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LOHR: Lohrerin mit drei Kindern hat ohne Abi Medizin studiert

LOHR

Lohrerin mit drei Kindern hat ohne Abi Medizin studiert

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    Michaela Arnold (37) im Treppenhaus der Frauenklinik des Uniklinikums in Grombühl in Würzburg.
    Michaela Arnold (37) im Treppenhaus der Frauenklinik des Uniklinikums in Grombühl in Würzburg. Foto: Foto: Daniel Peter

    Kürzlich erst ging wieder durch die Medien, welch hohe Hürden angehende Medizinstudenten zu nehmen haben. Im Mittelpunkt der Diskussion steht dabei die Abiturnote, die momentan sagenhaft gut sein muss. Michaela Arnold, die in Frammersbach aufgewachsen ist und lange in Lohr gelebt hat, ist fast fertig mit dem Medizinstudium. Dabei hat sie kein Abitur und obendrein drei Kinder. Wie hat sie das gemacht?

    Michaela Arnold, geborene Breitenbach, ist in Lohr als ehemalige Stadtführerin bekannt, beim TSV gab sie Tanzkurse. Wir haben uns mit der stets gut gelaunten 37-Jährigen in der Uniklinik in Würzburg getroffen, wo sie gerade ihr Praktisches Jahr (PJ) absolviert. Bis auf die mündliche hat sie schon alle Abschlussprüfungen geschafft.

    Mit 16 war alles interessanter als Schule

    Schule war nicht ihr Ding, räumt sie freimütig ein. Mit 16 interessierte sie sich für Britpop, Weggehen, Spaß haben, Freundinnen, Tanzen, nur nicht für die Schule. Deshalb verließ sie nach der 10. Klasse das Lohrer Gymnasium und wechselte auf die Fachoberschule in Marktheidenfeld. Sie dachte sich: „Ich brauche eh kein Abi, ich will nie studieren.

    “ Sie hoffte, das Fachabitur wäre etwas leichter, sah sich aber plötzlich mit Fächern wie Rechnungswesen und Volkswirtschaft konfrontiert, mit denen sie wenig anfangen konnte.

    Nach dem Fachabi 1999 fand sie zufällig etwas, das ihr nach dem ganzen Schulkram richtig Spaß machte: eine Ausbildung zur Masseurin. „Anstatt Rechnungswesen und Mathe hatte ich dann Anatomie und Physiologie.“ Zum ersten Mal entdeckte sie ihre Freude am Lernen, wurde fleißig und engagiert. Und sie stellte fest: Das Arbeiten mit Patienten liegt ihr.

    Ausbildung zur Masseurin macht ihr großen Spaß

    Die Ausbildung schloss sie mit 1,0 ab und dachte sich, dass sie ja irgendwann eine Weiterbildung zur Physiotherapeutin machen könnte. Doch am Ende der Ausbildung wurde sie zum ersten Mal schwanger, und sie und ihr Mann Andreas aus Wiesenfeld, den man in Lohr unter anderem durch seine Kolumne „Ich hätt ämoal a Broblem“ im „Kleinen Lohrer“ kennt, bekamen einen Sohn. 21 war sie da. Im Abstand von jeweils eineinhalb Jahren folgten zwei Töchter.

    Eine Weiterbildung oder ein Studium stand so zwangsläufig zunächst hintan. Als die Kinder klein waren, arbeitete sie Teilzeit in der eigenen Praxis im Haus in Lohr. Aber sie nahm sich, ganz für sich selbst, vor: „Spätestens mit 30 will ich anfangen zu studieren.“ 2009 studierte sie tatsächlich halbherzig ein Semester Kulturwissenschaften an der Fernuni Hagen gemacht, was ihr aber zu trocken war.

    Sie ist die Erste aus ihrer Familie, die studiert

    Mit fast 30 begann sie eine Weiterbildung zur Physiotherapeutin, dachte bei sich aber: „Das ist schön und gut, aber so richtig weiter bringt mich das nicht.“ Auch Physiotherapeuten seien ja in gewisser Weise „Auftragsempfänger“ von Ärzten. Irgendwann sei ihr die anfangs gewagte Idee gekommen: „Wieso nicht Medizin studieren?“ Aus ihrer Familie hat zuvor niemand studiert, da galt es zu „schaffen“. Und dann gleich Medizin, einen der lernintensivsten Studiengänge überhaupt? Und wie soll das überhaupt gehen ohne allgemeines Abitur?

