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LOHR: Kläranlage Lohr: Wenn Fußball ist, gibt's das meiste Abwasser

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Kläranlage Lohr: Wenn Fußball ist, gibt's das meiste Abwasser

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    In den beiden Belebungsbecken, dem Herzstück der Lohrer Kläranlage, bilden sich schlammige Blasen. Hungrige Bakterien futtern dort jede Menge Kohlenstoff und reinigen so das Abwasser.
    In den beiden Belebungsbecken, dem Herzstück der Lohrer Kläranlage, bilden sich schlammige Blasen. Hungrige Bakterien futtern dort jede Menge Kohlenstoff und reinigen so das Abwasser. Foto: Fotos: Björn Kohlhepp

    Rund 70 Tonnen Klärschlamm fallen in der Lohrer Kläranlage an – jeden Tag. Klopapier ist dabei überhaupt kein Problem, das wird von hungrigen Bakterien einfach abgebaut. Klar festmachen kann Klärmeister Richard Riedmann, 58, den Zeitpunkt, wann in Lohr das allermeiste Abwasser anfällt: in der Halbzeit von Spielen der Fußball-WM oder -EM. So viel Abwasser auf einmal falle zu keinem anderen Zeitpunkt an.

    Nichts im Abwasser verloren haben Putzlumpen, Zahnbürsten und Konservendeckel – solche Dinge werden in der Lohrer Kläranlage gleich am Anfang mit einem Rechen herausgefischt. „Das sind Sachen, die da nicht reingehören, die ärgern uns“, sagt Klärmeister Richard Riedmann, 58. Was die Stadtwerke aber richtig ärgert, sind reißfeste, watteartige Tücher. „Das zieht sich wie Kaugummi“, erklärt Riedmann.

    In manchen Orten landen mehr Feuchttücher im Klo

    Die Feuchttücher verstopfen seit wenigen Jahren immer wieder die Pumpen der Kläranlage und die 14 Pumpwerke, die das Abwasser aus den Stadtteilen in die Anlage pumpen. Offenbar ist es in manchen Stadtteilen üblicher als in anderen, diese Tücher ins Klo zu werfen, weiß Riedmann. Er will aber nicht verraten, wer es besonders bunt treibt. Vor zehn Jahren habe es das Problem jedenfalls noch nicht gegeben.

    Was für Gewässer und die Umwelt ein massives Problem ist, sind Medikamente und Hormone, etwa durch die Antibabypille. Die landen zur Hälfte im Klärschlamm, die andere Hälfte huscht durch die Kläranlage. Klärmeister Riedmann erklärt, dass er schon an Versuchen, etwa von der TU Darmstadt, beteiligt war. Bei einem hätten Fische durch Rückstände der Antibabypille nur noch weibliche Nachkommen bekommen, bei einem anderen seien Mücken nach mehreren Generationen zeugungsunfähig geworden, was auf Psychopharmaka aus dem Abwasser von Nervenkliniken zurückgeführt wurde. Riedmann wundert sich, dass Deutschland, wo eine Reinigungstechnik dafür entwickelt wurde, diese bisher nicht in Kläranlagen vorschreibt, die Schweiz als Vorreiter aber schon.

    Abwasser von bis zu 40.000 Menschen

    Die Lohrer Kläranlage, zwischen Sendelbach und Pflochsbach gelegen, kann rechnerisch maximal das Abwasser von 40 000 Einwohnern säubern. Zum Abwasser der tatsächlichen Einwohner von Lohr und seinen Stadtteilen bis auf Ruppertshütten kommt durch die Industriebetriebe noch einmal so viel Wasser wie von 10 000 Einwohnern dazu, vom Bezirkskrankenhaus noch einmal das von weiteren 1000 Einwohnern. Tatsächlich wird täglich rechnerisch etwa das Abwasser von 32 000 bis 36 000 Menschen gereinigt, nämlich rund 3500 Kubikmeter. Da sei noch Luft nach oben für Rechtenbach, das ebenfalls an die Lohrer Kläranlage angeschlossen werden soll, erklärt Stadtwerkechef Otto Mergler.

