Das rote Zirkuszelt mit seinen lustigen Wipfeln und den leuchtenden gelben Buchstaben Circus Althoff sind schon von weitem als Silhouette gegen den blauen Himmel zu erkennen. Von den flaschengrünen Kranenstangen perlt der Morgentau. Ob der Herr Raubtierbändiger noch schläft? Iwo. "Der Dominic ist da hinten bei seinen Tigern", ruft eine Dame aus einem weißen Wohnwagen heraus, als könne sie Gedanken lesen.
Die Käfige sind nicht zu übersehen. Ein Tiger drückt seine Schnauze gelangweilt zwischen die Gitterstäbe. Ein anderer kratzt sich an seinem Hinterkopf und verzieht sich wieder. Dahinter steht er. Braun gebrannt. Gegelte Haare. Geripptes T-Shirt. Dunkelblaue Jeans. Goldkettchen um den Hals. Mit einem Stock in der Hand. Dominic Fischer, angeblich Europas jüngster Dompteur. Er lächelt sympathisch. Doch wie 17 schaut er nicht mehr aus.
"James, komm her", sagt er mit ruhiger Stimme. Der Tiger guckt ihn kurz an, legt seinen Riesenkopf in eine Schieflage, als wolle er ein paar Dehnübungen für seinen gigantischen Kiefer vorbereiten. Er schüttelt sich wie ein nass gespritzter Pudel, windet sich, läuft ein paar Schritte vor und wieder zurück. "Komm schon", wiederholt Dominic. James würdigt ihn keines Blickes, fährt einen Achter mit seiner Tatze durch die Luft, als wolle er sagen: "Ach, Dominic, lass mich in Ruhe, geh' doch zu Layla, die liegt den ganzen Tag faul herum."
Dominic tut ihm den Gefallen nicht. Jetzt ist Training angesagt. Er tippt das 280 Kilogramm schwere Monstrum mit dem Stock an. Ist er des Wahnsinns? Für James, der täglich gut und gerne fünf bis acht Kilo Rindfleisch verspeist, wäre er eine leichte Beute. Das zweite Frühstück sozusagen. Angst ist bei dem jungen Mann nicht sichtbar. Sein Blick ist fest, seine Hand zittert nicht. "Ich habe Respekt vor meinen Tieren", sagt er. Bei seinen Nummern müssen die Tiger nur Sachen machen, die sich "übertragen" auch in der freien Natur abspielen könnten. Statt auf einen Felsen klettern sie auf ein Postament, statt über einen umgefallenen Holzstamm balancieren sie über einen Balken.
Niemals würde er seine Katzen durch brennende Reifen springen lassen oder irgendwelche Verrenkungen fordern, sagt Dominic. Als er hinter James läuft, sieht man, wie's in seinem Kopf arbeitet. Volle Konzentration. Es geht darum, sich in das Tier hineinzudenken, Stimmungen abzuschätzen. Denn Tiger können - wie Menschen auch - schlechte Laune haben, erzählt er. Dann ist mit ihnen nicht gut Kirschen essen. Das ist auch umgekehrt der Fall. Wenn die Raubkatzen spüren, dass ihrem Dompteur eine Laus über die Leber gelaufen ist, überträgt sich das automatisch auf sie. Genau wie bei kleinen Kinder und ihren Eltern.
Extra Belohnungen sind da vonnöten, damit sie sich überhaupt zu irgendetwas bequemen. Oberste Maxime: "Ruhig bleiben", sagt Dominik. "Die Tiere niemals hetzen. Man braucht Geduld. Sonst werden sie nervös." Er kennt James besser als seine Westentasche. Er hat ihn und seine drei Geschwister praktisch aufgezogen, ihnen das Fläschchen gegeben. Es gab Zeiten, da durften die Tigerbabys noch in seinem Wohnwagen nächtigten. Das ist vorbei! Seit drei Jahren steht er mit James, Layla, Rani, Dunja und Püppchen zehnmal in der Woche in der Manege. Und das sind keine Teddybären, sondern ausgewachsene Tiger.
Schlimme Verletzungen hat Dominic sich noch keine zugezogen. Narben schon. Da mal ein Kratzer, dort mal ein kaputtes Kostüm. Auf seiner linken Hand prangt ein rosé farbener Fleck. Der hat nichts mit den Tigern zu tun, versichert er. Sondern mit den Zündkerzen seiner Motocrossmaschine - seiner zweiten Leidenschaft -, mit der er gerne über unebenes Gelände rauscht.
Der Beruf des Dompteurs ist bei Dominic nicht vom Himmel gefallen. Es hat praktisch Familientradition. Sein verstorbener Vater Heinz bändigte seinen Lebtag lang Tiere aller Art. Mutter Elvira galt als die Bärenbändigerin schlechthin. Und Bruder Michael (33) tritt im Circus Althoff mit einer Löwengruppe auf. Nur Schwester Mirabella nicht, die kümmert sich um die Reklame.
Weitere Höhepunkte im Programm von Circus Althoff sind Pferde-Dressuren, Akrobatik und Clownerien. Der Circus Rene & Patrizia Althoff gastiert in Karlstadt von Donnerstag bis Sonntag, 7. bis 10. Juli, am alten Hafen am Main. Vorführungen sind Donnerstag, Freitag und Samstag um 1530 Uhr und 1930 Uhr, am Sonntag um 11 und 15 Uhr.
Der Circus Althoff und die
MAIN-POST verlosen zehn Mal
zwei Eintrittskarten für die Vorstel-
lung in Karlstadt am Donnerstag,
7. Juli, um 1530 Uhr. Wer schnell
ist, gewinnt: Heute, Freitag, ist das
Telefon zwischen 12 und 1230 Uhr
geschaltet: Tel. (09391) 98 25 98.