    Ihr kam eine seit 2009 neue Regelung an der Uni Würzburg zugute, die es beruflich Qualifizierten über eine Quote ermöglicht, auch ohne Abi ein Fach zu studieren, das mit dem erlernten Beruf verwandt ist. Sie versuchte ihr Glück. Just an ihrem 30. Geburtstag im September 2010 bekam sie einen Anruf, dass sie zu einem Studienberatungsgespräch eingeladen ist – und einen Monat später war sie Medizinstudentin. Sie begann ihr Studium, als ihre Jüngste eingeschult wurde.

    Zunächst Medizinstudentin auf Probe

    Zunächst war sie aber nur Medizinstudentin auf Probe. Sie musste sich beweisen. Ihr Mann hielt das Ganze zudem anfangs für eine fixe Idee. Nach einem Jahr wurde überprüft, ob Arnold mindestens so gut ist wie der durchschnittliche Medizinstudent. Von zwölf Prüfungen, darunter in für sie grauenhaften Fächern wie Physik, Chemie und Biochemie, musste sie acht bestehen. Michaela Arnold bestand alle zwölf. „Es war wahnsinnig anstrengend“, sagt sie rückblickend, aber sie habe alles gegeben, weil sie Angst hatte, dass sie ihren Status als Studentin wieder verlieren könnte.

    Damals wohnte sie mit ihrer Familie noch in Lohr und pendelte – wie ihr Mann auch – mit Zug und Auto nach Würzburg. Frühmorgens fuhr sie los und war in der Regel den ganzen Tag in Würzburg. „Das war echt irre. Nach dem ersten Jahr war ich fix und alle“, erzählt sie. Zum Glück hatten ihre Kinder eine gute Nachmittagsbetreuung und die Großeltern in der Nähe.

    Umzug nach Oberdürrbach erleichterte vieles

    Vor Beginn ihres dritten Semesters zog die Arnolds nach Oberdürrbach um. Das machte vieles einfacher. Seitdem hat sie fünf Minuten mit dem Bus oder eine kurze Radstrecke zur Uniklinik. Außerdem nahmen sie sich eine Haushaltshilfe. Während ihres Studiums bekam sie sogar ein Stipendium für beruflich Begabte.

    Studieren mit Kindern findet sie rückblickend sogar einfacher als Arbeiten mit Kindern, weil die Zeiten nicht so starr sind und sie zwischendurch nach Hause konnte. Sie findet es gut, wenn man trotz Kindern weiter macht und sich nicht total zurückzieht. Richtig Stress hatte sie nur vor den Klausuren. Die Kinder hätten witzig gefunden, wenn sie sagte: „Ich muss jetzt in mein Zimmer und meine Hausaufgaben machen.

    “ Oft ging es für sie ans Lernen, wenn die Kinder abends im Bett waren. Lustig findet sie, dass viele Bekannte erst studierten und jetzt Kinder kriegen, während es bei ihr andersherum lief.

    Ausbildung und Lebenserfahrung empfindet sie als Vorteil

    Sie machte sich im Studium nicht verrückt, sagte sich einfach: „Da musst du durch.“ Klausur für Klausur, Semester für Semester. Dass sie erst eine Ausbildung gemacht und schon Berufserfahrung gesammelt hatte, findet sie sinnvoll. „Ich habe das Gefühl, ich kann mit Patienten oft besser oder leichter umgehen als einer, der Anfang 20 ist.“ Statt an wilden Medizinerfeten teilzunehmen, entspannte sie mit ihrer Familie.

    Im Frühling hat sie ihre mündliche Abschlussprüfung, dann ist sie Ärztin. Für ihre Doktorarbeit hat sie in einer Studie an der Uniklinik und am Lohrer Bezirkskrankenhaus untersucht, wie sich Massagebehandlungen auf die Psyche auswirken. Jetzt überlegt sie, den Facharzt für psychosomatische Medizin und Psychotherapie zu machen und vielleicht irgendwann ihre eigene Praxis zu eröffnen. Vielleicht ja in Lohr.

    „Spätestens mit 30 will ich anfangen zu studieren.“

    Michaela Arnold und ihr Vorsatz

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