Seit Sonntag ist die Marktgemeinde Frammersbach um eine „Kulturperle“ reicher. Und der professionelle Schatten- und Puppenspieler Kolja Liebscher um einen verwirklichten Traum. Sein Zimmertheater in der Orber Straße 106 ist offiziell eröffnet.
Bei der Einweihung der Spielstätte anwesend waren „Schattenkoljas“ ideelle Mutmacher und tatkräftige Helfer. Musikalisch gestaltete den kleinen Festakt seine Lebensgefährtin Martina Friedmann. Wegen ihr zog der aus Schleusingen in Thüringen stammende Künstler 2012 nach Frammersbach.
In seiner Heimatstadt und in Suhl hatte er zuvor zwei eigene Bühnen betrieben. Zimmertheater-Premiere vor geladenen Gästen feierte Liebschers Schattenspiel „Fundevogel“ (Märchen nach Gebrüder Grimm). Über seinen ersten Blick in die neuen Räumlichkeiten sagte er: „Ich habe gedacht, das wird nichts. Hier sind19 Stühle und viel zu wenig Platz.“
Mittlerweile empfinde er es so: „Was ich hier vorfinde, ist ein Geschenk.“ Christian Holzemer, Stellvertretender Bürgermeister, zollte dem Künstler Dank für sein Engagement im Ort. „Du bist in unserer Gemeinde wirklich angekommen und hast sie mit tollen Aktivitäten bereichert.“
Liebscher gestaltete unter anderem den Garten- und Blumenmarkt mit Puppenspiel mit, schuf für die 700-Jahrfeier der ersturkundlichen Erwähnung des Ortes Frammersbach die mittelalterliche Heimatsage „Anno 1314 – Die Abenteuer des kleinen Konrad“ und bringt sich aktiv in das Vereinsleben ein.
Eingangs der Feierstunde hatte er Rückblick genommen auf den Werdegang des Schattenspiels. Dessen Ursprung geht bis auf die Höhlenzeit zurück. Entwickelt hat es sich in China, Indien und Indonesien. Gesicherte Zeugnisse darüber gibt es seit 1000 nach Christus. Im 17. Jahrhundert brachten Händler „das Spiel mit dem Dunkel“ über Persien, Arabien und die Türkei nach Europa. Das älteste schriftliche Zeugnis in Europa stammt aus 1674 in Süditalien. Neun Jahre später führten Komödianten aus Danzig die „Italienischen Schatten“ auf.
„Im Gegensatz zu den fernöstlichen Figuren aus bemaltem Pergament fertigten die Europäer diese aus undurchsichtiger Pappe, Holz oder Metall und vertuschten die Bewegungsquelle aus Faden und Draht“, so Liebscher. Das Licht sei mit Öl und Fackeln erzeugt worden. Frankreich sei bis heute eines der bedeutendsten Schattenspielländer Europas. Zu Ruhm gekommen war das Spiel durch das „Theatre Seraphin“ in Versailles, das ab 1772 fast 100 Jahre lang existierte.
In Deutschland erlebte es seinen ersten Höhepunkt in der Romantik. Stücke für das zum guten Ton einer bürgerlichen Familie gehörende Spiel schrieben unter anderem Goethe, Brentano, Uhland oder Mörike. Die Erfindung des Films um 1900 und die beiden Weltkriege hätten beinahe das Ende des Schattenspiels bedeutet. Der Expressionist Ernst Moritz Engert, Alexander von Bernus und Rolf Hoerschelmann, beide Betreiber der „Schwabinger Schattenspiele“, oder der Pädagoge Leo Weismantel setzten sich für die Erhaltung ein.
Die Spielweise mit technischen Figuren prägte Professor Otto Kraemer (1900 - 1986; Künstler, Philosoph und Ordinarius an der TH Karlsruhe). Sie hat Kolja Liebscher sich zum Vorbild genommen. Zusammenfassend sagt er: „Keine andere Spielform hält solchen Raum für Gestaltungswillen bereit wie das Spiel von Licht mit seinem “dunklen Bruder„ Schatten.“
ONLINE-TIPP
Informationen rund um Liebscher und sein Schattentheater unter www.schattenkolja.de