In Karlstadt hat sich eine bemerkenswerte Initiative entwickelt: Fünf Ehrenamtliche lehren einmal pro Woche für anderthalb Stunden Deutsch. Ins Leben gerufen wurde das Ganze vom Helferkreis, um den Geflüchteten aus der Ammann-Halle die Möglichkeit zu geben, sich in ihre neue Umgebung zu integrieren und erste Kontakte zu knüpfen. Dabei gehen die Lehrenden ganz unterschiedlich vor:
Leises Gemurmel erfüllt das Klassenzimmer, während an den Tischen sechs junge Männer, manche mit einem Wörterbuch, andere mit ihren Notizen, sitzen. Vor ihnen steht Michael Reich, einer der ehrenamtlichen Deutschlehrer. Erst auf Deutsch, anschließend auf Französisch erklärt er, was das Wort "brauchen" bedeutet. Auf die Tafel schreibt er die Konjugation des Verbs: Ich brauche, du brauchst, er/sie/es braucht. Die Schüler, die aus Côte d'Ivoire (zu Deutsch: Elfenbeinküste) kommen, sprechen das Geschriebene nach. Was für Muttersprachler so selbstverständlich erscheint, ist für Deutschlernende harte Arbeit und der erste Schritt in Richtung Neuanfang in einem für sie fremden Land mit einer fremden Kultur.

Doch es ist ihnen wichtig: "Ich möchte Deutsch lernen, weil ich hier Medizin studieren möchte", erzählt ein Teilnehmer. Für zwei Brüder aus Afghanistan, die in einem anderen Kurs von Ludwig Brach unterrichtet werden, bedeutet das eine Chance auf ein neues Leben: "Es ist sehr wichtig für uns, die Sprache zu lernen, weil wir hier leben und arbeiten möchten." Der frühere stellvertretende Schulleiter am Karlstadter Gymnasium arbeitet viel mit Bildern, denn er spricht kein Afghanisch. Dafür hat er sich zweisprachiges Lehrmaterial rausgesucht und wiederholt mit seinen Schülern Uhrzeiten, Monatsnamen oder Lebensmittel aus dem Supermarkt.
Sprachkurse als Schlüssel zur Integration
Die Organisatorin der Kurse und ehrenamtliche Lehrkraft Daniela Schirmer betont die Notwendigkeit der Sprachkurse: "Wir haben festgestellt, dass die Geflüchteten einen enormen Drang haben, die deutsche Sprache zu lernen. Als sie hörten, dass wir nur einmal die Woche Kurse anbieten, fragten sie sofort, warum nicht öfter. Ihre Motivation ist unglaublich hoch." Doch der Weg zur Integration ist nicht ohne Hindernisse: Es gibt zahlreiche bürokratische Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, bevor die Neuankömmlinge eine Arbeitserlaubnis bekommen. Die Wartezeit auf einen Platz in einem offiziellen Integrationskurs sei lang, im Durchschnitt neun Monate. Aktuelle Kurse seien voll und es fehle an Lehrenden für weitere Kurse, so Schirmer. Bis dahin bieten die Kurse am Gymnasium eine wertvolle Übergangslösung, wie Reich weiß: "Es ist wichtig, dass wir den Menschen in dieser Zeit helfen und ihnen die Grundlagen der deutschen Sprache vermitteln, vor allem, wenn man sieht, wie motiviert und engagiert sie sind."

Auch Sakine Azodanlou, Integrationsbeauftragte der Stadt Karlstadt, stimmt zu: "Diese Menschen wollen Deutsch lernen, um sich hier ein Leben aufzubauen." Ein Leben, das für viele eine Selbstverständlichkeit ist, mit einer Wohnung und Arbeit. Denn das wünschen sich die Teilnehmer von ganzem Herzen. "Jede Sprache ist anfangs schwer, aber wir müssen Deutsch lernen. Das ist der Schlüssel zu einer besseren Zukunft", betont ein Schüler.
Kurze Wege zu den Kursen dank Unterstützung durch das Karlstadter Gymnasium
Unterstützung für das Projekt kommt aus vielen Ecken, nicht zuletzt vom Johann-Schöner-Gymnasium, das seine Räumlichkeiten und elektronischen Geräte zur Verfügung stellt: "Das Engagement ist wirklich klasse. Das erleichtert unsere Arbeit ungemein", lobt Schirmer. Auch die Materialien für den Unterricht stammen aus verschiedenen Quellen. Azodanlou erzählt: "Wir nutzen Arbeitshefte für Asylbewerber und bekommen auch Materialien von der Integrationsstelle. Zudem erhalten wir manchmal Spenden, von denen wir Bücher kaufen können."
Lehrkraft Ursula Frey, die bereits seit neun Jahren in Würzburg Deutschunterricht gibt, sieht die großen Fortschritte, die die Teilnehmer machen: "Die, die regelmäßig kommen, lernen erstaunlich gut", erzählt sie. Allerdings wünscht sie sich eine Fachkraft für Alphabetisierung, da es eine große Herausforderung ist, Erwachsene im Lesen und Schreiben zu unterrichten. Christa Seufert, die ebenfalls als ehrenamtliche Lehrerin tätig ist, betont, wie wichtig das Sprechen ist: "Am Ende des Unterrichts veranstalten wir immer eine Gesprächsrunde. Es ist schön zu sehen, wie sich die Schüler trauen zu sprechen und ihre Wünsche zu äußern."
Die Deutschkurse laufen auch in und nach den Sommerferien weiter, solange Bedarf besteht. Die Lehrkräfte sind fest entschlossen, die Teilnehmer bei ihrem Integrationsprozess zu unterstützen. Ein gelungenes Beispiel dafür, dass Integration möglich ist, wenn Menschen sich füreinander einsetzen.
Weitere Ehrenamtliche sind gerne gesehen und können sich per Tel.: (09353 790256) oder E-Mail (info@helferkreis-karlstadt.de) melden.
