Karbach ist ein besonderes Dorf. Wenn man auf dem Kirchberg steht, etwa 30 Meter über dem Dorf, sieht man den Siedlungskörper, der sich wie ein Tuch aus Ziegeln um den hoch gelegenen Kirchberg legt.“ Diese Beschreibung gab Konrad Väth vom Amt für ländliche Entwicklung bei der offiziellen Abschlussveranstaltung zur Dorferneuerung vor den einstigen Mitgliedern der Teilnehmergemeinschaft sowie den federführenden Architekten Willi und Bernd Müller (bma, Marktheidenfeld) im Haus der Vereine. 1982 hatte die Dorferneuerung in Karbach begonnen.
Die dichte Bebauung und der Fels, der im Dorf immer wieder offen zu Tage tritt, verleihen Karbach bisweilen ein mediterranes Flair. Die Struktur des Ortes ist das Produkt einer jahrhundertelangen Entwicklung. Durch die Realteilung wurden die Höfe immer kleiner, das Dorf immer dichter. Teilweise entstanden für heutige Begriffe unzumutbare Lebensbedingungen, was zu den 26 Leerständen zu Beginn der Dorferneuerung führte. Das Dorf drohte „zu kippen“ – ein schlechtes Image schreckte vor allem junge Leute ab. Die Aufnahme ins Dorferneuerungsverfahren 1985 kann heute als Segen für die Gemeinde bezeichnet werden: Karbach wurde zum „Modelldorf“ und nimmt, so Konrad Väth und Mitarbeiter Hermann Mayer, einen Spitzenplatz bei privaten Maßnahmen in Bayern ein. „Es hat ganz einfach hervorragend geklappt.“
239 Flurstücke betroffen
Bei Anordnung des Verfahrens 1985 betrug die zu ordnende Fläche 71 Hektar (ha) mit insgesamt 239 Flurstücken und rund 300 Teilnehmern. Das Engagement der Bevölkerung zeigen die 171 geförderten Einzelmaßnahmen im privaten Bereich mit Investitionen von insgesamt 5,2 Millionen Euro. Und, so Väth, es können weiterhin kleine Betriebe wie Metzgereien, Bäckereien und Gaststätten Zuschüsse von bis zu 35 Prozent erhalten.
In den Anfangsjahren der Dorferneuerung in Bayern mussten viele Verfahrensschritte neu entwickelt werden und so wurde Karbach 1988 auch in das Forschungsprojekt „Experimenteller Wohnungs- und Städtebau – Städtebauliche Dorferneuerung“ des Bundesministeriums für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau aufgenommen. Besonders wichtig waren die Erneuerung und Revitalisierung zerfallender Ortsbereiche, die als „Innenentwicklung“ und „Innenverdichtung“ heute Schwerpunkte der Dorferneuerung darstellen. Diese Problematik wurde in Karbach sehr früh erkannt. Durch gezieltes Boden- und Gebäudemanagement konnten mit viel Geduld und Weitsicht beispielhafte Maßnahmen verwirklicht werden.
Bürger beteiligten sich engagiert
Wesentlich für den Erfolg war die große Bereitschaft der Bürger, in Arbeitskreisen und Foren mitzuwirken und gemeinschaftliche und öffentliche Maßnahmen zusammen zu entwickeln. Als Beispiele erfolgreicher Sanierungen seien nur einige wenige genannt wie die Umgestaltung des Marktplatzes mit Mikwe und neuem Feuerwehrhaus, die Pfarrhaussanierung, die fünf Treppenaufgänge und der Weg zur Kirche, die Sanierung „Untere Klimbach“, der Festhallenbau, die Umgehungsstraße, der neue Bauhof oder das Gewerbegebiet „Kleine Au“.
Beispiele aus anderen Dörfern in der Nachbarschaft gab es zu diesem Zeitpunkt nicht. Oft musste in Karbach Neuland betreten werden. Die Bürgermeister Helmut Hart und Kurt Kneipp und ihre jeweiligen Ratsgremien erkannten die Notwendigkeit von teilweise radikalen Eingriffen. Sie trafen mutige Entscheidungen wie etwa den Bebauungsplan Klimbach-Röderberg zu stoppen und konsequent alte Gebäude und Grundstücke aufzukaufen und durch eine Bodenneuordnung wieder preiswerte Bauplätze zu schaffen.
Dazu gesellten sich zahlreiche private Bauvorhaben – Umbauten, Fassadenerneuerungen und Renovierungen. Durch die Dorffibel und viele fachliche Beratungen konnte eine hohe Bauqualität gesichert werden. Private Bauherren sowie die Planer, die Architekten Willi und Bernd Müller, haben dem Ortsbild neuen Glanz verliehen. Ein Ende der Dorfgestaltung ist freilich nicht in Sicht. Entlang der Hauptstraße sowie in der Unteren Klimbach als Sanierungsgebiet zeichnen sich bereits neue Herausforderungen ab, die nun jedoch ohne die fachliche und finanzielle Unterstützung des Amtes für ländliche Entwicklung bewältigt werden müssen.
