Hier ist man freundlich, engagiert und bemüht, auch kleine Sonderwünsche zu erfüllen: Das Bistro der Lohrer Selbsthilfe gGmbH auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses gilt als Wohlfühlort. Durch die Corona-Krise allerdings wurde der Betrieb massiv gebeutelt. "Im vergangenen Jahr hatten wir 120.000 Euro weniger umgesetzt als 2019", so Geschäftsführer Bernd Ruß. Insgesamt erwirtschaftete die Lohrer Selbsthilfe 2021 mit Bistro und Verkaufsladen ein Minus von über 24.000 Euro.
Völlig abseits politischer Krisen bewegt sich die Lohrer Selbsthilfe auf einem schwierigen Terrain. Oberstes Ziel ist es, Männern und Frauen, die aufgrund massiver psychischer Probleme als schwerbehindert gelten, sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze anzubieten. Die gibt es nach wie vor noch viel zu selten. Acht Inklusionsarbeitsplätze existieren derzeit. Bei den Beschäftigten handelt es sich zum Beispiel um Männer und Frauen mit Depressionen, Angststörungen oder Psychosen. Durch die Arbeit vor und hinter der Bistro- und Ladentheke werden sie seelisch stabilisiert. Wobei es gleichzeitig sehr wichtig ist, dafür zu sorgen, dass kräftemäßig niemand überfordert wird.
Kompensation über Kiosk
Die seelisch erkrankten Mitarbeiter der Lohrer Selbsthilfe haben kaum eine Chance, auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzukommen. Deshalb ist der Erhalt der Jobs laut Bernd Ruß so wichtig. Die gGmbH tat denn auch in den vergangenen zweieinhalb Jahren alles, um das Bistro und den Laden über Wasser zu halten. Der Laden lief trotz Krise auch ganz gut. Was daran lag, dass seit wenigen Jahren Patienten der Forensik, die das Gelände nicht verlassen dürfen, mit Produkten aus dem Laden beliefert werden. So gelang es, einen Teil des Bistro-Minus über den Kiosk zu kompensieren. Dies allerdings wird durch Inflation und Energiepreissteigerungen immer schwieriger.
Die Waren im Laden müssen erschwinglich bleiben, sonst würden die Kunden ihren Verbrauch sofort drosseln. Menschen mit psychischer Erkrankung haben in aller Regel nur wenig Geld zur Verfügung. Viele knapsen mit jedem Euro. "Unsere Einkaufspreise sind inzwischen gestiegen, was wir aber nicht hundertprozentig weitergeben können", sagt Bernd Ruß. Vor allem die Forensik-Patienten seien darauf angewiesen, dass die Preise nicht über Discounter-Niveau steigen.
Seit die WHO den globalen Gesundheitsnotstand ausgerufen hat, geht es mit der Lohrer Selbsthilfe abwärts. Die Geschäftsführung treffe jedoch nicht die mindeste Schuld, betont Gernot Janke vom Bezirk Unterfranken, dem Hauptgesellschafter der gemeinnützigen GmbH. "Außer Kurzarbeitergeld konnten aufgrund bestehender anderer Geschäftszweige keine Corona-Hilfen in Anspruch genommen werden", erläutert der Verwaltungschef. Die Geschäftsführung der Lohrer Selbsthilfe genieße trotz roter Zahlen weiterhin das Vertrauen des Verwaltungsrats.
Zweigliedriges Unternehmen
Als großes Glück sieht auch der Bezirk an, dass es sich bei der Lohrer Selbsthilfe um ein zweigliedriges Unternehmen handelt. Hätte es nur das Bistro gegeben, wäre die Situation noch viel desaströser. Pandemiebedingt habe das Bistro monatelang schließen müssen, heißt es vom Bezirk. Die Gästezahlen seien 2021 insgesamt hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Laut Bernd Ruß haben sie immer noch nicht das Vorkrisenniveau erreicht.
Nicht zum ersten Mal muss die Lohrer Selbsthilfe mit finanziellen Turbulenzen kämpfen. 2005 wies das Sozialunternehmen ein Defizit von fast 190.000 Euro auf. Damals gab es gewaltigen Ärger mit dem Bezirk. In der Folge verlief die Entwicklung überaus positiv. Es gelang, schwarze Zahlen zu schreiben und zu expandieren. Geplant war für 2020, neue Arbeitsplätze außerhalb des Bistros zu schaffen. "Wir wollten einen Room-Service anbieten", so Bernd Ruß. Zwei zusätzliche Inklusionsmitarbeiter sollten Privatpatienten im psychiatrischen Krankenhaus kleine Dienste erweisen.
Im Augenblick zeichnet sich nicht ab, dass die Expansionspläne in nächster Zeit wieder Fahrt aufnehmen könnten. "Wenn ich an den Herbst und den Winter denke, wird mir manchmal angst und bange", gibt Bernd Ruß zu. Das Wichtigste bleibe, die inklusiven Arbeitsplätze zu erhalten und die acht Menschen mit psychischer Beeinträchtigung kontinuierlich zu beschäftigen.
Auf feste tagesstruktur angewiesen
Das gelang bisher selbst in den langen Lockdown-Phasen: War das Bistro zu, wurde zum Beispiel im Lager gearbeitet. Die Menschen einfach nach Hause zu schicken, wäre höchst problematisch gewesen, da sie laut Ruß aufgrund ihrer Erkrankung auf eine feste Tagesstruktur angewiesen sind.
2021 sei es im Übrigen sogar gelungen, einen neuen Mitarbeiter mit psychischer Erkrankung, der sich auch rasch als sehr geschickt und motiviert herausgestellt hatte, ins Team zu integrieren, berichtet Brigitte Henning von der Lohrer Selbsthilfe. Allerdings musste das Unternehmen 2021 auch den Weggang eines hauptamtlich Beschäftigten ohne Behinderung verkraften. Aufgrund der prekären finanziellen Situation sei es auch nicht möglich, diese Stelle nachzubesetzen. Weiterhin mit von der Partie ist zur großen Erleichterung aller Küchenmeister Ulf Würfel, der das Bistro und den Laden leitet.