Die Stadt Lohr lehnt es ab, sich durch einen kommunalen Zuschuss an einer Vergünstigung des für Schüler und Auszubildende existierenden 365-Euro-Tickets zu beteiligen. Der Finanzausschuss des Stadtrats votierte in seiner jüngsten Sitzung einstimmig gegen einen solchen Zuschuss, der die Stadt aktuell, bei allerdings wohl steigender Tendenz, rund 18.000 Euro pro Jahr kosten würde.
Hauptargument war, dass Lohr freiwillig schon viel Geld für einen attraktiven Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ausgebe. Weitere Mehrausgaben könne man sich wegen der angespannten Finanzlage nicht leisten. Überdies handle es sich bei dem 365-Euro-Ticket schon jetzt um ein günstiges Angebot, das keine weitere Bezuschussung erfordere, so der Tenor.
Ermäßigung im Kreis Würzburg
Dieses Ticket gibt es im Verkehrsverbund Mainfranken (VVM) seit August 2020. Es ermöglicht Schülern und Schülerrinnen und Auszubildenden für einen Jahrespreis von 365 Euro die Benutzung des ÖPNVs im gesamten Verbundgebiet. Dieses umfasst die Landkreise Main-Spessart, Würzburg und Kitzingen sowie die Stadt Würzburg. Im Kreis Würzburg aber kostet das 365-Euro-Ticket seit 2021 nur noch 165 Euro. Grund: Der dortige Landkreis und der Großteil der Kommunen geben jeweils einen zusätzlichen Zuschuss von 100 Euro.
In Main-Spessart gibt es nun die Diskussion, ob man genauso verfahren soll. Das Landratsamt hat alle Kommunen gefragt, ob sie zu einem Zuschuss von 100 Euro pro von Gemeindebürgern gekauftem 365-Euro-Ticket bereit wären. Würde auch der Landkreis 100 Euro zuschießen, hätten auch Auszubildende und Schüler aus Main-Spessart künftig für nur 165 Euro pro Jahr freie Fahrt im VVM-Gebiet. Selbst zahlen müssen das Ticket freilich nur Schüler ab der elften Klasse sowie Auszubildende. Für jüngere Schüler übernimmt der Schulaufwandsträger die Kosten.
Otto Mergler, Leiter der für den Stadtbus zuständigen Lohrer Stadtwerke, bezeichnete in der Sitzung das 365-Euro-Ticket in seiner jetzigen Form als eine "tolle Sache" für die Nutzer.
Ausgaben stark gestiegen
Mergler verwies aber auch darauf, wie sich der Aufwand der öffentlichen Hand für den ÖPNV in den vergangenen Jahren entwickelt habe. So hätten sich die Ausgaben des Landkreises für den ÖPNV in den vergangenen vier Jahren nahezu verzehnfacht, von rund 480.000 Euro auf 4,6 Millionen. Das Geld komme letztendlich über die Kreisumlage von den Kommunen. Da Lohr rund elf Prozent dieser Kreisumlage zahle, sei sie also mit rund 500.000 Euro an den ÖPNV-Kosten des Landkreises beteiligt, so Merglers Rechnung.
Zähle man das jährliche Defizit des Stadtbusses von knapp 500.000 Euro hinzu, lasse sich Lohr den ÖPNV rund eine Million pro Jahr kosten. "Das kracht richtig", sagte Mergler und prognostizierte einen weiteren Anstieg der ÖPNV-Kosten, beispielsweise aufgrund der Treibstoffpreise. Nicht vergessen dürfe man, dass Inhaber von 365-Euro-Tickets in den von der Stadt finanzierten Lohrliner-Bussen mitfahren können, ohne dass die Stadt hierfür Geld erhalte.
Das 365-Euro-Ticket sei ein "hervorragendes Angebot", das keine weitere Preissenkung durch kommunale Zuschüsse nötig habe, sagte Mergler. Ohnedies hingen die Fahrgastzahlen nicht von Ticketpreisen ab, sondern von der Attraktivität der Linienverbindungen und Taktung. Dies zeigten andernorts gemachte Erfahrungen beispielsweise mit 0-Euro-Tickets.
Paul rät zu Ablehnung
Bürgermeister Mario Paul bekannte, dass Familien sich über weitere Vergünstigungen des 365-Euro-Tickets sicher freuen würden. Aus Sicht der Stadt könne er einen kommunalen Zuschuss dazu jedoch nicht empfehlen, so Paul mit Blick auf die Lohrer Finanzlage. Natürlich sähen die Kommunen die Aufgaben im ÖPNV. Jedoch herrsche in der "kommunalen Familie zunehmend Frust", weil die Gemeinden an die Grenzen ihrer finanziellen Belastbarkeit angekommen seien. Im Fall der Stadt Lohr jedenfalls müsse er den Räten empfehlen, einen Zuschuss zum 365-Euro-Ticket abzulehnen.
Die Räte folgten dieser Empfehlung einstimmig und ohne große Diskussion. Ulrike Röder (Grüne) erklärte, dass es statt eines regionalen Tarif-Flickenteppichs bayern- oder gar bundesweit gültige günstige Angebote geben müsse, um Ungleichbehandlung zu verhindern. Dirk Rieb (CSU) und Peter Sander (FDP) sagten, dass Lohr auf den zusätzlichen Zuschuss getrost verzichten könne, weil man als Stadt sehr viel in den ÖPNV investiere.
Gibt es noch ein Umdenken?
Ruth Steger (SPD) äußerte die Sorge, dass Lohr als einzige Gemeinde im Kreis dastehen könnte, die den Zuschuss verweigere. Dazu erklärte Mergler, dass er bisher von anderen Gemeinden tatsächlich eher den Zuschuss befürwortende Stimmen gehört habe. Allerdings müsse man das würdigen, was Lohr bereits für den ÖPNV tue. Womöglich hätten sich manche Gemeinderäte auch nicht ausreichend mit dem Thema auseinandergesetzt, so Mergler.
Bürgermeister Paul sprach davon, dass er davon ausgehe, dass der Druck auf Lohr in der Zuschussfrage noch wachsen könnte. Eventuell könne man sich im Zuge der Haushaltsberatung für das Jahr 2023 nochmals mit dem Thema befassen.