen Zahl« an Menschen, die vom eigenen Haus auf eine altersgerechte Wohnung in der Stadt umsiedeln wollen.
Wenn solche Wohnungen in Lohr vorhanden wären, würde dies nach Aussage der Maklerin zu einer »Win-Win-Situation« führen. Durch den Umzug älterer Menschen in die Stadt würden Häuser im Umland frei. Diese wiederum könnten interessant sein für Familien, die eine eigene Immobilie suchen, sie derzeit jedoch nicht finden.
»Das Interesse an einer eigenen Immobilie war nie höher als jetzt«, sagt David-Müller (47) auch mit Blick auf die Finanzmarktsituation. Viele Objekte gelangten gar nicht auf den öffentlichen Markt, weil bei den Maklern die Listen mit vorgemerkten Kaufinteressenten lang sei und die Vermittlung hinter den Kulissen laufe.
Bei einem der meistgesuchten Sortimente, den Eigentumswohnungen, ist der Markt im Lohrer Raum nach Aussage von Christel Geisler vom gleichnamigen Lohrer Immobilienbüro derzeit jedoch »leer gefegt«. Auch sie nennt als einen Grund dafür die hohen Auflagen für Bauvorhaben. Man müsse sich »wundern, dass es überhaupt noch Bauträger gibt, die noch Geld in die Hand nehmen«, sagt Geisler.
Die starken Rechte von Mietern führten überdies dazu, dass etliche Eigentümer Wohnungen lieber leer stehen lassen, als sich mit einer Vermietung womöglich Ärger einzuhandeln.
Erschließung für 40 Häuser
Immerhin beim Bauland könnte sich in Lohr die Lage in absehbarer Zeit etwas entspannen. Bekanntlich sollen noch in diesem Jahr in Sendelbach im Baugebiet Südlich der Steinfelder Straße die Bagger anrollen, um ein Areal für rund 40 Häuser zu erschließen. Allerdings wird nach Einschätzung der Lohrer Makler der Preistrend auch dort anhalten: Sie rechnen allesamt mit Bauplatzpreisen deutlich jenseits der in Lohr bislang als Spitzenwert geltenden Marke von 200 Euro pro Quadratmeter.
Bodenrichtwert als Anhaltspunkt für Immobilienwerte Als ein Anhaltspunkt bei der Wertermittlung von Immobilien dient der Bodenrichtwert. Er wird bayernweit und im Landkreis Main-Spessart vom am Landratsamt angesiedelten Gutachterausschuss ermittelt. Grundlage sind die gesammelten Daten über die Verkaufserlöse von Immobilien. Der Bodenrichtwert bezieht sich auf einen Quadratmeter unbebauten Boden. Er wird jeweils für genau abgegrenzte Gebiete mit weitgehend gleichen Wertverhältnissen der Immobilien erstellt. Um den Verkehrswert einer bestimmten Immobilie zu ermitteln, sind neben dem Bodenrichtwert auch Faktoren wie der Gebäudezustand oder die Marktsituation zu berücksichtigen. Allein für Lohr und seine Stadtteile gibt es mehrere Dutzend unterschiedliche Bodenrichtwerte. Nachfolgend Beispiele für Bodenrichtwerte pro Quadratmeter in Euro: Lohr, Hauptstraße: 380 Sendelbach, Kehlspitze: 200 Sackenbach, Häuseläckerweg: 180 Steinbach, Schönrainstraße: 165 Wombach, Bergwiesenstraße: 160 Partenstein, Ludwigstollen: 120 Gemünden, Rhönweg: 111 Frammersbach, Murrental: 100 Neuendorf, Schönrainstraße: 65 Steinfeld, Wagnerstraße: 65 Neustadt, Am Michaelsberg: 65 Rechtenbach, Ob. Schlittenweg: 60 Neuhütten, Spessartstraße: 55 Wiesthal, Dorfstraße: 50 Ruppertshütten, Forsthausstraße: 30 Die Bodenrichtwerte werden auch im Landkreis Main-Spessart alle zwei Jahre aktualisiert. Die nächste Aktualisierung steht unmittelbar bevor. Einsehbar sind die Bodenrichtwerte im Internet unter der Adresse www.bodenrichtwerte.bayern.de.