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PARTENSTEIN: Kunst und Gerümpel: Skurrilitäten in Partenstein

PARTENSTEIN

Kunst und Gerümpel: Skurrilitäten in Partenstein

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    Trödler Günter Rambotzki in seinem Reich in Partenstein mit einem Karussellpferd aus Ruppertshütten.
    Trödler Günter Rambotzki in seinem Reich in Partenstein mit einem Karussellpferd aus Ruppertshütten. Foto: Fotos: Björn Kohlhepp

    In der verfallenden alten Schuhfabrik in Partenstein, gleich neben dem Bahnhof, gibt es auf mehreren Etagen ein wahres Skurrilitätenkabinett: ausgestopfte Tiere, NS-Devotionalien, eine Ritterrüstung, einen Bierkrug mit Franz Josef Strauß darauf. Außerdem ein Sammelsurium aus alten Möbeln, Büchern, Porzellan, Schallplatten und allerhand Krimskrams. Am Eingang steht ein hölzernes Karussellpferd aus Ruppertshütten, über das nichts weiter bekannt ist, neben einem großen chinesischen Drachen, ebenfalls aus Holz, angeblich aus den 50ern vom ersten Chinarestaurant Frankfurts.

    „Sie müssen ja nicht alles fotografieren, was Gerümpel ist“, ruft einem beim Gang durch die menschenleeren Räume der Herr dieses 1000-Quadratmeter-Reichs, der Lohrhauptener Günter „Rambo“ Rambotzki, hinterher. Zum Putzen sei er auch länger nicht mehr gekommen, sagt er entschuldigend zu dem Staub und den Spinnweben. Das ganze Gelerch nennt der 78-Jährige „Rambos heiße Hütte“. Als Kind schon sei er Rambo gerufen worden. „Da gab's den Sylvester Stallone noch gar nicht“, sagt der redselige Trödler berlinernd.

    Viel Seemannsgarn aus Berlin

    Der gebürtige Berliner kann über seine Trödelware Geschichten erzählen, dass einem die Ohren schlackern. Was etwa ist von einer alten Kopfweide zu halten, die angeblich von einem Friedhof in Rumänien oder Bulgarien stammt, und die ganz von selbst immer wieder Totenköpfe und sogar ein Teufelsantlitz geformt habe, bis es den Leuten dort gereicht und sie sie gefällt hätten? Die in Partenstein sei nur eine von mehreren. Klingt nach reichlich Seemannsgarn. Zu den Schnitzspuren an dem Stück, mit dem er schon im Fernsehen gewesen sei, sagt Rambotzki, dass die natürlich geformten Köpfe darauf so nur hervorgehoben worden seien.

    Ein weiteres Beispiel gefällig? Vor dem Eingang zu Rambotzkis Reich, wo sich ein paar Einheimische an einem Stehtisch beim Plaudern mit dem Hausherrn ein Bier gönnen, liegt eine Eisenkugel an einer Kette. Diese stamme aus dem Zuchthaus im sächsischen Bautzen. Der Vorbesitzer habe ihm auch jede Menge Akten verhökert, in denen es um Dinge wie Hinrichtungen gegangen sei. Das Ganze habe ihm, der damals noch unerfahren gewesen sei, gleich jemand für wenig Geld abgekauft.

    Tafelservice von Heimatvertriebenen

    Eine nette Geschichte hat der begabte Geschichtenerzähler Rambotzki zu einem Tafelservice – „nie benutzt worden“ – aus dem ehemals deutschen, heute polnischen Sorau. Deutsche Flüchtlinge hätten das auf ihrer Flucht mitgenommen. Irgendeine Frau, genauer wird der Trödler nicht, habe ihm erzählt, dass sich vorher mehrere deutsche Dörfer zusammengetan und ihren Goldschmuck gemeinsam eingeschmolzen und daraus einen Ofen gegossen hätten. Das schwere Trum hätten sie schwarz angestrichen, um ihn wie einen normalen Ofen aussehen zu lassen, doch irgendwie muss er doch abhanden gekommen sein.

