Für Menschen mit einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung ist es immer schwer, einen passenden Arbeitsplatz zu finden. Um hier zu helfen, gibt es viele Integrationsprojekte, die auch staatlich unterstützt werden. Darunter auch die Form von Inklusionsbetrieben, in denen mindestens 30 Prozent schwerbehinderte Menschen beschäftigt werden müssen.
Die Lohrer Selbsthilfe gGmbH ist so ein rechtlich und wirtschaftlich selbstständiges Unternehmen, das gemeinnützig und integrativ tätig ist. Seit 1990 ist das Inklusionsunternehmen auf dem Gelände des Bezirkskrankenhauses mit einem Bistro und einem Verkaufsladen angesiedelt. Außerdem übernehmen die Mitarbeiter Fahrdienste, zum Beispiel Service- und Lieferfahrten für das Bezirkskrankenhaus. "Diese Fahrten gehen bis nach Aschaffenburg, Alzenau und Miltenberg", berichtet der Leiter der Einrichtung, Ulf Würfel.
Patienten des Bezirkskrankenhauses können auch unter rund 400 Artikeln wie Getränken, Lebensmitteln, Hygieneartikel und Tabak auswählen und bekommen sie zu regelmäßigen Zeiten auf die Station geliefert oder kaufen im Laden ein. Hier sei laut Würfel die Belieferung der Forensik ein "großes Thema". Auch externe Aufgaben wie die Pausenverpflegung in der Berufsschule sind Teil der Lohrer Selbsthilfe.
Wechsel nie bereut
Die vom Gesetzgeber geforderten 30 Prozent werden hier mit acht Menschen mit Schwerbehinderung von zwölf Mitarbeitern (zuzüglich zweier nebenamtlicher Verwaltungskräfte) weit überschritten. Seit 2008 ist Ulf Würfel, gelernter Koch und Küchenmeister, der Leiter der Einrichtung und er hat es nie bereut, aus der "freien Gastronomie" heraus zu einem solchen Betrieb gewechselt zu sein. "Das war für mich ein immenser Unterschied, als ich 1998 hierher gekommen bin", erzählt er. In kürzester Zeit habe er sich aber daran gewöhnt, dass die hier beschäftigten Menschen nicht "so leistungs- und kommunikationsfähig" waren wie an anderen Arbeitsplätzen. "Speziell in einer Küche herrscht ja oft ein harter Ton. Den musste ich mir ganz schnell abgewöhnen, sonst hast du hier einen Scherbenhaufen."
Dass das hier nicht so ist, beweist die langjährige Tätigkeit vieler Angestellter. Für die Mitarbeiter mit Beeinträchtigung gibt es auch extra noch einen Betreuungsassistenten, der ihnen bei allen Fragen des Arbeits- oder rechtlichen Lebens hilft, so ist dem "Chef" schon einige Arbeit abgenommen. "Das hatte früher der Leinreiter-Verein von Lohr übernommen, aber seit vielen Jahren lassen wir aus unseren Reihen jemanden dafür ausbilden", berichtet Würfel.
"Ganz anderes Arbeitsklima"
Auch der Servicekraft Iris Hotz, die im September vergangenen Jahres von der Franziskushöhe in Lohr hierher gewechselt ist, gefällt die Atmosphäre an ihrem neuen Arbeitsplatz bestens. "Es ist halt ein ganz anderes Arbeitsklima. Es geht hier viel freundlicher und menschlicher zu. Viele Gäste sind Patienten des Bezirkskrankenhauses und brauchen oft Hilfe bei der Bestellung. Dafür zeigen sie sich stets sehr dankbar. Man lernt hier auch, flexibler zu sein und auf die Leute einzugehen", berichtet sie. Leider habe in jüngster Zeit der Besuch besonders von auswärtigen Gästen sehr nachgelassen. "Vielleicht wissen viele nicht, dass wir genauso eine öffentliche Gaststätte sind wie jedes andere Restaurant", mutmaßt Würfel.
Die täglich wechselnde Speisekarte für den Mittagstisch (ab 11.30 Uhr) liest sich so lecker, dass man schon beim Lesen Appetit bekommt. An den Nachmittagen gibt es eine kleinere Karte mit Burgern, Schnitzel und Pommes. Natürlich auch Kaffee, Eis und Kuchen. Betrieben wird das Bistro fast täglich von mittags bis 17.30 Uhr, nur samstags ist es derzeit geschlossen.
Würfel kocht täglich frisch und baut auch viele regionale Produkte ein. Das Bistro hat vor Corona-Zeiten auch eigene Veranstaltungen, wie Herbst-, Barbecue- oder Weihnachtsbuffets gemacht. Außerdem gibt es auch einen Catering-Service, bei dem bis zu 150 Personen versorgt werden können. Natürlich kann man auch seine eigene Feier in dem Bistro ausrichten lassen. Gemütlich sitzt man drinnen auf einem der rund 75 Plätze mit schöner Aussicht nach draußen. Auch vom Autoverkehr wird man hier nicht gestört. Im Sommer ist dann auch noch die Terrasse mit rund 50 Plätzen geöffnet.
Die Entstehung der Lohrer Selbsthilfe gGmbHDie Entstehungsgeschichte der Lohrer Selbsthilfe gGmbH beginnt bereits im Jahr 1989, als die damaligen Pächter eines kleinen Selbstbedienungsladens im Kellergeschoss des Hauses 10, damals noch ein Patientengebäude, diesen nicht mehr fortführen wollten. Auf der Suche nach einer Idee für die Nachfolge brachte der damalige Ärztliche Direktor Gerd Jungkunz den Vorschlag ein, den Verkaufsladen durch eine Selbsthilfeeinrichtung übernehmen zu lassen. So wurde im Jahr 1990 von Vertretern des Bezirks Unterfranken und des Leinreiter-Fördervereins für Seelische Gesundheit e.V. der Gesellschaftsvertrag zur Errichtung der "Lohrer Selbsthilfe GmbH – Begegnungsstätte mit Café und Verkauf" unterzeichnet. Als bauliche Lösung wurde ein Neubau im Krankenhausbereich beschlossen. Das Haus 20 am Fuße des Sommerbergs wurde noch 1990 eingeweiht und beinhaltet bis heute das Bistro und den Laden am Sommerberg.Quelle: näg