„Die Sache hat ein sehr starkes Geschmäckle, aber wir haben keine Beweise“, musste der Staatsanwalt in der Verhandlung am Amtsgericht gegen einen 26-jährigen Mann aus dem Raum Karlstadt eingestehen. Dieser sollte laut Anklage im Internet und im Darknet Drogen gekauft und weiterverkauft haben. Von den sechs Anklagepunkten blieb jedoch nur einer wegen des Besitzes einer geringen Menge Rauschgifts übrig.
Geldstrafe von 300 Euro für Drogenbesitz
Eine Geldstrafe von 300 Euro (20 Tagessätze zu je 15 Euro) war die Quittung für den Besitz von Rauschgift, das die Polizei bei einer Hausdurchsuchung im Februar bei dem jungen Mann gefunden hatte. Von den anderen Vorwürfen wurde der arbeitslose Mann freigesprochen. „Ich bin unzufrieden mit dem Ergebnis der Beweisaufnahme“, sagte der Staatsanwalt. Die wenigen Indizien reichten auch ihm für eine Verurteilung nicht aus. Deshalb beantragte er nur die Verurteilung wegen Drogenbesitzes.
Der Fahnder der Polizeidirektion Hannover wurden auf den Mann aufmerksam, als sie eine dreiköpfige Bande auffliegen ließen, die unter den Namen „Chemical Love über einen Online-Shop weltweit Drogen verkauft hatten. Seit 2015 stand die Gruppe, die ihre Ware überwiegend aus den Niederlanden bezog, unter Beobachtung. „Alles, außer Marihuana war im Angebot“, wie die Sachbearbeiterin aus Hannover dem Schöffengericht in Gemünden unter dem Vorsitz von Richter Thomas Schepping berichtete.
Warenpakte im Netz angeboten
Nahezu monatlich hatte „Chemical Love“ Pakete im Netz angeboten, so wie normalerweise Verbrauchermärkte ihre Werbung anbringen. „Das ist wie bei Amazon mit einem Warenkorbsystem“, berichtete die Polizeibeamtin. Drogen im Wert von rund 200 Euro wurden im Paket zu etwa 120 Euro verkauft. Verschickt wurden sie meistens auf dem Postweg in Luftfolienumschlägen. Etwa 80 Kilogramm Drogen stellten die Fahnder im Keller eines Wohnhauses sicher. Zusätzlich 2152 Bestelllisten, darunter fünf mit der Adresse des 26-jährigen Angeklagten.
Einen Einblick in die Geschäftsabwicklung beim Drogenkauf gab die Polizeibeamtin vor Gericht. Nach der Bestellung per E-Mail wurde mit der digitalen Währung Bitcoin bezahlt. Erst, wenn die Bestellung zusammen mit dem Zahlungseingang in einem Postfach auf dem Rechner der Lieferanten gelandet war, wurden Ausdrucke erstellt und die heiße Ware verschickt. Wie sich im Prozess gegen die drei Dealer in Hannover zeigte, war das System nicht perfekt, zu oft kam es zu Nicht- oder Doppellieferungen.
Bei Hausdurchsuchung war kein PC da
Hinweise auf Bestellungen des Angeklagten hatten die ermittelnden Beamten der Kripo Würzburg jedoch keine gefunden, bei der Hausdurchsuchung war kein PC vorhanden. Das Handy des jungen Mannes wurde vor Ort durchsucht, auch darin fanden sich keine Hinweise.
Allerdings ließ das Bestellsystem des Internethändlers die Möglichkeit zu, dass Kunden ihre Geschäfte über eine andere E-Mail-Adresse tätigten. Wie sich bei den weiteren Ermittlungen herausstellte, hatten zwei Personen aus dem Raum Schweinfurt davon Gebrauch gemacht. Auf diese Geschäftspraxis machte der Verteidiger in der Verhandlung in Gemünden aufmerksam. „Über die eigenen Daten zu bestellen, ist lebensfern“, sagte der Jurist, der über reichlich Erfahrung aus Drogenprozessen verfügt.
„Da hat sich jemand einen sehr bösen Scherz auf Kosten meines Mandanten erlaubt“, meinte er.
Besserer Beweislage hätte Freiheitsstrafe zur Folge
„Wir müssen uns sicher sein, dass Sie die Bestellungen auch getätigt haben“, erklärte Richter Schepping in der Urteilsbegründung. Doch diese Sicherheit hätten Ermittlungen und Beweisaufnahme nicht erbracht. Wären die Vorwürfe bewiesen worden, wäre der Angeklagte für einige Zeit ins Gefängnis gewandert. Für den Besitz von 100 Gramm Amphetamin wäre das etwa ein Jahr gewesen. „Finger weg von Betäubungsmitteln“, gab Schepping dem 26-Jährigen mit auf den Weg. Das Urteil ist rechtskräftig.