"Die Fellener Kirb, die Fellener Kirb, die Fellener Kirb is‘ do…". Dieser alte Gassenhauer läutet seit Jahrhunderten traditionell das weltliche Spektakel des Dorffestes am ersten Novemberwochenende ein. Wie bitte? Corona möchte allen traditionellen Feierlichkeiten in diesem Jahr den Garaus machen? Weit gefehlt. Kreative Köpfe retteten zumindest die "Jungfrauenversteigerung" vor dem "Monster Covid 19" und verlegten spontan das Männerspektakel aus dem Gasthaus auf die digitale Schiene des Internets.
Gut, die Atmosphäre des Tollhauses "Café", wie die örtliche Spessartschänke liebevoll genannt wird, fehlte etwas. Aber die flotten Sprüche der beiden im Café residierenden Auktionatoren, den Brüdern Claus Engel und Christoph Althaus, permanent fließender "Bölkstoff" und die Kommentare der per Zugangscode eingeloggten "Steigerer" garantieren einen bunten Abend.
"Man muss Fellener sein, um das Spektakel zu verstehen"
In der Regel werden am Kirchweihfreitag die "Jungfrauen" Fellens und seiner Ortsteile versteigert, die unverheirateten Damen zwischen 16 und 65 Jahren. An die 120 Männer sitzen normalerweise eng zusammengezwängt im "Café" und heben die Hand zum Gebot. "Man muss Fellener sein, um das Spektakel zu verstehen", meinte ein Online-Teilnehmer knapp. Knapp 40 Teilnehmer und oft die gesamte Familie saßen jetzt zuhause an ihren PC`s und waren per Chat optisch und akustisch miteinander vernetzt. Zumindest ein feuchtfröhlicher Abend schien es, nach den Gerstenkaltgetränken auf den Tischen zu urteilen, zu werden.
Der Brauch ist alt, es hat ihn schon vor dem ersten Weltkrieg gegeben. Nach der Wiederbelebung anfangs der 60er Jahre war Josef Walter über 40 Jahre der Zeremonienmeister. Seit einigen Jahren haben die Althausbrüder den Part übernommen. Der Erlös des Spektakels kommt einer örtlichen sozialen Einrichtung zugute.
20 Jungfrauen kamen "unter den Hammer"

Den Auftakt besorgten traditionell die "Maröüder Musikanten", aber diesmal vom Band. Friedel hatte noch schnell seinen Original-Frammersbacher Kirbhut von 1975 aufs Haupt gesetzt und der "Hansbertes-Simon" verdrückte genüsslich sein Wurstbrot. Andere Teilnehmer hatten ihre mit Autogrammen verzierten Kirbshirts aus vergangenen Jahren übergestreift – nur die aktuellen "Bloadsburschen 2020" besaßen wegen der Absage aller Veranstaltungen kein Erkennungssymbol.
Die Zahl der diesmal online "unter den Hammer kommenden Jungfrauen" bestätigten die Auktionatoren mit 20 "Kirbschicksen" und zogen die erste nummerierte Kugel aus der nostalgischen Lostrommel. Claus Engel rief zum ersten Gebot für Kandidatin Ria auf. Bei 20 Euro sicherte sich der Bieter den Zuschlag. Dazwischen meldete sich der aufgrund der US-Wahl in landestypische Outfits geschlüpfte Trupp aus dem "Himbeerstübje" und erhielt nach Christoph Althaus‘ Hammerschlag bei 30 Euro den Zuschlag. Nachdem erneut das "Himbeerstübje" für 50 Euro für die "Schickse Sofie" mit dem höchsten Gebot des Abends die Nase vorn hatten, die "2020er Bloadsburschen" sich immer noch bei den Geboten zurückhielten, schallte aus den meisten Kanälen "die Bursche ham Schloof".
Schunkeln im Homeoffice
Schlag auf Schlag ging es weiter und man durfte sich ob der angekündigten Hausnamen amüsieren. Nachdem mehrmals das "Bieterkonsortium SH" zuschlug, zeigte plötzlich wieder die Himbeertruppe ihr Gespür und führte den Siegertanz auf. Dies bewog Chatter Donald zur Reaktion "Wahlbetrug" und "sofort Versteigerung stoppen". Als dann das "Die Krüge hoch" das Fellener Netz erzittern ließ, wollte einer spontan "seine Anwälte bemühen, um die Auswahl prüfen zu lassen".
Nach rund 90 Minuten wurde nicht nur nach den Musikklängen im Homeoffice geschunkelt, auch die Kirbjuchzer ertönten im Rund. Die Himbeermannschaft ließ dazwischen die Schafkopfkarten kreisen und bei den anderen Bieterteams stieg die Stimmung.
Kurz vor 22.30 Uhr näherte sich die Vorstellung dem Höhepunkt: Die Althäuser riefen die mit der "Lindeschmitz Lina" die letzte "Ploatzschickse" auf, die sich Senior Friedel souverän holte. Zum Schluss prasselten Lobeshymnen auf die Organisatoren der "geilen Aktion Onlinevoting-Kirbschickse" herab, die "2020er Bloadsburschen" riefen zum Kirblied auf und einer schrieb sehnsüchtig: "Klasse, bis zum nächsten Jahr im Café".