"Dann ist die Kommune zuständig, in deren Zuständigkeitsbereich der Mensch verstorben ist", klärt er auf. Zunächst werde überprüft, ob bereits ein Familiengrab existiert, in dem der Verstorbene beigesetzt werden kann. Gleichzeitig beginne die Suche nach Verwandten des Toten. Von diesen nämlich möchte der Rathaus-Mitarbeiter die Auslagen der Stadt zurückhaben, sofern sie bestattungspflichtig sind.
Wer das ist, regelt das Bestattungsgesetz. An erster Stelle werden dort Ehegatten genannt, gefolgt von Kindern, Großeltern, Enkeln, und schließlich können sogar Nichten, Neffen und verschwägerte Verwandte ersten Grades in die Pflicht genommen werden. Ein Blick ins Familienbuch, das es seit 1958 gibt, hilft dem Beamten manchmal weiter, wenn der Verstorbene nicht aus Lohr stammt.
Nicht immer gelingt es aber sofort, Hinterbliebene zu finden. Dann veranlasst der Beamte die Bestattung und schickt die Rechnung später den zahlungspflichtigen Angehörigen zu. Begeisterung löst der Brief aus dem Rathaus bei diesen in den meisten Fällen nicht aus. Scheiner erlebt immer wieder, dass "die Leute versuchen, sich aus der unerfreulichen Situation herauszuwinden, in dem sie sagen, sie würden den Toten gar nicht kennen oder sie hätten schon 40 Jahre lang nichts mehr mit ihm zu tun gehabt."
Gesetz kennt kein Pardon
Hart trifft es Kinder, die nie einen Vater hatten, der für sie gesorgt hat, aber jetzt für seine Begräbniskosten aufkommen sollen. Manchmal kommt es gar noch schlimmer, denn Verwandte sind selbst dann zahlungspflichtig, wenn sie nichts erben. "Ein Erbe kann man ausschlagen, die Übernahme der Bestattungskosten dagegen nicht", beruft sich Scheiner auf das Bestattungsgesetz, das kein Pardon kenne.
Auch wenn er aus menschlicher Sicht die Reaktion der Angeschriebenen durchaus verstehen kann, wird er trotzdem versuchen, die Schulden einzutreiben - notfalls mit Hilfe des Gerichtsvollziehers. Der Zwangsvollstreckung könne nur entgehen, wer vors Verwaltungsgericht zieht. "Dann entscheiden die Richter, ob es dem Hinterbliebenen moralisch zuzumuten ist, die Bestattungskosten zu bezahlen."
Allein die Tatsache, dass der Angehörige selbst arm ist und von Sozialhilfe lebt, zähle dagegen nicht. In diesem Fall würde aber das Sozialamt des Zahlungspflichtigen die Kosten übernehmen, klärt der Standesbeamte auf.
Früher hätte das Sterbegeld in Höhe von 1020 Euro für eine Sozialbestattung durchaus ausgereicht. Nachdem aber die Krankenkassen diese Leistung gestrichen hätten, müsse die Behörde immer öfter auf hinterbliebene Verwandte zurückgreifen. "Schließlich ist auch nicht einzusehen, dass die Bürger die Kosten tragen sollen", rechtfertigt der Beamte sein Vorgehen.
Zehn- bis 15-mal jährlich veranlasste die Stadt Lohr in der Vergangenheit eine Bestattung von Amts wegen. Meistens handelte es sich dabei um ehemalige Bewohner des Bezirkskrankenhauses. In den letzten Jahren scheinen sich diese Fälle zu häufen, hat Scheiner beobachtet, "denn die Zahl der Singles und damit der Toten ohne Hinterbliebene nimmt stetig zu."
Bei Verstorbenen aus dem Bezirkskrankenhaus kann der Rathaus-Mitarbeiter auf das "geschützte Vermögen" zurückgreifen und über das Nachlassgericht wenigstens den größten Teil der Bestattungskosten einfordern. Hatte der Verstorbene seinen letzten Wohnsitz nicht in Lohr, ist seine ehemalige Heimatgemeinde zur Kostenerstattung verpflichtet.
"Die Zahl der Toten ohne Hinterbliebene nimmt stetig zu"
Bernd Scheiner Lohrer Standesamt
Anders sieht es aus, wenn ein allein stehender Lohrer in seiner Wohnung verstirbt. Dann nimmt Scheiner seine Tätigkeit als Nachlass-Sucher auf. Das heißt, er und ein Rathauskollege suchen in der Wohnung des Verstorbenen nach Bargeld, Sparbüchern und verwertbaren Gegenständen: "Man sieht schon, ob noch etwas zu holen ist", mutmaßt Scheiner, der nicht gerne in den Schubladen und Schränken der Verstorbenen wühlt.
Ist die Wohnung stark vermüllt und heruntergekommen, deute das eher darauf hin, dass keine Vermögenswerte mehr vorhanden sind. In solchen Fällen bleibe nur noch die Entrümpelung der Wohnung. Die Kosten dafür muss der Vermieter tragen. Anders als in der Boulevard-Presse schon zu lesen war, hatte zum Beispiel in Lohr noch nie ein Sozialhilfeempfänger ein Millionenvermögen unter seiner Matratze versteckt.
Damit die Stadt nicht auf einer hohen Bestattungsrechnung sitzen bleibt, schöpft man im Rathaus alle Möglichkeiten aus, um das Begräbnis so preisgünstig wie möglich zu gestalten. Preisgünstig heißt: Feuerbestattung und Beisetzung der Urne auf einem anonymen Urnenfeld am Lohrer Stadtfriedhof.
Dass die Kommunen sparen müssen, wissen auch geschäftstüchtige Bestatter. Ein Unternehmen aus Utting am Ammersee bietet inzwischen Sozialbestattungen zum Dumpingpreis von 999 Euro an. In dem Komplettpaket sind Sarg, Einäscherung, Überführung und Urne bereits inbegriffen. Scheiner vermutet, dass "die Toten zur Einäscherung nach Tschechien gebracht werden, denn das Schweinfurter Krematorium kann nicht so billig arbeiten." Den "kostengünstigen Bestattungsservice", wie der Bestattungsdiscounter sein Angebot nennt, können übrigens auch die Hinterbliebenen in Anspruch nehmen.