    Die Kläranlage ist 1970 in Betrieb gegangen, seit 1985 wohnt Richard Riedmann samt Familie in einer Dienstwohnung auf dem Gelände. 1996 bis 2000 wurde die Kläranlage grundlegend saniert und erweitert, so dass jetzt auch die Nährstoffe Phosphor und Nitrat (Stickstoff) herausgeholt werden können, die laut Riedmann sonst Algen in Seen und Meeren sprießen ließen. Am Ende sei im geklärten Abwasser weniger Nitrat enthalten als in vielen Gemeinden im Trinkwasser.

    Grenzwerte für Rückstände im Wasser sind genau festgelegt

    Wie viel Rückstände im Wasser, das in den Main fließt, noch enthalten sein darf, sei behördlich festgelegt und unter Strafe bewehrt, sagt Mergler. Deshalb werde an mehreren Stellen ständig die Wasserzusammensetzung überwacht, täglich werden Proben gezogen und im Labor auf dem Kläranlagengelände Messungen vorgenommen. Als Klärmeister muss man firm sein in chemischen Dingen.

    Nicht zum Spaß werde Sand herausgefischt, momentan etwa 120 bis 130 Tonnen im Jahr, den etwa Regen in die Kanäle spült. Riedmann sagt, dass der Sand Pumpen regelrecht kaputt schmirgele. Nach einer Waschung enthalte der Sand weniger organische Stoffe als Sand auf Kinderspielplätzen, sagt Mergler mit einem Grinsen.

    Viel mehr gelöster Schmutz als fester

    Entgegen der landläufigen Meinung machten nicht Feststoffe im Abwasser den meisten Schmutz aus, sondern gelöster Schmutz, erklärt der Klärmeister. Das Verhältnis sei ein Drittel zu zwei Drittel. Gelösten Schmutz bauen Bakterien zu Klärschlamm ab. Der Lohrer Klärschlamm werde im Karlstadter Zementwerk verbrannt oder benutzt, um aufgelassene Braunkohletagebaue zu rekultivieren.

    Theoretisch dürfte er auch auf Felder ausgebracht werden, aber Lohrer Klärschlamm enthalte durch die Industrie geringe Mengen Schwermetalle, die niemand auf dem Feld haben wolle.

    Von den täglich 70 Tonnen Klärschlamm blieben am Ende aber nur ein Drittel übrig, der Rest sei, ebenfalls zu je einem Drittel, Wasser und Gas, erklärt Riedmann. Mit den so gewonnenen 600 bis 700 Kubikmetern Gas betreiben die Stadtwerke ein kleines Blockheizkraftwerk in der Kläranlage, das rund 40 Prozent des Energie- und Wärmebedarfs decke. „Das hat sich schon nach fünfeinhalb Jahren bezahlt gemacht“, sagt Leiter Mergler stolz. „Und das war nicht billig.“

    Herzstück Belebungsbecken

    Das Herzstück der Kläranlage sind die beiden Belebungsbecken. Dort dreht sich beim Besuch zunächst ein dunkelgrün-brauner Schaumteppich im Kreis. Als Riedmann die Belüftung anschaltet, bilden sich schlammige Blasen an der Oberfläche. Die Bakterien vermehren sich dort prächtig und futtern jede Menge Kohlenstoff.

    Maximal schafft die Lohrer Kläranlage 21 000 Kubikmeter Abwasser am Tag. Am Ende laufen aus den beiden Nachklärbecken 70 Liter gereinigtes Wasser pro Sekunde in den Main. Trinkwasser ist das noch nicht. Das gereinigte Abwasser ließe sich aber wieder trinkbar aufbereiten. Das testet auf dem Gelände gerade die Lohrer Firma Mösslein Wassertechnik.

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