    Seit 13 Jahren schon nutzt Günter Rambotzki die alte Schuhfabrik Schantz als Trödelgeschäft. In den 80er Jahren kam der Kaufmann mit seiner Frau aus West-Berlin nach Lohrhaupten, arbeitete beim Großhändler Metro. In Berlin habe er ein Ausflugslokal und drei Geschäfte für Getränke und Lebensmittel betrieben. „Wir wollten raus aus Berlin, da war die Mauer drum, das war alles nichts“, sagt er. Nach der Verrentung habe er zu seiner 21 Jahre jüngeren Frau gesagt: „Wir können den ganzen Tag im Garten stehen oder ich mache ein Ausflugslokal oder einen Trödelladen auf.“

    „Millionär wird man hier nicht.“

    Der Dauerflohmarkt ist für ihn eine gute Rentenaufbesserung, sagt er. „Millionär wird man hier nicht.“ Die nach 1989 leer stehende Schuhfabrik habe er schon länger im Auge gehabt. Er wundert sich, dass niemand ein Altenheim daraus gemacht habe: „Das wär doch mal ein Altenheim gewesen. Aus den vielen Fenstern hätten die alten Leute was zu gucken gehabt“, sagt er. „Nicht so“, er deutet auf das nicht weit entfernte Partensteiner Altenheim, „wie dort.“ Das meiste, was in seiner heißen Hütte zum Verkauf steht, hat er aus Entrümpelungen. Er legt auf die Erwähnung wert, dass Kunden Verwertbares auf den Entrümpelungspreis angerechnet bekämen.

    Lohrer Schild „Adolf-Hitler-Platz“ fand einen Abnehmer

    Auf einem Lohrer Dachboden fand sich ein Schild „Adolf-Hitler-Platz“, das er vergangenes zu verkaufen hatte. Das sei total schwarz gewesen. Beim Abwischen sei dann das blau-weiße alte Straßenschild zum Vorschein gekommen. Für derlei Relikte aus der NS-Zeit habe er Stammkunden von weither, die immer wieder kämen.

    Auch das Schild hat ein Sammler gekauft. Auf einer Vitrine hat er einen großen metallenen Reichsadler, der in den Klauen einen Kranz mit Hakenkreuz hält, liegen. Das Hakenkreuz hat er mit einem Zettel abgeklebt. Das und anderes Nazizeug dürfe jeder Erwachsene kaufen, er selbst müsse im Laden bloß die Hakenkreuze abkleben, sonst bekomme er Ärger. Normalerweise kaufe er nichts an, bei dem Nachlass eines NS-Sammlers, machte er jedoch eine Ausnahme. Derlei Dinge gehen offenbar weg wie warme Semmeln.

    Inzwischen meint er, ein Gefühl dafür entwickelt zu haben, welche Dinge etwas wert sind. Manche Sachen bringt er auch zu Auktionshäusern. Mit Katalogen sei das eine Sache. Er hat eine Reihe Münz- und Auktionskataloge, in denen er gelegentlich nach Preisen schaut. Ansonsten verlässt er sich auf sein Gefühl. „Ich mach auch kein Internet, das wird mir zu viel. Ich hab lieber Freizeit.“

    Es soll so lange gehen, wie er kann

    Die Trödelei will der 78-Jährige so lange machen, wie er kann. „Der Kontakt mit Kunden ist eine schöne Sache.“ Früher halfen ihm seine beiden Söhne und seine Frau, aber die Söhne seien erkrankt bzw. verzogen und seine Frau müsse sich um ihre kranke Mutter kümmern. Dreimal die Woche, Donnerstag bis Samstag, hat er geöffnet. Wenn er öfter aufhätte, würde bloß das Finanzamt die Hand aufhalten, glaubt er.

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