Fördergelder ebneten den Weg
Natürlich galt ein Hauptinteresse, so erinnerten die Ex-Bürgermeister Helmut Hart und Kurt Kneipp, den staatlichen Fördermitteln. Ohne sie wäre eine Dorferneuerung nicht möglich. „So viel Geld für den Ausbau von Straßen und Plätzen, für die Gestaltung öffentlicher Bereiche, für umfangreiche Bodenordnung darf sich eine Gemeinde nicht entgehen lassen“, lautete die vorherrschende Meinung. Zeit, Geld, Geduld und Weitblick waren gefragt. Grundstücke im Altort oder am Ortsrand konnten dadurch erschlossen, komplizierte Grundstückszuschnitte beseitigt und Flächen zukunftsfähig aufgeteilt werden. Junge Familien nutzten diese Chance und beleben den Ortskern. Die Erweiterung des Neubaugebietes konnte so um 15 Jahre verschoben werden. Der Bau der Umgehungsstraße und die Errichtung von Sportstätten wurden durch das Verfahren der Dorferneuerung erheblich erleichtert.
In der Abschlussveranstaltung galt der Dank allen – den Bürgern ebenso wie den Kommunalpolitikern, den Architekten, der Teilnehmergemeinschaft, der guten Öffentlichkeitsarbeit und dem Amt für ländliche Entwicklung. Das Schlusswort hatte Bürgermeister Bertram Werrlein. Sein Dank schloss mit einer Einladung zum Imbiss.
Stationen und Personen der Dorferneuerung in Karbach Im Rückblick erscheinen 34 Jahre Dorferneuerung nur als kurzer Ausschnitt in 1244 Jahren Dorfgeschichte. Dennoch sind sie von entscheidender Bedeutung für das heutige Gesicht des Ortes und das Leben in der Dorfgemeinschaft. Die Potenziale eines solchen Verfahrens wurden in Karbach früh erkannt. Als eine der ersten Gemeinden in Unterfranken stellte der Markt Karbach 1982 Antrag auf eine umfassende Dorferneuerung, nachdem der Landtag 1981 beschlossen hatte, die Dorferneuerung zu einem eigenen, landespolitischen Schwerpunkt der Agrarpolitik weiterzuentwickeln. Das eigentliche Verfahren der Dorferneuerung (DE) wurde 1985 angeordnet, 1986 wurden die ersten gemeinschaftlichen Anlagen ausgebaut. Die weiteren Schritte: 1987/88 Erstellung des DE-Planes; 1988 Aufnahme in das Förderprogramm des Bundesbauministeriums; 1989 Genehmigung des DE-Planes; 1992 Erweiterung des Verfahrensgebietes um den Bereich Ortsumgehung; 1993 Freigabe der Ortsumgehung; 1997 Bodenordnung zur Umgehung und im Ort; 2010/11 Bodenordnung im Ortsbereich; 2018 Schlussbescheid. Als Vorzeigeobjekt für die nachhaltige Wirkung der Instrumente einer umfassenden Dorferneuerung wurde Karbach schon 1989 von Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle bezeichnet; erneut 2009 von Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner. Begeistert war auch der „Dorferneuerungspapst“ Ministerialrat Prof. Dr. Holger Magel vom bayerischen Landwirtschaftsministerium von Karbach. Schon 1989 meinte er: „Mit 47 Denkmälern ist die Marktgemeinde gespickt und muss stellvertretend für alle bayerischen Gemeinden ein Modell sein und werden.“ Konrad Väth hatte zur Abschlussversammlung für die Mitarbeiter an der Dorferneuerung Urkunden für Vorstandsmitglieder und Stellvertreter mitgebracht (DE-Verfahren Karbach II). Gewürdigt wurde das Mitwirken von Helmut Hart, Vorstand und örtlicher Beauftragter 1985 bis 2018; seines Stellvertreters Josef Laudenbacher (1985 bis 2005); von Oskar Väthröder (1985 bis 2018); von Reinhard Schubert (1985 bis 2018); von Vinzenz Stegerwald (1993 bis 2018); von Günter Schmelz (1999 bis 2018); von Gottfried Schubert (1999 bis 2018); 3. Bürgermeister Siegfried März (1985 bis 1999); von Heinrich Schmelz (1985 bis 1999); von Harald Freund (1985 bis 1999); von Peter Väth (2005 bis 2018); von Joachim Völker, Gabriele Öhring, Bernd Sarauer, Mechthilde Blum, Brigitte Klüg (alle 2005 bis 2018); von Herbert Kern (1999 bis 2005) und von den Bürgermeistern Kurt Kneipp (2002 bis 2014) und Bertram Werrlein (2014 bis 2018). Gedacht wurde der verstorbenen Mitglieder Friedrich Schmelz, Edwin Öhring, Adam Ruckstetter, Ludwig Ebert, Artur Laudenbacher sowie Werner Röhrig. (LAU)