(gnä) „Langweilig war's nicht.“ Auf diesen kurzen Nenner brachte Unternehmer Rudolf Englert am Freitag sein Leben auf die anlässlich seines 90. Geburtstags gestellte Frage von Lohrs dritter Bürgermeisterin Rosemarie Stenger. Ein Beispiel für Englerts Bescheidenheit. Das Leben des Jubilars war bewegt und ganze Ordner dokumentieren sein Lebenswerk und seiner Firma Chronik.
„Ich habe noch so viele Ordner, deshalb habe ich noch soviel zu tun“, sagt Englert. Langweilig wird es dem Jubilar anscheinend auch heute noch nicht, zu ausgefüllt sind seine Tage. Ganz kann er seine Firma noch nicht im Stich lassen, die heute Sohn Ulrich führt und die er seit den 80-er Jahren Schritt um Schritt an ihn abgegeben hat. Zu verbunden ist der 90-Jährige mit der Feinkostspezialitätenfirma Englert GmbH & Co. KG an der Rechtenbacher Straße.
Eigentlich wollte er Jurist werden
Dabei hatte er eigentlich beruflich etwas ganz anderes machen wollen, nämlich Jura studieren. Ganz genau kann er sich noch daran erinnern, wie sein Leben eine andere Richtung nahm, als er sich nach der Kriegsgefangenschaft im Herbst 1945 zum Jura-Studium in Würzburg anmelden wollte: „Der Professor saß im zerstörten Gebäude und hat gesagt: Junger Mann, das wird so schnell nichts werden, schauen sie sich anderweitig um!“.
Das hat der damals 24-Jährige auch getan und ist in die Firma seines gleichnamigen Vaters Rudolf eingestiegen. „Wir bauen auf“, hatte dieser damals gesagt, nachdem er nach den Kriegswirren von Berlin über Landau und Kitzingen 1945 in seinen ursprünglichen Geburtsort Lohr zurückgekehrt war. Hier stellte er die Firma neu auf.
„Mein Vater war der starke Mann“, beschreibt Rudolf Englert den Senior, der damals nach dem Krieg kurz als Bürgermeister von Lohr und danach als Landrat eingesetzt worden war. Aber auch der Sohn trat in die Fußstapfen seines aktiven Vaters: Die Industrie- und Handelsgremien Lohr, Gemünden und Marktheidenfeld führte er zusammen, jahrelang hatte er den Juniorenarbeitskreis der Kammer geleitet. Fast 30 Jahre bis 1986 gehörte er dem IHK-Gremial-ausschuss auf Kreisebene an, davon neun Jahre als dessen Vorsitzender, um nur einige Daten zu nennen.
In den 50er Jahren leitete Rudolf Englert den Kreisjugendring Lohr; Mitte der 80er Jahre führte er den Rotary-Club Lohr-Marktheidenfeld.
Auch in der Lohrer Kirchenverwaltung hatte er sich schon immer stark eingebracht. Daraus resultierte auch sein großes Engagement für die Lohrer Valentinuskapelle, um deren Erhaltung er sich seit Anfang der 70er Jahre bis heute mit Leidenschaft kümmert. „Wir pflanzen demnächst dort eine neue Linde; das Ambiente soll erhalten bleiben“, plant er weitere Aktionen. Auch dafür, dass dort in nächster Zeit mehr Konzerte stattfinden sollten, plädiert er. Dieser Tage wurde er für sein Engagement in der Valentinuskapellen-Kirchenstiftung mit der Ehrennadel des Bistums Würzburg ausgezeichnet.
Mit Bundesverdienstkreuz geehrt
1974 hatte er für seinen besonderen Einsatz für die Allgemeinheit das Bundesverdienstkreuz erhalten.
Trotz dieser mannigfaltigen Aktivitäten hat Rudolf Englert auch ein Privatleben: Seit 59 Jahren ist er mit seiner Frau Hiltrud verheiratet. Ihren 1953 erstgeborenen Sohn haben sie auch wieder Rudolf genannt. Dieser ist Religionspädagoge an der Universität Essen; der zweite Sohn Ulrich lebt in Lohr und hat die Firma übernommen, die zurzeit 42 Mitarbeiter zählt. Fünf Enkel vervollständigen das harmonische Familienleben.
Das große Gartengelände ums Haus in der Rechtenbacher Straße beschäftigte den Jubilar viel. „Jetzt gucke ich mehr“, beschreibt er humorvoll die Unbilden des Alters. Doch wenn die Kräfte auch für die Gartenarbeit heutzutage begrenzt sind, so kommt doch keine Langeweile auf. Schließlich gibt es noch weitere Hobbies, denen er leidenschaftlich nachgeht: „Auf mich wartet noch viel – von der Mineraliensammlung bis hin zu Briefmarken.“