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LOHR: Kabarett: Den kulturellen Akku wieder aufgeladen

LOHR

Kabarett: Den kulturellen Akku wieder aufgeladen

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    Kabarettistisches Schwergewicht: Helmut Schleich in seiner Paraderolle als Landesvater a. D. Franz Josef Strauß.
    Kabarettistisches Schwergewicht: Helmut Schleich in seiner Paraderolle als Landesvater a. D. Franz Josef Strauß. Foto: Foto: Gisela Büdel

    „Wo bleibt die Ehrlichkeit?“, fragt Vollblutkabarettist Helmut Schleich am Samstagabend 350 Besucher im „nagelneuen Lohrer Renommierkulturcontainer“. Und setzt nach: „Ehrlichkeit ist ein Minenfeld, aber kein Räumkommando weit und breit.“ Ein wahrhaft genialer Einstieg in einen zweistündigen Abend unter dem Motto „Ehrlich!“. Eingeladen zu Schleichs sechstem Soloprogramm hatte ktm-events.

    „Wenigstens habe ich ein Dach überm Kopf“ gibt sich Schleich zum Einstand bescheiden. Der Seitenhieb folgt: „Hier in der Lohrer Justizvollzugsanstalt erster Klasse, kurz Knast.“ „Da ich aber kein Krimineller bin, kenne ich hier auch niemanden.“

    „Ehrlich“ ist er halt und nennt so auch sein Programm, für das er 2015 mit dem Bayerischen Kabarettpreis ausgezeichnet wurde. Seit 2013 ist der Wahl-Münchner Deutscher Kleinkunstpreisträger, Gastgeber seines eigenen Polit-Kabaretts „SchleichFernsehen“ des Bayerischen Rundfunks und eine markante Größe auf deutschen Kleinkunstbühnen. Was ist das Erfolgsgeheimnis des 49-jährigen gebürtigen Schongauers?

    Der spitzzüngige Polit-Satiriker mit minimalen Requisiten versteht sich als „Spiegel der Zeit“, der auch vor geistlichen Würdenträgern in München oder Rom nicht Halt macht. Ob Vertrauensmissbrauch oder Vertrauensbonus: Mit hintersinnigem Gedankenspiel bläst er der bayerischen Landespolitik ebenso den Marsch wie dem Bundes- oder EU-Kabinett.

    Hoch intelligent und schonungslos im Detail greift er in die dramaturgische Trickkiste und lässt im Typen-Kabarett Figuren sprechen: Köstlich sein Rollenspiel als Heinrich von Horchen, Jopie Heesters erfundenem Gesangslehrer. Offensiv springt er – mit Zylinder und Gehstock – von Thema zu Thema, labt sich an der Doornkaat-Schorle und schon greift er an, der kampflustige Urmensch der Bibel. Sei es das Demokratieverständnis der EU, Angela Merkels Politik zwischen Größenwahn und hohlen Phrasen oder die „Grünen“ als Partei der Biotonne und Eigentumswohnung.

    Sigmar Gabriel reflektiert er als „gwamperten Barockengel“, der Martin Schulze wegen der „besseren Anhängerkupplung“ den Vortritt lässt. Obwohl die Pflege einer Massentierhaltung gleiche, ruft er dem älteren Semester zu: „Haltet durch“.

    Sein Tipp für die jüngere Generation: „Kultivieren Sie das Knirschen in Knie oder Hüfte, damit Sie im Alter noch was wert sind.“ Helmut Kohl, „der Dicke aus Oggersheim“, habe gar seine Pflegestufe geheiratet. Fazit: „Es geht im Leben nicht immer um Ehrlichkeit. Es geht darum, wie man die Wahrheit am geschicktesten verkauft.“ Extrem wandlungsfähig outet sich Schleich als „Bestie von Doddelbach“, die allzu leichtfertig zur Schusswaffe greift, oder als unfreiwilliger Besucher eines blutrünstigen Theaters der Moderne, in dem die Schauspieler Verrenkungen „zwischen Yoga und Bandscheibenvorfall“ zeigen.

    Seine Paraderolle aber ist und bleibt die Strauß-Parodie, „postum und ad hoc“ versteht sich. Schleich streift den Trachtenjanker über, zieht die Schultern hoch, den Hals ein und wandelt mit verschlagener Mine auf den Spuren des früheren bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (FJS). Polternd rechnet er ab mit „seiner“ CSU: Da ist der „Wolfratshausener Kamillenteesieger“ Edmund Stoiber. „Als hätt? er Bayern erfunden und nicht ich.“

    Generalsekretär und Worthülsenverdreher Andreas Scheuer müsse einen Zwillingsbruder haben, „weil so deppert kann ein einzelner gar nicht sein.“ Horst Seehofer habe dem Papst als bayerische Spezialität einen Fresskorb mit Dosenweißwürsten überreicht. „So etwas haben wir früher in die DDR geschickt.“

    So weit – so peinlich. Ein Wort zum bayerischen Rassismus: „Der norddeutsche Urlauber (verreckter Saupreiß) übernachte nicht im Gäste-, sondern im Fremdenzimmer. „Das gehört zur bayerischen Folklore“, stellt er fest und bekräftigt: „Ich bin der FJS und da war i dahoam.“

    „Jetzt ist der kulturelle Akku wieder aufgeladen“, zeigt sich Schleich zufrieden mit seiner Mission. An Kabarett habe jeder „im Rahmen seiner Möglichkeiten und Mentalität“ zu knabbern. Aber: „Wer ins Puff geht, muss damit rechnen, dass er nackt ist.“

    Dem stimmt das Publikum mit anhaltendem Applaus zu und bekommt noch einen als kabarettistischen Nachschlag verpackten Hinweis auf den Verkaufsstand im Foyer. „Es ist nicht der krasse Humor mit den großen Lachern. Was Helmut Schleichs Kabarett auszeichnet, ist Tiefgründigkeit mit aktuellem Bezug“, lautet das begeisterte Resümee von Adolf und Renate Schöner aus Wipfeld bei Schweinfurt.

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