„Schau einem Alpaka nie zu tief in die Augen, du könntest dich verlieben“, besagt ein alter Spruch, der aus der Indianersprache Quechua kommt. Roland Reißig und seine Frau Daniela haben sich nicht daran gehalten, und nun grasen gleich vier Alpakas auf der Weide hinter ihrem Haus in Schraudenbach. Aragon, Lukas, Flecki und Pepina scheinen sich hier pudelwohl zu fühlen.
Eigentlich haben die Tierliebhaber eine Pferderanch mit zwei eigenen Pferden und weiteren, die hier von ihren Eigentümern untergestellt werden. Auf einer Messe in Stuttgart, die das Ehepaar besuchte, war aber ein Alpaka-Züchter aus Nürtingen mit seinen Tieren dabei. „Wir sind gleich fasziniert gewesen“, erzählt Roland Reißig.
Bei einem Besuch auf der Alpakafarm des Züchters war es dann vollends um das Ehepaar geschehen, auf dessen Ranch auch Hunde, Katzen und Hühner leben. Doch eines war klar: „Man kann nicht einfach mal so ein Alpaka kaufen, ohne sich vorher mit dem Tier, seiner Herkunft und seiner Lebensweise zu beschäftigen“, sagt Daniela Reißig. So besuchte sie gemeinsam mit ihrem Mann ein Einsteigerseminar für Alpaka-Halter. Erst dann wagten sie den nächsten Schritt, nämlich die Anschaffung von vier Tieren. „Alpakas sind Herdentiere. Deshalb sollte man mindestens drei davon halten“, so Roland Reißig.
Vom Fressen her sind die Tiere, die ursprünglich aus den südamerikanischen Anden stammen, eher unkompliziert. Gras und Heu sind ihre Hauptnahrung, dazu gibt's speziell abgestimmte Mineralstoffgemische, die zugefüttert werden. Auch klimatisch sei das Leben in Deutschland kein Problem: „Normalerweise leben sie in der Höhe der Anden und kennen extreme Temperaturgegensätze“, erklärt der 49-Jährige. So können sie auch bei Schnee mal draußen sein, ohne zu frieren, zumal ihr dickes Fell sie vor der Kälte schützt.
Er mag an den Tieren ihre ruhige Art und die Gelassenheit, die sie ausstrahlen. Besonders das leise Gurren „Hmm“, das die Tiere verlauten lassen, wenn sie zufrieden sind, gefällt ihm. „Da wird man selbst ganz ruhig.“ Dass die Tiere schon Vertrauen zu ihnen gefasst haben, merkt das Ehepaar jeden Tag ein bisschen mehr. Anfangs seien ihre Huacaya-Alpakas sehr scheu gewesen, mittlerweile könne man den oder oder anderen schon streicheln. „Trotzdem sollte man sich nur ganz langsam und vorsichtig nähern, damit sie nicht erschrecken“, erklärt Daniela Reißig. Wenn sich ein Alpaka bedroht fühlt, spuckt es schon mal. „Das kommt aber wirklich nicht oft vor“, sagt sie lachend.
Erst kürzlich wurden die Alpakas geschoren. „Vor dem Sommer sollte man das machen, damit sie nicht zu sehr schwitzen.“ Dafür nahmen die Reißigs extra an einem Scher-Kurs teil, denn Scheren ist gar nicht so einfach. Begeistert ist die 46-Jährige von dem weichen Vließ, der von den Inkas auch als Götter-Vließ bezeichnet wurde. „Die Fasern sind ganz fein und wertvoll. Ich werde uns dieses Jahr erstmal Bettdecken mit Alpaka-Wolle befüllen.“
Seit die vier neuen Freunde aus der Familie der Kamele auf der Pferderanch leben, sind sie in der Umgebung die Attraktion. Es vergeht kaum ein Tag, an dem die drei Hengste und eine Stute keinen Besuch bekommen.
Die Leute sind neugierig, zumal es die einzigen Tiere dieser Art im Umkreis von etwa 200 Kilometern sind. Aber: „Bitte nicht füttern. Wir wollen nicht, dass unsere Tiere erkranken“, erklärt Roland Reißig. Vor Kurzem ist das Paar mit seinen Schützlingen spazieren gegangen. Zur Eisdiele nach Werneck. „Da haben wir Aufsehen erregt.“
Mit ihren Alpakas wollen die Tierliebhaber Trekkingtouren anbieten, erstmal um Werneck herum, später vielleicht auch im Gramschatzer Wald. Auch an Kindergeburtstagen könnten die Tiere zum Einsatz kommen. Bepackt werden sollen sie aber nicht. „Sie sind keine typischen Lasttiere. Es geht hier um das Erlebnis, mit dem Alpaka in der Natur unterwegs zu sein“, so Roland Reißig.
Längerfristig denkt das Ehepaar auch darüber nach, ein Tier für tiergestützte Pädagogik einzusetzen, zum Beispiel im Bereich Altenpflege oder psychische Erkrankungen. „Durch ihre Ruhe und ihr liebenswertes Wesen sind sie dafür gut geeignet“, weiß Daniela Reißig. Natürlich sei zu diesem Zweck noch jede Menge professionelles Training nötig.
Und wer weiß: Vielleicht gibt es nächstes Jahr auf der Crazy-Horse Ranch sogar kleine Alpaka-Babys, so genannte „crias“. Die Reißigs würden eine Zucht nämlich nicht ausschließen und sind bereits dabei, eine weite Alpaka-Stute auf den Hof zu holen. Getreu dem Sprichwort: „Schau einem Alpaka nie zu tief in die Augen, du könntest dich verlieben.“