Eine knieende Frau, die eine junge Eiche pflanzt: die westdeutsche 50-Pfennig-Münze aus D-Mark-Zeiten symbolisierte die Arbeit unzähliger Frauen, die nach dem Zweiten Weltkrieg tagtäglich in mühsamer Pflanzarbeit die Heimatwälder aufforsteten. Christa Sommer aus Neuendorf war eine dieser „Kulturfrauen“, an die die Münze erinnern sollte.
Froh um jeden Pfennig
Die Schulzeit endete damals mit 14 Jahren und „nach dem Krieg waren wir froh um jeden Pfennig“, so die heute 76-Jährige. Eine Alternative zur Erwerbstätigkeit gab es 1954 noch nicht, daher nahm sie die tägliche Strecke von sechs Kilometern bergauf Richtung Sohlhöhe in Kauf, um dort im Staatswald in den Pflanzgärten zu arbeiten.
Um sechs Uhr morgens in den Wald
Gemeinsam mit Maria Helfrich und Reinhold Neuf lief sie um sechs Uhr am Morgen „naus die Hecke“, egal bei welchem Wetter. Die Aufgaben wies Revierleiter Otto Götz aus Sackenbach an: sähen, pflanzen, Unkraut jäten, lichten, schneiden, Flächen säubern – nicht nur innerhalb der Pflanzgärten, auch im Waldgebiet rund um die Sohlhöhe. Montag bis Freitag neun Stunden täglich, von März bis Oktober.
Samstags zur Nacharbeit
In den Monaten, in denen es am Abend früh zu dämmern begann, musste die fehlende Arbeitszeit an den Samstagen nachgeholt werden. Götz kam täglich mit seinem Motorrad zu Kontrollbesuchen vorbei.
Mit einem Stundenlohn von 45 Pfennigen trug Christa Sommer zur Familienkasse bei. Kaufte sie ein Stück Wildbret, behielt der Forstleiter die Kosten dafür gleich ein. Reinhold Neuf hingegen erhielt bereits 55 Pfennige pro Stunde. Er war als Forstlehrling mit mehreren Aufgaben betreut, half bei der Kulturarbeit, beim Wegebau, machte „alles, was so angefallen ist“. Als Forstwirt und später als Haumeister blieb er seinem Heimatwald 42 Jahre lang treu.
Zwei Pflanzgärten
Nach Kriegsende arbeiteten Kulturfrauen aus Neuendorf, Sackenbach und Ruppertshütten gemeinsam mit einzelnen Vor- und Waldarbeitern im Gebiet rund um die beiden Pflanzgärten: der „obere“ in Nähe der Sohlhöhe, der kleinere „untere“ Pflanzgarten auf Höhe des heutigen Sohlsees, besser bekannt als Wambachsee.
Zeugen dieser Zeit sind noch immer sichtbar: der obere Garten ist durch die Einzäunung in seiner Form noch erhalten. In der Sohlhütte auf dem Grundstück der Forstverwaltung übernachten heute gelegentlich Waldarbeiter und Förster. Auf dem Grund des kleineren ehemaligen Pflanzgartens erinnern nur noch Mauerreste an die Hütte von damals. In ihr wurden Werkzeuge gelagert, hier stellten sich die Frauen bei starken Regenschauern unter. Wasser für die Pflanzen holten sie am „Bösen Brünnle“ in der Nähe der Schwerspatgruben, aus der Sohlquelle oder dem dazugehörende Bachverlauf.
Vor allem Frauenarbeit
Gunter Hahner, stellvertretender Forstbetriebsleiter der Bayerischen Staatsforsten in Hammelburg, benennt den Grund für den wichtigen Einsatz der Kulturfrauen: Die Reviere sollten autark mit frischem Pflanzgut besonders bei seltenen Baumarten sein. Eine hohe Qualität der selbsterzogenen Laubholzpflanzen und später auch der Douglasien, vorrangig für den Eigenbedarf, waren das Ziel. In fast jedem Forstrevier des Staatswaldes gab es daher Pflanzgärten, überwiegend bewirtschaftet durch Frauen in Saisonarbeit von Frühjahr bis Herbst. Vereinzelt waren Stammarbeiter auch über mehrere Jahre hinweg beschäftigt.
Bis zu einen Hektar groß
Die Verantwortung hierfür trugen die jeweiligen Revierleiter. Als Voraussetzungen für die Anlage der bis zu einen Hektar großen Pflanzgärten galten der nährstoffreiche Waldboden sowie die Nähe zu Wasserquellen. Von Vorteil war außerdem eine vorhandene Hütte. Zum Teil existierten Pflanzgärten bereits während des Zweiten Weltkriegs. In der Nachkriegszeit wuchs ihre Anzahl zusätzlich an. „Der Wald hat als Arbeitsplatz eine große Rolle gespielt“, so Gunter Hahner. Die mühsame Arbeit von damals trug ihren Anteil dazu bei, dass der Wald in der heutigen Form besteht.
Bis Ende der 1970er
Aufgrund der zunehmenden Anzahl der Industriebetriebe ab Ende der 1950iger Jahre wechselten viele Frauen ihren witterungsbedingten Arbeitsplatz, zudem oft mit besseren Verdienstmöglichkeiten. Wieder neu entstandene Forstbaumschulen traten zudem in Konkurrenz zu den kleinen Pflanzgärten. Deren lukrative Angebote und die betriebswirtschaftliche Kalkulationen der Forstämter führten schließlich dazu, dass die Zahl der Pflanzgärten im Laufe der Zeit zurückging. Ende der 1970iger Jahre wurden die letzten ihrer Art aus wirtschaftlichen Gründen aufgegeben.
Stammarbeiterin Albert
Sophie Albert gehörte zu den Stammarbeiterinnen: Zwölf Jahre lang war auch sie eine dieser Kulturfrauen, deren Geschichte langsam in Vergessenheit gerät. Als eine der ersten Neuendorferinnen lief sie in den Anfangsjahren alleine in den Wald, um sich im Pflanzgarten mit den Sackenbacher Frauen zu treffen.
Begegnungen mit Wildschweinen, Hirschen, Rehen und selbst Wilderern machten ihr nichts aus: „Du brauchst keine Angst zu haben: Die Tagdiebe gehen nicht in die Hecke.“ Dieser Satz ihrer Freundin machte sie mutig: „Ich hatte keine Angst – nie“.
86 Pfennig Stundenlohn
Als Festangestellte erhielt sie einen Stundenlohn von 86 Pfennigen, die der Familiengeldkasse zugutekamen. „Wir haben ja nix gehabt nach dem Krieg“, erinnert sich die 89-jährige, die damals dankbar für diese Erwerbsmöglichkeit war. Später wechselte sie, wie auch Christa Sommer, in die Schreibfedernfabrik Willert in Neuendorf.
Wenn die beiden heute durch ihren Heimatwald spazieren, sind sie froh und auch ein bisschen stolz darauf, ihren Teil dazu beigetragen zu haben. Denn ohne die Kulturfrauen von damals wäre der Wald sicher nicht so, wie wir ihn kennen.