Er feiert heute, Samstag, seinen 80. Geburtstag, gehört damit zum Kreis der älteren Menschen, und doch will gerade das Wort "alt" so gar nicht zu ihm passen - die Rede ist von Dr. Jürgen Rosenthal. Vitalität dem pensionierten Kinderarzt absprechen zu wollen, es wäre vermessen. "Ich fühle mich gesundheitlich bestens", sagt er und fügt in dem ihm eigenen launigen Humor hinzu: "Und kurzsichtig war ich immer schon." Sein Rentnerdasein - er praktiziert seit nunmehr 15 Jahren nicht mehr - weiß er auszufüllen.
Wandern, vor allem im Spessart, gehört dazu. Die Liebe zu Natur und Botanik habe ihm seine Mutter vermittelt, erläutert er. Er ist ein begeisterter Hobby-Koch: "Von alltäglicher Kost bis hin zu ausgefallensten Gerichten geht der Koch-Wettbewerb zwischen meinen drei Kindern und mir - also quer durch die Familie." Ernährung, das ist etwas, was schon lange sein Interesse findet, auch aus medizinischen Gründen.
Eifriger Leser
Rosenthal bezeichnet sich als eifrigen Leser quer durch die Literarur. Russische und amerikanische Schriftsteller können ihn ebenso faszinieren wie deutsche Klassiker und seine Sammlung an Kinderbüchern. Seine Familie hat große Wichtigkeit für ihn - seine Frau Jutta, seine drei Kinder und die neun Enkelkinder. Letztere bieten ein reiches Betätigungsfeld, einem weiteren Hobby zu frönen: dem Fotografieren.
Der Jubilar wurde in Berlin-Schöneberg geboren und ging dort zur Schule. Sein Vater, wie viele seiner Vorfahren seit über 400 Jahren, war Goldschmied und Juwelier. Er selbst sei als sehr dürftiges Kind aufgewachsen, das zum Essen gezwungen werden musste, berichtet er.
Die Sommermonate habe er als Kind an der Ostsee zur Kräftigung verbracht. Einer der Gründe für seine Berufswahl Kinderarzt habe aus diesem Zwang zum Essen resultiert: "Ich wollte anderen Kindern dieses aufgezwungene Muss ersparen."
Ein weiterer und wesentlicher gesellte sich dazu: Er wollte sich als Anwalt für die Kinder engagieren, die mit dem Handicap Lese- und Schreibschwäche belastet sind. "Hier musste Aufklärungsarbeit geleistet werden, damit Kinder belastende Attribute wie ,dumm' oder ,faul' endlich ein Ende finden", betont der Mediziner. Überhaupt nicht begeistert von seiner Berufswahl sei seine Mutter gewesen, blickt Rosenthal zurück. "Wäre es nach ihr gegangen, wäre aus mir ein Marineoffizier oder ein Afrika-Forscher geworden."
1940 wurde Rosenthal, damals noch in Berlin lebend, in den Krieg eingezogen. Er wurde zu einer Truppe nach Frankreich kommandiert, deren Heimatstandort Würzburg war. Mit dieser Truppe machte er dann als Panzerpionier das erste Jahr des Russland-Feldzugs mit. Als einschneidendes Kriegserlebnis nennt er die fünf Jahre in russischer Kriegsgefangenschaft, aus der er erst 1950 nach Würzburg zurückkehrte. Sein Elternhaus in Berlin war bereits 1943 bei Fliegerangriffen zerstört worden. Nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft führte Rosenthal sein in Berlin begonnenes Studium in Würzburg zu Ende.
Flotte Sprüche
1958 heiratete er seine Frau Jutta, Sohn Jens wurde im Jahr darauf geboren. Dr. Rosenthal eröffnete 1959 seine Kinderarztpraxis in der Ludwigstraße über der Hubertus-Apotheke in Lohr. 1960 kam Tochter Isabell zur Welt, 1961 Julia.
"Der berufliche Anfang in Lohr war nicht leicht", sagt Rosenthal rückblickend. Er praktizierte bis zu seinem 65. Lebensjahr, bis 1985. Bereut habe er den Entschluss nie, Kinderarzt zu werden. "Er war Erfüllung für mich." Und noch heute freue er sich, treffe er ehemalige kleine Patienten und deren Mütter in der Stadt zu einem Gespräch. Er schmunzelt, wenn er sagt, gelegentlich werde er von ihnen noch wegen mancher seiner flotten Sprüche zitiert. . .
Seinen heutigen Festtag feiert der Jubilar im Kreise seiner Familie, allerdings nicht in Lohr.